Biosimilars
- Autor(en): Etzel Gysling
- pharma-kritik-Jahrgang 41
, Nummer 3, PK1072
Redaktionsschluss: 2. August 2019
DOI: https://doi.org/10.37667/pk.2019.1072 - PDF-Download der Printversion dieser pharma-kritik Nummer
Unter der Bezeichnung «Biosimilars» sind bereits mehrere Arzneimittel-Präparate eingeführt worden und es ist anzunehmen, dass Biosimilars in den nächsten Jahren eine zunehmende Bedeutung erlangen werden. Der folgende Text erläutert zunächst den Begriff «Biologika» und anschliessend die Eigenheiten und die mögliche Bedeutung von «Biosimilars».
Was sind Biologika?
Grundsätzlich kann man unter Biologika («Biologics») sämtliche Medikamente verstehen, die entweder biologische Stoffe oder biologischen Ursprungs sind oder aus biologischem Ursprungsmaterial hergestellt werden. Viele «altbekannte» Mittel wie z.B. Gerinnungsfaktoren, Heparin, Impfstoffe sind also auch Biologika. Heute wird der Begriff jedoch oft restriktiver und speziell bei biotechnologisch hergestellten Mitteln verwendet. Es handelt sich dabei um komplexe, mehrstufige Verfahren, bei denen rekombinante Proteine mit stabilisierenden Komponenten zu gebrauchsfertigen Präparaten aufbereitet werden. Zu den biotechnologisch hergestellten Präparaten gehören z.B. monoklonale Antikörper, Glykoproteine, Fusionsproteine und Polypeptidhormone.
Werden Biologika dauerhaft gleich hergestellt?
Im Gegensatz zu rein chemisch fabrizierten Arzneimitteln ist zu berücksichtigen, dass jede Charge eines Biologikums nicht vollständig identisch mit der vorherigen Charge sein kann – man spricht dabei von Mikroheterogenität. Zudem wird die Herstellungsweise dieser Medikamente im Laufe der Jahre oft modifiziert. So wurde beispielsweise das Originalpräparat von Infliximab (Remicade®) im Verlauf von 20 Jahren mindestens 30-mal verändert.
Sind die Änderungen der Herstellungsweise belanglos?
Biologika werden primär (vor der ersten Zulassung) gleich wie chemisch hergestellte Medikamente genau auf ihre klinische Wirkung und Verträglichkeit geprüft. Spätere Änderungen der Herstellungsweise erfolgen oft mit der Absicht, ein Präparat zu optimieren – beispielsweise die Verträglichkeit zu verbessern. Dies kann in relativ kleinen und kurzen Studien dokumentiert werden. Das bedeutet aber auch, dass seltene oder erst nach längerer Anwendung auftretende Probleme nicht sicher erkannt werden. Es gibt mehrere Beispiele von Änderungen der Biologika-Herstellung, bei denen es zu solchen (unerwarteten) Nebenwirkungen gekommen ist.(1)
Was sind Biosimilars?
Biosimilars sind Nachfolge-Präparate von Original-Biologika. So sind beispielsweise Biosimilars von Infliximab wie Remicade® monoklonale chimäre human-murine Antikörper gegen den Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-α) – die Herstellungsschritte müssen aber nicht ganz genau mit den bei Remicade® verwendeten Methoden übereinstimmen. Die Zulassung von Biosimilars beruht auf einer Gesamtbeurteilung, bei der insbesondere auch analytische Verfahren eingesetzt werden und so allfällige strukturelle oder funktionelle Abweichungen überprüft werden.(2) Wie bei Änderungen der Herstellung von Original-Biologika bleiben klinische Studien von untergeordneter Bedeutung. Beispiele von Biosimilars, die auch in der Schweiz erhältlich sind, finden sich in der Tabelle 1.
Warum sind Biosimilars keine Generika?
Dies beruht auf der Tatsache, dass bei Generika von chemisch hergestellten Präparaten grundsätzlich ein völlig mit dem Original identischer Wirkstoff angeboten wird. (Adjuvantien können jedoch auch bei Generika von chemischen Präparaten vom Original abweichen.) Dagegen besteht bei Biosimilars offensichtlich eine Mikroheterogenität gegenüber dem Original – mindestens so sehr wie zwischen verschiedenen Chargen des Original-Biologikums. Auch der Begriff «Bioäquivalenz» lässt sich nicht wie bei Generika auf Biosimilars anwenden. Bei den letzteren sind die weitgehend identische Struktur und Funktion sowie insbesondere auch eine gleichwertige Immunogenität entscheidend. Im Gegensatz zu den chemischen Generika, die grundsätzlich ohne weitere Nachweise für alle Indikationen des Originals zugelassen werden, kann die Zulassung von Biosimilars auf gewisse Indikationen beschränkt bleiben.
Was sind Bioidenticals?
Unter Bioidenticals versteht man Biologika-Heilmittel, die vom gleichen Hersteller und mit denselben Verfahren wie das Original-Biologikum fabriziert werden, aber unter einem anderen Namen vermarktet werden. Wie die sogenannten Original-Generika (bei den chemischen Wirkstoffen) werden Bioidenticals billiger verkauft als das Original. So haben die Hersteller von Originalpräparaten die Möglichkeit, am generischen Markt teilzunehmen und sich so trotz Verlust des Patentschutzes einen Teil des Geschäftes am entsprechenden Umsatz zu bewahren. Selbstverständlich gilt auch für Bioidenticals, dass verschiedene Chargen des Medikamentes mikroheterogen sind.
Kann man mit Biosimilars wirklich sparen?
Im Vergleich mit den Originalpräparaten werden Biosimilars deutlich billiger verkauft; die Preisreduktion beträgt teilweise mehr als 20%. Nach Schätzungen des IMS-Marktforschungsinstituts werden im Zeitraum von 2016 bis 2020 in den fünf grössten westeuropäischen Ländern für 47 Milliarden Euro Biologika verwendet. Das bedeutet, dass tatsächlich ein bedeutsames Sparpotential vorhanden ist. In mehreren Ländern ist aber bisher die Akzeptanz der Biosimilars recht gering.(3) So hat sich beispielsweise ein in Grossbritannien 2015 eingeführtes Biosimilar von Insulin-Glargin bis 2018 gegenüber dem Original (Lantus®) kaum durchgesetzt – nur rund 10% der Personen, die mit diesem Medikament behandelt wurden, erhielten das Biosimilar.
Sind Biosimilars weniger «sicher» als die Originale?
Da Biosimilars vor der Zulassung weniger umfassend geprüft werden als die entsprechenden Originale, kann man argumentieren, ihre Wirksamkeit und Verträglichkeit sei möglicherweise weniger zuverlässig als diejenige der Original-Biologika.(4) Dabei ist allerdings zu bedenken, dass wegen der möglichen Änderungen der Herstellung auch die heute verfügbaren Originalpräparate gegenüber den ursprünglich eingeführten Präparaten nur noch «biosimilar» sind. Praktisch bedeutet das, dass besonders die Langzeitanwendung von Biologika immer mit einer gewissen Unsicherheit verbunden ist. Aber ist dies nicht auch bei chemisch hergestellten Medikamenten der Fall?
Standpunkte und Meinungen
- Es gibt zu diesem Artikel keine Leserkommentare.
Copyright © 2024 Infomed-Verlags-AG
PK1072
Verwandte Artikel
LoginGratisbuch bei einem Neuabo!
pharma-kritik abonnieren
-
Jahrgang 45 / 2023
Jahrgang 44 / 2022
Jahrgang 43 / 2021
Jahrgang 42 / 2020
Jahrgang 41 / 2019
Jahrgang 40 / 2018
Jahrgang 39 / 2017
Jahrgang 38 / 2016
Jahrgang 37 / 2015
Jahrgang 36 / 2014
Jahrgang 35 / 2013
Jahrgang 34 / 2012
Jahrgang 33 / 2011
Jahrgang 32 / 2010
Jahrgang 31 / 2009
Jahrgang 30 / 2008
Jahrgang 29 / 2007
Jahrgang 28 / 2006
Jahrgang 27 / 2005
Jahrgang 26 / 2004
Jahrgang 25 / 2003
Jahrgang 24 / 2002
Jahrgang 23 / 2001
Jahrgang 22 / 2000
Jahrgang 21 / 1999
Jahrgang 20 / 1998
Jahrgang 19 / 1997
Jahrgang 18 / 1996
Jahrgang 17 / 1995
Jahrgang 16 / 1994
Jahrgang 15 / 1993
Jahrgang 14 / 1992
Jahrgang 13 / 1991
Jahrgang 12 / 1990
Jahrgang 11 / 1989
Jahrgang 10 / 1988
Kennen Sie "100 wichtige Medikamente" schon?
Die Liste der 100 Medikamente sehen Sie auf der Startseite von 100 Medikamente.