G-CSF und GM-CSF

Übersicht

Leukozyten, Erythrozyten und Thrombozyten entwickeln sich über verschiedene Zelllinien aus den pluripotenten Stammzellen des Knochenmarks. Die Proliferation und die Differenzierung zu Vorläuferzellen und zu voll funktionsfähigen Blutzellen werden durch verschiedene Peptidhormone gesteuert. Diese myeloischen Wachs-tumsfaktoren (Zytokine) sind in den letzten Jahren intensiv erforscht und in der Klinik getestet worden. Obwohl ihre Anwendung im wesentlichen hämatologisch-onkologisch ausgebildeten Fachleuten vorbehalten bleibt, ist eine kritische Beurteilung dieser Substanzen von allgemeinem Interesse.
Die Wachstumsfaktoren G-CSF («granulocyte colony stimulating factor») und GM-CSF («granulocyte-macrophage colony stimulating factor») werden zur Reduktion von Dauer und Ausmass von Neutropenien verwendet. Empfohlen wird ihre Verabreichung in erster Linie bei intensiver myelosuppressiver Chemotherapie von nicht-myeloischen Malignomen sowie nach Knochenmarkstransplantation bzw. Blutstammzell-Retransfusion.

Chemie/Pharmakologie

Die mit Hilfe rekombinanter DNA-Technik hergestellten Wachstumsfaktoren (genauere Bezeichnung: rG-CSF und rGM-CSF) können sich je nach Expressionssystem von den endogenen Glykoproteinen geringfügig unterscheiden (siehe Tabelle 1).
G-CSF wirkt zelllinienspezifisch auf die Proliferation und Differenzierung von neutrophilen Vorläuferzellen zu neutrophilen Granulozyten. Die durch G-CSF induzierte Neutrophilie ist durch eine Linksverschiebung charakterisiert. In der Schweiz sind zwei G-CSF- Präparate erhältlich, nämlich Filgrastim (Neupogen®, nicht-glykosyliert) und Lenograstim (Granocyte®, Struktur mit dem humanen G-CSF identisch). Für G-CSF konnte in vitro gezeigt werden, dass die glykosylierte Form (Lenograstim) chemisch stabiler ist und eine höhere Potenz aufweist.(1) Qualitative Unterschiede zwischen einer der beiden Formen scheinen allerdings nicht zu bestehen.(2)

Im Gegensatz zu G-CSF moduliert GM-CSF, synergistisch mit anderen Wachstumsfaktoren, alle Zelllinien mit Ausnahme der lymphozytären Reihe. Die stärkste Wirkung ist dabei auf die Granulozyten-Makrophagen-Linie zu beobachten, die Thrombozyten werden nur wenig beeinflusst. Ferner erhöht GM-CSF in der Peripherie die Aktivität ausgereifter neutrophiler und eosinophiler Granulozyten und Makrophagen.(1, 3, 4)In der Schweiz ist Molgramostim (Leucomax®) erhältlich, das in den USA zugelassene

Präparat heisst Sargramostim.






Pharmakokinetik

Etwa 2 bis 8 Stunden nach subkutaner Injektion von G-CSF werden maximale Plasmakonzentrationen beobachtet. Die Plasmahalbwertszeit von G-CSF beträgt wenige Stunden. Wenn das Präparat während 2 bis 5 Tagen verabreicht worden ist, nehmen die Plasmaspiegel oft schnell und kontinuierlich ab. Diese Abnahme wird auf die Induktion unbekannter Clearance-Mechanismen durch eine Zunahme der Neutrophilen im Blut zurückgeführt. Nach subkutaner Applikation von G-CSF resultiert ein stärkerer Anstieg der Neutrophilen-Zahl als nach intravenöser Gabe.(1, 3)
Maximale Plasmaspiegel nach subkutaner Gabe von GM-CSF sind innerhalb von etwa 2 Stunden erreicht. Die Halbwertszeit beträgt 3 Stunden. Nach intravenöser Gabe beträgt die Halbwertszeit nur

1,5 bis 2 Stunden. Metabolismus und Ausscheidung von G-CSF und GM-CSF sind nicht genau bekannnt.(1, 3, 4)

Klinische Studien

Bei Gesunden beträgt die absolute Anzahl neutrophiler Granulozyten («Absolute Neutrophil Count», ANC) im Blut durchschnittlich 1,5x109/L. Bei tieferen Werten spricht man von einer Neutropenie, und ein ANC unter 0,5x109/L wird auch als Agranulozytose bezeichnet. Am häufigsten werden Neutropenien iatrogen durch zytotoxische Medikamente oder Bestrahlung verursacht. Seltener sind Neutropenien idiopathisch oder beruhen auf Erbkrankheiten oder auf idiosynkratischen Medikamentenwirkungen.
Das wichtigste Ziel der Verwendung eines Wachstumsfaktors ist die Reduktion von Morbidität und Mortalität durch Neutropenie-bedingte Infektionen. Die wesentlichen Fragestellungen in klinischen Studien betreffen deshalb Ausmass und Dauer der Neutropenie, die Infektionsrate, die Inzidenz von neutropenischem Fieber und die Mortalität. Beachtet werden muss, dass Morbidität und Mortalität auch mittels antimikrobieller Substanzen signifikant gesenkt werden. Da direkte Vergleiche zwischen G-CSF oder GM-CSF und Antibiotika fehlen, sollte für die beiden Medikamente auch ein zusätzlicher Nutzen bei einer Antibiotikaprophylaxe nachgewiesen werden.

Myelosuppressive Chemotherapien

G-CSF und GM-CSF können nach einer myelosuppressiven Chemotherapie prophylaktisch oder therapeutisch verabreicht werden. Empfohlen wird lediglich die Prophylaxe. Nach den Richtlinien der amerikanischen Gesellschaft klinischer Onkologen können febrile Patienten in sehr schweren Fällen aber auch therapeutisch mit einem der beiden Faktoren und Antibiotika behandelt werden.(5) Das folgende sind einige Beispiele kontrollierter Phase-III-Studien:

Prophylaxe
In zwei Doppelblindstudien ist G-CSF (Filgrastim, 230 mg/m2/Tag) bei 211 und 130 Patienten mit kleinzelligem Lungenkarzinom und intensiver Chemotherapie (Cyclophosphamid, Doxorubicin, Etoposid) gegen Placebo getestet worden. Der niedrigste Neutrophilen-Wert (Nadir) wurde unter G-CSF nicht früher erreicht als unter Placebo; der mediane ANC war unter der aktiven Behandlung jedoch über alle Zyklen signifikant grösser als unter Placebo. Schwere Neutropenien (ANC<0,5x109) dauerten im ersten doppelblinden Behandlungszyklus unter G-CSF 3 Tage, unter Placebo 6 Tage oder länger, ein signifikanter Unterschied, der in den nachfolgenden Behandlungszyklen noch grösser war. An neutropenischem Fieber erkrankten im ersten Zyklus unter G-CSF 20-28% der Patienten und unter Placebo 41-57%, signifikant mehr.(6, 7) In einer anderen Doppelblindstudie erhielten 138 Patienten mit verschiedenen (vorwiegend soliden) Tumoren und therapieinduzierter Neutropenie G-CSF (Filgrastim, 5 mg/kg/Tag) oder Placebo. Auch in dieser Studie dauerte die Neutropenie unter G-CSF (mediane Dauer: 2 Tage) nur halb so lange wie unter Placebo (4 Tage). Die Zahl der Spitaleinweisungen, der Dauer der Spitalaufenthalte oder der parenteralen Antibiotikatherapie sowie die Zahl nachgewiesener Infektionen wurden dagegen von G-CSF nicht beeinflusst. (8) Bei 164 Kindern und Jugendlichen mit akuter lymphoblastischer Leukämie, die in einer Doppelblindstudie G-CSF (Filgrastim, 10 mg/kg/Tag) oder Placebo erhielten, ergab die aktive Behandlung eine signifikante Verkürzung des Spitalaufenthalts und eine Reduktion nachgewiesener Infektionen, vermochte jedoch die Zahl der Spitaleinweisungen wegen neutropenischem Fieber und die Überlebensrate nicht signifikant zu beeinflussen. (9)
In einer multizentrischen Doppelblindstudie bei 120 Brustkrebspatientinnen konnte die Dauer der Neutropenie in allen chemotherapeutischen Behandlungszyklen durch G-CSF (Lenograstim, 5 mg/kg/Tag) von 5-8 Tage auf 2-4 Tage signifikant verkürzt werden. Die Prophylaxe mit G-CSF hatte aber keinen Einfluss auf die klinisch dokumentierte Infektionsrate oder -dauer, dafür waren mikrobiologisch erfasste Infektionen unter G-CSF weniger häufig. Frauen, die G-CSF erhielten, benötigen ferner weniger Antibiotika und konnten früher aus dem Spital entlassen werden.(10)

Therapie des neutropenischen Fiebers
In einer Doppelblindstudie erhielten 216 Patienten mit verschiedenen Krebsarten (etwa zur Hälfte Lymphome), die im Zusammenhang mit einer Neutropenie Fieber entwickelten, neben der antibiotischen Behandlung G-CSF (Filgrastim, 12 mg/kg/Tag) oder Placebo. Die Neutropeniedauer konnte unter G-CSF zwar leicht verkürzt werden (um 1 bis 2 Tage), aber das Fieber dauerte in beiden Gruppen gleich lang.(11)

Myeloablative Chemotherapien mit Knochenmarktrans - plantation

Eine autologe oder allogene Knochenmarktransplantation oder die Transplantation von Blutstammzellen (PBPC, «peripheral blood progenitor cells») erlauben den Einsatz hochdosierter myeloablativer Chemotherapien. Nach den Richtlinien der amerikanischen Gesellschaft klinischer Onkologen wird der Einsatz beider Wachstumsfaktoren nach allen drei Interventionen und auch vor einer Leukapherese empfohlen.(5)
Beispiele wichtiger randomisierter, kontrollierter Phase-III-Studien: In einer placebokontrollierten Multizenterstudie bei 315 Erwachsenen und Kindern mit verschiedenen nicht-myeloiden Malignomen (vorwiegend Lymphomen und akute lymphoblastische Leukämie) hatte G-CSF (Lenograstim, 5 mg/kg/Tag) keinen Einfluss auf die rapide Senkung der Leukozyten und Thrombozyten in der ersten Woche nach einer autologen oder allogenen Knochenmarktransplantation. Innerhalb von 28 Tagen stabilisierten sich die Leukozyten (ANC>1,0x109/L) in der aktiven Behandlungsgruppe bei signifikant mehr Patienten (84%) als in der Kontrollgruppe (52%), und Fieber, Antibiotikaverbrauch, parenterale Ernährung und Spitalaufenthalt dauerten signifikant weniger lang. Sepsis, neutropenisches Fieber und Plättchentransfusionen wurden in beiden Gruppen gleich häufig registriert und die Mortalität nach 100 Tagen war gleich hoch.(12)
In einer randomisierten Studie bei 68 Lymphom-Patienten wurden nach autologer Knochenmarktransplantation zwei verschiedene G-CSF-Dosen (Filgrastim, 5 oder 10 mg/kg/Tag) verglichen. Es fanden sich keine nennenswerten Unterschiede zwischen den beiden Dosen: mit beiden Dosierungen dauerte es im Mittel 11 Tage, bis ein ANC über 0,5x109/L erreicht war. Auch die Inzidenz von neutropenischem Fieber, die Zahl nachgewiesener Infektionen und der Antibiotikabedarf war in den beiden Gruppen ungefähr gleich.(13)
Nach einer autologen Transplantation bei 61 Patienten mit malignen Lymphomen wurde der Nadir unter GM-CSF (Molgramostim, 250 mg/m2/Tag) nach 5 Tagen, unter Placebo nach 7 Tagen beobachtet. In dieser Doppelblindstudie dauerten schwere Neutropenien (ANC<0,1x109/L) in beiden Gruppen gleich lang (rund 12 Tage). Das Intervall bis zur neutrophilen Erholung (ANC>0,5x109/L) war unter GM-CSF aber signifikant kürzer (14 Tage) als unter Placebo (20 Tage). Keine Unterschiede zugunsten von GM-CSF ergaben sich in bezug auf Fiebertage, positive Blutkulturen, bakterielle Infektionen, Antibiotikaverbrauch, Spitalaufenthalte, Plättchenoder Erythrozytentransfusionen und Überlebensraten.(14)

Blutstammzelltransplantation

In einer randomisierten Studie erhielten 58 Lymphom-Patienten mit G-CSFmobilisierteBlutstammzellen (Filgrastim, 10 mg/kg/Tag, 6Tage lang) oder eine autologe Knochenmarktransplantation. Dabei ergaben sich in der Blutstammzell-Gruppe durchwegs signifikant bessere Resultate in bezug auf die Blutwerte: es waren weniger lang Plättchentransfusionen nötig und auch die Leukozyten erholten sich schneller. Zudem wurden die Patienten aus der Blutstammzell-Gruppe früher aus dem Spital entlassen. Morbidität und Mortalität nach 300 Tagen waren hingegen gleich gross.(15)
Die Behandlung mit Wachstumsfaktoren nach einer Blutstammzell- Transplantation brachte weniger gute Resultate: In einer Doppelblindstudie bei 50 Patienten mit verschiedenen (vorwiegend hormonabhängigen) Malignomen, die alle eine Blutstammzell- Transplantation erhalten hatten, ergaben sich zwischen einer Behandlung mit GM-CSF (Molgramostim, 5 mg/kg/Tag) und Placebo keinerlei signifikante Unterschiede.(16)
In einer placebokontrollierten Doppelblindstudie bei 343 Patienten mit verschiedenen Tumoren (überwiegend Lymphomen) erhielten 44 Patienten neben einer autologen Transplantation zusätzlich Stammzellen infundiert. Ausserdem wurden 16 Patienten nur mit Stammzellen behandelt. Unter GM-SCF (Molgramostim, 10 mg/kg/Tag) ergab sich immerhin eine schnellere Neutrophilenrekonstitution.(17)

Myeloische Leukämien

Nach den Richtlinien der Gesellschaft amerikanischer Onkologen können G-CSF oder GM-CSF bei über 55jährigen Patienten mit akuter myeloischer Leukämie allenfalls nach einer Chemotherapie eingesetzt werden.(5) In der Mehrzahl der randomisierten Studien, in der die Faktoren auch vor bzw. während der Induktionstherapie geprüft wurden, konnte kein klinischer Nutzen nachgewiesen werden. Bei allen myeloischen Malignomen muss bedacht werden, dass zumindest in vitro die Proliferation und Differenzierung maligner Blasten sowohl durch G-CSF als auch GM-CSF angeregt werden können. Nach der Induktionstherapie sind G-CSF und GM-CSF bei Patienten mit akuter myeloischer Leukämie in verschiedenen randomisierten Studien untersucht worden. Die Dauer einer Neutropenie konnte in der Regel verkürzt werden. In einigen Studien wurde auch die Infektionsrate positiv beeinflusst(5) und selten ergab sich auch eine höhere vollständige Remissionsrate.(18) Die Resultate der grössten bis anhin publizierten randomisierten Doppelblindstudie, die mit über 60jährigen Patienten durchgeführt wurde, sind allerdings ernüchternd: 388 Patienten mit akuter myeloischer Leukämie erhielten nach der Induktionstherapie GM-CSF (Molgramostim, 5 mg/kg/Tag) oder Placebo. Die Dauer der Neutropenie (ANC<0,5x109/L) konnte unter der aktiven Behandlung von 17 auf 15 Tage signifikant, aber klinisch kaum relevant verkürzt werden. GM-CSF hatte keinerlei Einfluss auf alle anderen untersuchten Parameter (Infektionen, Hospitalisierungsdauer u.a.), und die vollständige Remission war in beiden Gruppen gleich hoch (51% unter GM-CSF, 54% unter Placebo).(19)

Chronische Neutropenien

Patienten mit schwerer idiopathischer, zyklischer oder kongenitaler chronischer Neutropenie (ANC<0,5x109/L) sind einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt. Ein Nutzen einer chronischen Therapie ist nur für G-CSF belegt: In einer randomisierten Studie wurden 123 wiederholt an Infektionen leidende Patienten mit einer schweren chronischen Neutropenie und einem Durchschnittsalter von 12 Jahren behandelt. Zunächst erhielt etwa die Hälfte während 4 Monaten G-CSF (Filgrastim, 3,45-11,5 mg/kg/Tag) oder keine Therapie. Nach 4 Monaten wurde auch die Kontrollgruppe mit G-CSF behandelt. 90% der Behandelten sprachen auf die Therapie an (ANC>1,5x109/L). Eine signifikante Erhöhung des ANC konnte auch in den Untergruppen (idiopathische, zyklische oder kongenitale Neutropenie, Kostmann-Syndrom) gezeigt werden. Ferner konnten mit G-CSF insgesamt (aber nicht in allen Untergruppenanalysen) auch die Infektionsrate, die Häufigkeit und die Dauer des Antibiotikaverbrauchs und die mediane Inzidenz der Hospitalisierungen signifikant gesenkt werden.(20)

AIDS

Bei AIDS-Kranken kann die Hämatopoiese infektionsbedingt eingeschränkt sein; eine allfällige Neutropenie kann zudem durch durch einzelne Medikamente wie z.B. Zidovudin (Retrovir® AZT®) verstärkt werden. Randomisierte Studien zur Prophylaxe oder zur Therapie einer Neutropenie bei HIV-Patienten sind noch kaum vorhanden. Gemäss einer offenen Studie bei 200 Patienten kann aber G-CSF (Filgrastim, 1 mg/kg/Tag) eine Neutropenie schnell und sicher beheben.(21) GM-CSF wurde in einer randomisierten Studie bei 123 neutropenischen HIV-Patienten verabreicht und führte im Vergleich zu einer unbehandelten Kontrollgruppe (121 HIV-Patienten) zu einem signifikanten Anstieg der Leukozyten.(22) Gemäss anderen Untersuchungen kann jedoch GM-CSF die HIVReplikation anregen; G-CSF ist deshalb möglicherweise vorzuziehen. (23) Ob die Wachstumsfaktoren bei HIV-Patienten wirksam

Infektionen verhindern oder die Überlebenschancen verbessern, ist nicht nachgewiesen.

Akute Agranulozytose

Eine schwere idiosynkratische Agranulozytose kann laut Fachleuten wegen der lebensbedrohlichen Situation trotz Ermangelung klinischer Studien mit G-CSF oder GM-CSF behandelt werden. Am besten dokumentiert ist G-CSF (Filgrastim, 5 bis 10 mg/kg/Tag, bis 14 Tage lang), das unter anderem bei Agranulozytosen infolge Clozapin (Leponex®), Captopril (Lopirin® u.a.), Aurothiomalat (Tauredon®), Propylthiouracil, Mesalazin (Salofalk® u.a.) und Sulfasalazin (Salazopyrin®) erfolgreich angewendet wurde.(1)

Unerwünschte Wirkungen

Die dominante unerwünschte Wirkung der beiden Wachstumsfaktoren sind Knochenschmerzen (20-25%), die in der Regel mit Paracetamol (z.B. Panadol®) gut kontrollierbar sind. Daneben wird unter G-CSF relativ oft über Skelettmuskelschmerzen, Kopfschmerzen und leichte Hautausschläge (8%) berichtet. GM-CSF-typische häufige Nebenwirkungen sind leichtes Fieber (bis zu 50%), Erkältungssymptome mit Myalgie und Frösteln, lokale und generalisierte Hautausschläge, Gesichtsrötung, gastrointestinale Symptome, Erschöpfungszustände und Asthenie. Als «First Dose Syndrome» entwicklen unter GM-CSF 15-30% der Behandelten eine Hypoxie, Tachykardie und Hypotension. Öfter unter GM-CSF als unter G-CSF ist über kardiovaskuläre Komplikationen -- arterielle Thrombosen und vaskuläre Lecke (pleurale Effusionen, Perikarditis) -- berichtet worden. Eine Splenomegalie wird unter beiden Wachstumsfaktoren beobachtet, die Inzidenz bei einer Langzeittherapie mit G-CSF betrug 24%. Unter GM-CSF können sich gewisse Autoimmunerkrankungen (Thyroiditis, idiopathische Thrombozytopenie, seropositive Arthritis beim Felty-Syndrom) verschlechtern oder sie können induziert werden. Eine Psoriasis kann unter beiden Faktoren, Osteoporose unter G-CSF exazerbieren. Leukozytoklastische Vaskulitiden wurden sowohl unter GCSF als auch unter GM-CSF beobachtet, neutrophile Dermatosen kommen unter G-CSF dagegen häufiger vor. Beide Wachstumsfaktoren weisen ein hepatotoxisches Potential auf, insbesondere unter GM-CSF ist über Koagulationsfaktor-Anomalien berichtet worden. Unter der Prophylaxe mit Molgramostim ist mit der Bildung von Antikörpern zu rechnen. Über Anaphylaxien ist unter GM-CSF berichtet worden.(24)

Dosierung, Verabreichung, Kosten

Filgrastim (Neupogen®) ist als gebrauchsfertige Lösung, Lenograstim (Granocyte®) und Molgramostim (Leucomax®) sind als albuminhaltige Lyophilisate zur Rekonstitution erhältlich. Alle Präparate sind limitiert kassenzulässig. Auf genaue Dosis- und Verabreichungshinweise wird hier bewusst verzichtet; detaillierte Anweisungen finden sich in den offiziellen Dokumenten. Generell sollen die Faktoren frühestens 24 Stunden nach der Chemotherapie gegeben werden. In der Stillzeit und bei schweren Leber- oder Nierenfunktionsstörungen sollten weder G-CSF noch GM-CSF angewendet werden. Die Behandlung mit Wachstumsfaktoren während einer Woche verursacht für eine erwachsene Person mit einem Körpergewicht von 60 kg Kosten in der Grössenordnung von 1400 bis 1600 Franken. Doppelte Dosen, wie sie bisher z.B. für Filgrastim (Neupogen®) nach Knochenmarktransplantation empfohlen werden, kosten entsprechend das Doppelte.

Kommentar

Für beide Wachstumsfaktoren ist klinisch gut belegt, dass sie nach zytotoxischen Chemotherapien Ausmass und Dauer von Neutropenien deutlich reduzieren können, und erstmals steht mit G-CSF auch bei chronischen und medikamenteninduzierten Neutropenien eine wirksame Behandlung zur Verfügung. Die Ergebnisse, die mit G-CSF und GM-CSF nach einer myelotoxischen Chemotherapie bezüglich Infektionen, neutropenischem Fieber, Spitalaufenthaltszeiten und Antibiotikaverbrauch bis anhin gewonnen worden sind, sind jedoch widersprüchlich. Anzeichen, dass die Mortalität mit Hilfe der Wachstumsfaktoren gesenkt werden könne, gehen bislang aus keiner Untersuchung hervor.
Wenn bereits während einer Neutropenie ein behandlungsbedürftiger Infekt aufgetreten ist, kann nach dem aktuellen Wissensstand eine Behandlung mit Wachstumsfaktoren nicht empfohlen werden.
Um die verschiedenen wichtigen Fragen zu klären und den Nutzen und auch die Grenzen dieser sehr teuren Medikamente klar zu etablieren, sind randomisierte, kontrollierte Studien vonnöten, die sich eingehend mit der Frage befassen, mit welchen Mitteln oder welchen Medikamentenkombinationen (Antibiotika, Pilzmittel, G-CSF oder GM-CSF) neutropeniebedingte Infektionen am wirksamsten verhindert werden können und welche Patienten von einer Prophylaxe am ehesten profitieren. Eine weitere ungelöste Frage betrifft den Beginn der Prophylaxe. Da Zeitpunkt und Ausmass des Neutrophilen-Nadirs unter G-CSF oder GM-CSF zum Teil nur unwesentlich beeinflusst werden, könnte die Behandlung auch später als empfohlen angesetzt werden. Dringend nötig sind ferner allgemeine Dosierungsrichtlinien, die das Verwirrspiel zwischen den zwei verschiedenen Empfehlungen für Filgrastim und Lenograstim klären würden.

Literatur

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  2. 2) De Arriba F et al. Br J Haematol 1997; 96: 418-20
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  23. 23) Hermans P. AIDS 1995; 9 (Suppl 2): S9-14
  24. 24) Vial T, Descotes J. Drug Saf 1995; 13: 371-406

Standpunkte und Meinungen

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G-CSF und GM-CSF (14. November 1997)
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