Nebenwirkungen aktuell
- pharma-kritik-Jahrgang 16
, Nummer 05, PK660
Redaktionsschluss: 14. März 1994 - PDF-Download der Printversion dieser pharma-kritik Nummer
ENALAPRIL
Enalapril ist einer der wichtigsten und bestdokumentierten Hemmer des «Angiotensin Converting Enzyme » (ACE). Über Nebenwirkungen von Enalapril haben wir schon verschiedentlich berichtet, zuletzt 1989 über die Gefahren des Medikamentes in der Schwangerschaft (pharma-kritik 1989; 11: 74-5). Da das Medikament so häufig verwendet wird, werden immer wieder neue Nebenwirkungen erkannt.
Basiswissen zu Enalapril findet sich in:
Maurer E. pharma-kritik 1991; 13: 77-80
Todd PA, Goa KL. Drugs 1992; 43: 346-81
Markenname: Reniten®
Inadäquate Adiuretin-Sekretion (SIADH)
Eine 69jährige Frau, die an Diabetes und Hypertonie litt, wurde wegen Hyponatriämie ins Spital eingewiesen. Sie war vorher während 4 Monaten mit Enalapril (20 mg/Tag) behandelt worden. Die Patientin fühlte sich schwach und hatte eine leichte Dyspnoe. Laboruntersuchungen ergaben eine Hyponatriämie von 125 mmol/l und eine leicht erniedrigte Plasmaosmolalität von 270 mosmol/kg (Norm: über 275 mosmol/kg). Nach Absetzen von Enalapril normalisierte sich der Natriumwert rasch. Um den Zusammenhang mit dem Medikament zu dokumentieren, erhielt die Patientin später nochmals während 2 Wochen Enalapril in der gleichen Tagesdosis. Es kam wiederum zum Absinken von Natrium und Osmolalität im Plasma.
Castrillón JLP et al. J Intern Med 1993; 233: 89-91
Hustensynkope
Bei einem 55jährigen Geschäftsmann wurde wegen essentieller Hypertonie eine Behandlung mit Enalapril begonnen. Der Patient war Nichtraucher und hatte keine Vorgeschichte respiratorischer Erkrankungen. Innerhalb weniger Tage entwickelte er einen trockenen Husten, der weder auf Bronchodilatatoren noch auf Antihistaminika reagierte. Eines Morgens, als er mit dem Auto zur Arbeit fuhr, hatte er einen heftigen Hustenanfall und verlor dabei kurzfristig das Bewusstsein. Es kam zu einem Unfall, der Patient wurde jedoch nicht verletzt. Eine anschliessend durchgeführte Untersuchung zeigte keine neurologischen Anomalien. Nach Absetzen von Enalapril verschwand der Husten allmählich.
Jayarajan A, Prakash O. Chest 1993; 103: 327-8
Hepatotoxizität
Eine 73jährige Frau, die seit neun Monaten mit Lisinopril (Prinil®, Zestril®) behandelt wurde, musste wegen eines ischämischen Insultes hospitalisiert werden. Zu diesem Zeitpunkt ergaben alle üblichen Laboruntersuchungen (auch die Lebertests) normale Resultate. Im Spital wurde die antihypertensive Wirksamkeit von Lisinopril als ungenügend angesehen und die Patientin erhielt stattdessen Enalapril (20 mg/Tag). Zehn Tage später wurde die Patientin auffällig müde und begann zu erbrechen. Laboruntersuchungen ergaben einen deutlichen Anstieg der Transaminasen, der alkalischen Phosphatase und der Gamma-
Stichwortverzeichnis zu dieser Ausgabe
Adiuretin-Sekretion, inadäquate (Enalapril, Fluoxetin)
Alveolitis (Mesalazin)
Anämie, aplastische (Mesalazin)
Bradykardie (Fluoxetin)
Enalapril
Extrapyramidale Symptome (Fluoxetin)
Fluoxetin
Haarausfall (Fluoxetin)
Halluzinationen (Enalapril)
Hepatotoxizität (Enalapril)
Hustensynkope (Enalapril)
Mesalazin
Perikarditis (Mesalazin)
Pneumonie, eosinophile (Mesalazin)
Psoriasis (Fluoxetin)
Urtikaria (Enalapril)
Texte dieser Ausgabe
zusammengestellt von T. Kappeler und R. Majstorovic,
kommentiert von E. Gysling
glutamyltransferase. Die Ultraschalluntersuchung zeigte normale Leber- und Gallenwegsbefunde. Nach Absetzen von Enalapril normalisierten sich die Leberenzyme innerhalb von zehn Tagen.
Valle R et al. Ann Pharmacother 1993; 27: 1405
In einer Übersicht werden die Daten von 19 Fällen von Hepatotoxizität im Zusammenhang mit ACE-Hemmern dargestellt. An fünf Fällen war Enalapril, an einem Fall Lisinopril, an den anderen Fällen Captopril (Lopirin®, Tensobon®) beteiligt. Meistens, aber nicht immer, war ein Ikterus vorhanden. In der Regel fand sich eine Cholestase, zum Teil auch eine hepatozelluläre Schädigung. In der Hälfte der Fälle wurde die Hepatotoxizität im Zeitraum von einem Monat nach Beginn der Behandlung manifest; in einzelnen Fällen traten die Symptome aber wesentlich später auf. Nach Absetzen des ACE-Hemmers kann es mehrere Monate dauern, bis die Leberfunktion wieder normal ist. Zwei Patienten starben, einer davon infolge der medikamentös induzierten Lebernekrose. Die Autoren dieses Berichtes nehmen an, dass die betroffenen Personen eine idiopathische Überempfindlichkeit aufweisen, die zu einer Veränderung des Prostaglandin-Metabolismus und erhöhter Bradykinin-Aktivität in der Leber führt.
Hagley MT et al. Ann Pharmacother 1993; 27: 228-31
Halluzinationen
Ein 73jähriger Mann hatte visuelle Halluzinationen, nachdem er wegen einer Herzinsuffizienz zweimal täglich 5 mg Enalapril erhielt. Die Symptome verschwanden nach Absetzen des Medikamentes. Nach einem Monat begann man eine Behandlung mit Captopril (3mal 12,5 mg täglich). Bereits nach einem Tag traten erneut Halluzinationen auf; auch diesmal verschwand die Symptomatik rasch, nachdem Captopril gestoppt wurde.
Haffner CA et al. Postgrad Med J 1993; 69: 240
Urtikarielle Hautreaktion
Eine 29jährige Diabetikerin erhielt wegen Niereninsuffizienz Enalapril (20 mg/Tag). Die Patientin entwickelte einen generalisierten Juckreiz mit urtikariellen Läsionen am Thorax und an den Extremitäten. Eine Hautbiopsie ergab eine Vaskulitis mit leukozytärer Infiltration der kleinen Hautgefässe und fokaler Destruktion der Gefässwände. Die Hautreaktion wurde mit Hydroxyzin (Atarax®) und Steroidsalben behandelt. Zudem wurde die Enalapril-Dosis auf 10 mg/Tag reduziert. So verschwand die Hautreaktion, obwohl das Medikament weiter verabreicht wurde.
Carrington PR et al. Cutis 1993; 51: 121-3
Wenn man bedenkt, wie häufig ACE-Hemmer verschrieben werden, so ist eigentlich überraschend, wie wenig gefährliche Nebenwirkungen dieser Medikamente bisher bekannt sind. Es sind eigentlich nur zwei Probleme, die in der Praxis grössere Bedeutung erlangt haben: der Husten, da er nicht selten zum Absetzen des Medikamentes zwingt, und die schwere Bedrohung für ungeborene Kinder.
FLUOXETIN
Fluoxetin, ein selektiver Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, hat im Vergleich mit trizyklischen Antidepressiva weniger anticholinerge Nebenwirkungen. Unter dem Namen Prozac® erlebt Fluoxetin in den USA zurzeit als «Universalpsychopharmakon» einen eigentlichen Boom. Ausführliche Informationen zu Fluoxetin liefern folgende Arbeiten:
Beutler M. pharma-kritik 1991; 13: 74-6
Benfield P et al. Drugs 1986; 32: 481-508
Markenname in der Schweiz: Fluctine®
Haarausfall
Bei einer 65jährigen Frau, die wegen einer Depression Fluoxetin erhielt (20 mg/Tag), war zwei Wochen nach der ersten Einnahme des Medikamentes das Haupthaar stellenweise so dünn geworden, dass die Therapie sofort abgebrochen wurde. Schon fünf Tage später begann der Haarausfall abzunehmen.
Eine 77jährige Frau verlor neben den Haupthaaren auch die Schamhaare: obwohl der Haarausfall schon drei Wochen nach Beginn der Behandlung sichtbar wurde, berichtete die Patientin erst nach anderthalb Jahren Fluoxetinbehandlung darüber. In dieser Zeit war der Haaransatz stark zurückgegangen und die Schamhaare waren grösstenteils ausgefallen. Etwa drei Wochen nach Absetzen von Fluoxetin hörte der Haarausfall auf. Nach Angaben der Hersteller sollen in den USA bis Ende 1991 bereits 498 Fälle von Fluoxetin-assoziiertem Haarausfall bekannt geworden sein.
Ogilvie AD. Lancet 1993; 342: 1423
Erst ein Jahr nach Beginn einer Behandlung mit Fluoxetin (40 mg/Tag) machte sich der Haarausfall bei einer 53jährigen, wegen Zwängen behandelten Frau bemerkbar. Sie verlor plötzlich büschelweise Haupthaare. Der Haarausfall liess etwa vier Monate nach Absetzen des Medikamentes nach.
Jenike MA. Am J Psychiatry 1991; 148: 392
Auch ein Fall von irreversiblem Haarausfall ist dokumentiert: Einer 72jährige Frau begannen zwei Wochen nach Beginn der Therapie mit Fluoxetin (20 mg/Tag) die Haupthaare auszufallen. Obschon Fluoxetin umgehend abgesetzt wurde, breitete sich der Haarausfall auf den ganzen Körper aus. Noch 18 Monate später hatte die Frau weder Körper- noch Haupthaare.
Gupta S, Major LF. Br J Psychiatry 1991; 159: 737-8
Inadäquate Adiuretin-Sekretion
Eine 92jährige (!) Frau musste wegen ausgeprägter Schwäche und Appetitlosigkeit hospitalisiert werden. Im Spital wurden eine ausgeprägte Hyponatriämie (98 mmol/l) sowie eine Hypokaliämie (2,3 mmol/l) und niedrige Chloridund Kreatininwerte festgestellt. Die Plasmaosmolalität betrug 214 mosmol/kg (Norm: über 275 mosmol/kg). Die Frau hatte seit zwei Wochen Fluoxetin (20 mg/Tag) erhalten. Ausserdem wurde sie seit längerer Zeit mit Indapamid (Fludex®), Levothyroxin (Eltroxin®) und Alprazolam (Xanax®) behandelt; das Diuretikum hatte bisher nie zu Elektrolytstörungen geführt. Fluoxetin und Indapamid wurden abgesetzt. Unter Infusionstherapie mit physiologischer Kochsalzlösung und Kaliumersatz normalisierten sich die Elektrolyte langsam im Verlauf von acht Tagen. Auf eine antidepressive Therapie wurde in der Folge verzichtet. Obwohl auch Indapamid als Ursache der inadäquaten Adiuretin-Sekretion (SIADH) in Frage kommt, ist aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs Fluoxetin die wahrscheinlichere Ursache. Die Autorinnen des Berichtes verweisen auf eine Reihe anderer Fälle von SIADH unter Fluoxetin.
Blacksten JV, Birt JA. Ann Pharmacother 1993; 27: 723-4
Bradykardie
Eine 89jährige Frau, die seit 18 Monaten mit Fluoxetin (20 mg/Tag) behandelt wurde, musste wegen Schwindelanfällen und Stürzen hospitalisiert werden. Neben Fluoxetin erhielt sie seit mehreren Jahren Amitriptylin (25 mg/Tag, z.B. Saroten®) und gelegentlich Temazepam (z.B. Normison ®) als Schlafmittel. Im Spital fand sich ein normaler Blutdruck (140/80 mm Hg), jedoch eine deutliche Sinusbradykardie von 44/Min, bei im übrigen normalem EKG. Alle Medikamente wurden abgesetzt. Am nächsten Tag war der Puls auf 72/Min angestiegen und die Patientin fühlte sich frei von Schwindelsymptomen. Die weitere Untersuchung ergab ein bei dieser Frau bisher nicht bekanntes Sinusknotensyndrom. Dennoch bringen die Autoren die Bradykardie in direkten Zusammenhang mit Fluoxetin: mit dem Absetzen hatte sich die Bradykardie sofort gebessert und vor der Therapie mit Fluoxetin waren nie ähnliche Probleme zu verzeichnen gewesen.
Hussein S, Kaufman BM. Postgrad Med J 1994; 70: 56
Eine 40jährige Frau, die seit fünf Tagen Fluoxetin (20 mg/Tag) erhielt, erlitt sechs Stunden nach Einnahme des Medikamentes eine Synkope. Als sie kurz danach das Bewusstsein wiedererlangt hatte, betrug der Blutdruck 70/40 mm Hg und der Puls 40/Min; im EKG war eine Sinusbradykardie erkennbar. Fluoxetin wurde abgesetzt, der Puls normalisierte sich, Synkopen traten nicht mehr auf.
Eine 42jährige Frau wurde initial mit 20 mg Fluoxetin täglich und mit Alprazolam (5 mg über den Tag verteilt) behandelt. Da sich mit höheren Fluoxetindosen eine bessere antidepressive Wirkung erreichen liess, wurde die Fluoxetindosis im Verlauf von Monaten bis auf 80 mg/Tag (!) erhöht. Es kam zu synkopenähnlichen Schwächezuständen bei einem Sinusrhythmus unter 50/Min. Nach Dosisreduktion auf 60 mg/Tag besserte sich der Zustand der Frau allmählich und in der Folge traten keine ähnlichen Ereignisse mehr auf.
Ellison JM et al. J Clin Psychiatry 1990; 51: 385-6
Extrapyramidale Symptome
Eine 54jährige Frau wurde wegen einer schweren Depression mit verschiedenen Medikamenten (Doxepin = Sinquan ®, Haloperidol = Haldol®, Lorazepam = Temesta®) und wegen Akathisie mit Trihexyphenidyl (Artane®) behandelt. Alle diese Medikamente wurden allmählich abgesetzt. Nach einem sechswöchigen medikamentenfreien Intervall erhielt die Patientin Fluoxetin (20 mg/Tag). Die Frau entwickelte darauf einen linksseitigen Blepharospasmus, einen Lippentremor und eine Dystonie des Oberkörpers sowie ein linksseitiges Hinken. Diese Symptome konnten mit einem Anticholinergikum erfolgreich behandelt werden. Die Autorin des Berichtes sieht einen direkten Zusammenhang zwischen Dystonie und Fluoxetin, da beim Auftreten der Symptome Haloperidol schon seit zehn Wochen abgesetzt worden war.
Dave M. Am J Psychiatry 1994; 151: 149
Ein 12jähriger Knabe, der noch nie psychoaktive Medikamente bekommen hatte, erhielt zur Behandlung einer Depression mit Erregungszuständen Fluoxetin (20 mg/Tag). Seine aggressiven und gewalttätigen Ausbrüche besserten sich. Nach 8 Monaten Behandlung zeigten sich jedoch zunehmend verschiedene Tics wie Blinzeln, Schulterzucken und abnorme Bauchbewegungen. Neun Monate nach Beginn der Therapie wurde Fluoxetin abgesetzt, 2 Monate später hatten die Tics stark nachgelassen. Nach weiteren 6 Monaten waren sie ganz verschwunden.
Eisenhauer G et al. Ann Pharmacother 1993; 27: 725-6
Psoriasis
Einer 61jährigen Frau wurde wegen depressiven Störungen Fluoxetin (20 mg/Tag) verschrieben. Daneben erhielt sie den Lipidsenker Lovastatin, Triamteren/Hydrochlorothiazid (z.B. Dyazide®), Levothyroxin (Eltroxin®) und Enalapril (Reniten®). Ein Jahr nach Beginn der antidepressiven Therapie wies die Frau an beiden Beinen und später an Rumpf und Ellbogen psoriatische Läsionen auf. Die Fluoxetindosis wurde auf 20 mg alle 2 Tage und dann auf 20 mg alle 3 Tage reduziert, worauf sich die Läsionen zurückbildeten. Eine andere, 42jährige Frau entwickelte unter Fluoxetin erythematöse Läsionen zunächst am Handgelenk, später auch an anderen Körperstellen. Obwohl es sich auch in diesem Fall wahrscheinlich um psoriatische Läsionen handelte, wurde Fluoxetin nicht abgesetzt.
Hemlock C et al. Ann Pharmacother 1992; 26: 211-2
Kein Wunder, dass sich die Berichte über Fluoxetin-Nebenwirkungen mehren. Es scheint ja in den USA tatsächlich zu dem Psychopharmakon avanciert zu sein und wird entsprechend auch bei sehr fragwürdigen Indikationen eingesetzt. Eine Verabreichung an 12jährige oder über 90jährige Patienten ist doch wohl kaum indiziert! Haarausfall ist übrigens eine Nebenwirkung, die offenbar nicht extrem selten ist und bisher noch kaum Erwähnung in der offiziellen Arzneimittelinformation findet (auch im Schweizer Arzneimittelkompendium 1994 nicht).
MESALAZIN
Mesalazin, auch als 5-Aminosalicylsäure (5-ASA) bezeichnet, wird zur Behandlung entzündlicher Darmerkrankungen verwendet. Es ist in diesen Fällen ähnlich wirksam ist wie das schon länger bekannte Sulfasalazin (Mesalazin+ Sulfapyridin).
Ausführlichere Angaben zu diesen Medikamenten finden sich zum Beispiel in folgenden Artikeln:
Brogden R, Sorkin E. Drugs 1989; 38: 500-23
Bansky G. Ther Umsch 1991; 48: 468-70
Markennamen:
Mesalazin: Asacol®, Pentasa®, Salofalk®
Olsalazin: Dipentum®
Sulfasalazin: Salazopyrin®
Aplastische Anämie
Ein 71jähriger Diabetiker erkrankte an Colitis ulcerosa und wurde zunächst mit Prednisolon, später mit Mesalazin (2mal 800 mg/Tag) behandelt. Etwa 4 Monate nach Beginn der Mesalazin-Behandlung trat eine Purpura auf. Das Blutbild ergab eine Panzytopenie mit 88 g/l Hämoglobin, 1300/ml Leukozyten und 12000/ml Thrombozyten. Trotz Behandlung mit Antithymozyten-Globulin und mit Blutzell- Konzentraten kam es zu einer schweren Sepsis mit Pneumonie und schliesslich zum Tod des Patienten. Dieser Fall macht deutlich, dass auch Mesalazin allein (ohne die Sulfonamid-Komponente von Sulfasalazin) zu aplastischer Anämie führen kann.
Abboudi ZH et al. Lancet 1994; 343: 542
Akute Alveolitis
Ein 66jähriger Mann musste wegen Colitis ulcerosa mit Steroiden und Mesalazin (3mal 1 g/Tag) behandelt werden. Dreieinhalb Monate nach Beginn dieser Behandlung entwickelte der Patient eine Anstrengungsdyspnoe und Husten. Weitere Untersuchungen zeigten u.a. eine reduzierte CODiffusionskapazität und eine teils retikulonoduläre, teils fleckige Verschattung der Lungen. Die Lungenbiopsie ergab eine herdförmige lymphozytäre Alveolitis. Nach Absetzen von Mesalazin und Behandlung mit Prednison bildete sich die respiratorische Symptomatik zurück. Der enge zeitliche Zusammenhang mit dem Auftreten und dem Verschwinden der Atemprobleme macht wahrscheinlich, dass Mesalazin für die Alveolitis verantwortlich war.
Lagler U et al. Schweiz Med Wochenschr 1992; 122: 1332
Ein 67jähriger Mann, der wegen einer Colitis ulcerosa seit 10 Wochen Sulfasalazin (3 g/Tag) erhielt, wurde zunehmend dyspnoisch, hustete und hatte erhöhte Temperaturen. Die weiteren Untersuchungen ergaben eine Einschränkung der Vitalkapazität und der CO-Diffusionskapazität, eine Hypoxämie sowie retikuläre und feinfleckige Verschattungen beider Lungen. Biopsien zeigten eine fibrosierende Alveolitis. Sulfasalazin wurde abgesetzt und der Patient erhielt für 6 Monate Prednisolon in allmählich abnehmender Dosis. Die Atemwegssymptome verschwanden. Nach Absetzen der Steroide trat aber ein Rezidiv der Colitis ulcerosa auf. Nun wurde Mesalazin rektal eingesetzt, worauf binnen 10 Tagen wiederum Atembeschwerden sowie neu ein Exanthem auftraten. Da die Colitis ulcerosa von Lungenmanifestationen begleitet sein kann, ist eine medikamentös bedingte Lungenerkrankung schwer zu identifizieren. Die Autoren dieses Berichtes schliessen, dass sowohl Sulfasalazin als auch Mesalazin allein zu Lungenläsionen führen kann.
Welte T et al. Lancet 1991; 338: 1273
Eosinophile Pneumonie
Eine 30jährige Frau, die wegen einer Colitis ulcerosa seit 8 Monaten mit Mesalazin behandelt wurde, erkrankte an beidseitigen Thoraxschmerzen mit Atemnot, Husten, intermittierendem Fieber und Gewichtsverlust. Das Thorax-Röntgenbild zeigte Lungeninfiltrate und kleine Pleuraergüsse, das Blutbild eine Leukozytose von 11’300/ml mit 16% Eosinophilen und die Urinuntersuchung eine mikroskopische Hämaturie. Es wurde eine Lungenbiopsie durchgeführt, die eine chronische eosinophile Pneumonie ergab. Nach Absetzen von Mesalazin besserte sich der Zustand der Patientin im Laufe von einigen Wochen.
Honeybourne D. Br Med J 1994; 308: 533-4
Allergische Reaktion mit Perikarditis
Ein 30jähriger Patient mit Colitis ulcerosa hatte unter Sulfasalazin ein Exanthem und ein schmerzhaftes Knöchelödem entwickelt. Anlässlich eines weiteren Kolitis-Schubes erhielt er deshalb statt Sulfasalazin Mesalazin (800 mg/Tag) und Steroide. Nach 3 Wochen waren zwar Durchfall und Darmblutung verschwunden, der Patient hatte aber jetzt erneut ein florides Exanthem der Unterschenkel und schmerzhaft geschwollene Knöchel. Zudem war er dyspnoisch, hochfebril und hatte ein lautes perikardiales Reiben. Röntgenbild, EKG und Echokardiographie bestätigten den Befund eines Perikardergusses. Mesalazin wurde abgesetzt. Unter Steroiden i.v. verschwanden die Symptome innerhalb von einer Woche fast vollständig.
Lim AG, Hine KR. Br Med J 1994; 308: 113
Mesalazin kann also auch ohne die Sulfonamid-Komponente (in Sulfasalazin) eventuell gefährliche Reaktionen auslösen. Insbesondere ist zu beachten, dass Individuen, die auf Sulfasalazin überempfindlich sind, auch auf Mesalazin eine ähnliche Reaktion zeigen können.
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