Mehr Tote unter Acetylsalicylsäure?

  • r -- McNeil JJ, Wolfe R, Woods RL et al. Effect of aspirin on all-cause mortality in the healthy elderly. N Engl J Med. 2018 Oct 18;379:1519-28 [Link]
  • Zusammenfassung: Markus Häusermann
  • infomed screen Jahrgang 23 (2019) , Nummer 1
    Publikationsdatum: 21. Februar 2019
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Warum diese Studie?

In der oben beschriebenen ASPREE-Studie ergaben sich überraschend mehr Todesfälle unter ASS als un­ter Pla­cebo. Die Studienverantwortlichen analysieren diesen Be­fund in ei­nem separaten Artikel. Jeder Todesfall wurde von zwei unab­hängigen Stellen veri­fi­ziert, die To­desursachen wurden an­hand von Autopsie-Be­rich­ten oder Spitalberichten erfasst oder, falls nicht vor­han­den, von An­ge­hörigen erfragt.

Was hat man gefunden?

Im Studienkollektiv ereigneten sich gesamthaft dreimal weni­ger Todesfälle als in einer vergleichbaren Gruppe der Ge­samtbevölkerung; die Krebsmortalität war in der Studie etwa halb so gross. Während der medianen Beobach­tungszeit von 4,7 Jahren starben unter ASS 559 (5,9%) und unter Placebo 494 (5,2%) der Teilnehmenden, ein statistisch knapp signifi­kanter Unterschied (HR 1,14, 95% CI 1,01-1,29). Die Diffe­renz betraf aus­schliess­lich Krebs­todes­fälle ab dem vier­ten Jahr der Studie: 227 Fälle unter Pla­cebo und 295 un­ter ASS (1,6 mehr je 1000 Personen: Ha­zard Ratio 1,31, 95% CI 1,10-1,56). Die Todesfälle unter ASS waren nur bei Stu­dien­teil­neh­menden in Aus­tra­lien sowie bei schwarzen und his­pa­nischen Menschen in den USA häufiger; sie lies­sen sich nicht mit spezifischen Krebs­arten, Risikofaktoren oder un­mittel­ba­ren Todes­ursachen (wie Blutungen oder Infek­tionen) in Zu­sam­men­hang brin­gen.

Wie wird es gedeutet?

Die beobachtete grösser Häufigkeit von Todes­fällen, ins­be­sondere an Krebs, steht im Widerspruch zu früheren Studien und Meta­ana­ly­sen. In Untergruppen­analy­sen fand man dafür keine Erklä­rung; der Befund könnte trotz statistischer Signifi­kanz auch zufällig entstanden sein und sollte daher mit Vor­sicht interpretiert wer­den.

Screen-Kommentar

Diese sehr überzeugend gemachte Studie bei einer Kohorte gesunder und gesundheitsbewusster älterer Leute mit ei­nem niedrigen Erkran­kungs- und Sterberisiko bringt zusätzliche Klar­heit über Acetylsalicyl­säure als Primärprophylaxe. Bemer­kenswert finde ich, dass trotz fehlender Evidenz in den USA 36,7%, in Australien aber nur 7,2% der Teilnehmenden schon vor der Studie ASS einge­nommen hatten. Die Ergebnisse frühe­rer Studien wurden hier speziell für ältere Menschen be­stä­tigt: ASS verhindert bei ge­sunden Personen weder Herz-Kreislauf-Krankheiten noch an­dere schwere chronische Krank­heiten oder Todesfälle. Einziger signifikanter Effekt von ASS, auch wieder in Übereinstimmung mit den frühe­ren Studien, war die grössere Gefahr schwerer Blutungen. Acetylsalicyl­säure taugt also nicht zur Primärpro­phylaxe von Herz-Kreis­lauf-Erkrankungen. Dafür stehen an­dere Mass­nahmen im Vor­dergrund: nicht rauchen, regelmäs­sige Be­wegung, Blutdruck­behandlung, je nach Gesamtrisiko Cho­lesterinsenkung mit einem Statin. Im Gegensatz dazu bleibt bei bestehender Herz-Kreislauf-Erkrankung, also in der Se­kundärprophylaxe, die In­dikation für ASS weiter bestehen.

Zusammengefasst und kommentiert von Markus Häusermann

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Mehr Tote unter Acetylsalicylsäure? ( 2019)