Wann sind Statine zur kardiovaskulären Prävention bei älteren Menschen sinnvoll?
- k -- Bezin J, Moore N, Mansiaux Y et al. Real-life benefits of statins for cardiovascular prevention in elderly subjects: A population-based cohort study. Am J Med. 2019 Jan 18. [Epub ahead of print] [Link]
- Zusammenfassung: Felix Schürch
- infomed screen Jahrgang 23 (2019)
, Nummer 3
Publikationsdatum: 31. Mai 2019 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Warum diese Studie?
Der Nutzen einer neu begonnenen Statin-Behandlung bei älteren Menschen wird kontrovers beurteilt. Für die vorliegende Kohortenstudie wurde eine repräsentative Stichprobe aus dem französischen Gesundheitssystem («Echantillon Généraliste de Bénéficiaires», EGB) untersucht. Personen im Alter von über 75 Jahren mit oder ohne Statin-Behandlung wurden verglichen und nach kardiovaskulärem Risiko in drei Gruppen unterteilt: Sekundärprävention, Primärprävention ohne Risikofaktoren (Diabetes, Einnahme von Blutdruckmitteln, Thrombozytenhemmern oder Antikoagulantien) und Primärprävention mit modifizierbaren Risikofaktoren. Als Endpunkt wurde eine akute koronare Herzkrankheit oder der Tod jeglicher Ursache definiert.
Was hat man gefunden?
3642 Personen mit einer zwischen 2009 und 2012 neu begonnenen Statin-Behandlung und gleich viele nicht behandelte Personen wurden in die Studie aufgenommen. Die mittlere Beobachtungszeit lag bei 4,7 Jahren. Bei der Sekundärprävention zeigte sich eine Risikoreduktion (Hazard Ratio [HR] pro Jahr Statin-Einnahme: 0,75, 95% CI 0,63-0,90). Weniger ausgeprägt war der Vorteil bei der Gruppe mit kardiovaskulären Risiken (HR 0,93; 95% CI 0,89-0,96). Keine Wirkung konnte bei der Primärprävention bei alten Menschen ohne bekannte Risiken nachgewiesen werden (HR 1,01, 95% CI 0,86-1,18).
Wie wird es gedeutet?
Die Studienverantwortlichen schliessen daraus, dass bei älteren Personen ohne Risikofaktoren eine Behandlung mit Statinen in der Primärprävention keinen Nutzen gezeigt habe. In dieser Stichprobe hatten 10% der Personen, die im Alter von über 75 Jahren neu Statine erhalten hatten, keine modifizierbaren Risikofaktoren. Dies würde in Frankreich etwa 13’000 Personen pro Jahr entsprechen, die eine primärpräventive Behandlung mit fragwürdigem Nutzen erhalten.
Zusammengefasst von Felix Schürch
Gast-Kommentar
Die Debatte darüber, ob und bei wem Statine zur kardiovaskulären Primärprävention eingesetzt werden sollen, ist weiterhin hochaktuell. Die Sichtweise hängt stark davon ab, wieviel Gewicht den zu verhindernden Ereignissen und den Nebenwirkungen beigemessen wird. Kardiologische Guidelines schlagen Schwellenwerte von 7,5-<10% 10-Jahres-Risiko vor, Guidelines von Hausärzten Schwellenwerte von 20%. Die Werte, über denen der Nutzen die Nebenwirkungen überwiegt, liegen wohl etwa dazwischen, hängen aber stark vom Alter und Geschlecht ab (siehe auch «Der Nettonutzen primärprophylaktisch verabreichter Statine wird überschätzt» in infomed-screen 2/2019). Die hier vorgestellten zwei Studien stärken die Evidenzbasis insbesondere für ältere Menschen. Die sorgfältig durchgeführte Untersuchung von Bezin et al. bestätigt die Resultate einer ähnlichen Studie aus England (BMJ 2018;362:1–4). Auch in der Meta-Analyse der Cholesterol Treatment Trialists' Collaboration wurde bei älteren Menschen ohne vorbestehende kardiovaskuläre Erkrankung nur ein kleiner Effekt gefunden. Die Effekte von Statinen nehmen bei zunehmendem Alter ab. Die Gründe dafür (biologisch, Interaktionen mit anderen Medikamenten oder schlechtere Compliance) sind noch nicht klar. Da jedoch das absolute Risiko für Nebenwirkungen mit dem Alter ansteigt, ist wohl Vorsicht im Einsatz von Statinen bei älteren Menschen in der Primärprävention geboten. Die auf dem 10-Jahres-Risiko basierenden Schwellenwerte für eine solche Behandlung liegen mit den nun vorliegenden Daten wohl noch einiges höher als kürzlich bestimmt.
Milo Puhan, Professor für Epidemiologie und Public Health, Universität Zürich / Präsident Swiss School of Public Health
Standpunkte und Meinungen
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