Behandlung von trockenen Augen

Mini-Übersicht

Das Syndrom der trockenen Augen, auch als Keratoconjunctivitis sicca bezeichnet, ist ein häufiges Problem. Dem Thema war kürzlich ein Übersichtsartikel im britischen «Drug and Therapeutics Bulletin» gewidmet (1), den wir hier zusammenfassen und mit ein paar Informationen ergänzen.

Der Tränenfilm, der Horn- und Bindehaut benetzt, setzt sich aus drei Schichten zusammen: einer mukösen Schicht direkt über dem Korneal- und Konjunktivalepithel, einer wässerigen Schicht in der Mitte und einer der Verdunstung entgegenwirkenden Lipidschicht an der Oberfläche. Trockene Augen sind als multifaktorielle Erkrankung des Tränenapparats und der Augenoberfläche aufzufassen. Pathophysiologisch können trockene Augen entweder durch eine verminderte Tränensekretion oder durch eine insuffiziente Lipidschicht entstehen, die von einer verstärkten Verdunstung begleitet ist. Eine Abnahme der Tränensekretion tritt zum Beispiel beim Sjögren-Syndrom auf (das oft eine schwergradige Augentrockenheit hervorruft) oder als Nebenwirkung von Medikamenten (Antihistaminika, Antidepressiva, Anticholinergika, Retinoide, Diuretika, Betablocker u.a.). Eine vermehrte Verdunstung lässt sich meistens auf eine Dysfunktion der Meibomdrüsen zurückführen, verursacht durch eine Allergie, durch lokal angewendete Medikamente (inkl. darin enthaltenen Konservierungsmitteln) oder durch Kontaktlinsen.

Verschiedene Faktoren bedeuten ein erhöhtes Risiko für trockene Augen; dazu zählen weibliches Geschlecht, Alter über 40 Jahre, Östrogensubstitution nach der Menopause, Computerarbeit (die mit einer Abnahme der Blinzelhäufigkeit einhergeht), refraktive Augenoperationen, Blutstammzell-Transplantation (Graft-versus-Host-Krankheit), Vitamin-A-Mangel und Hepatitis C.

Symptome, die bei trockenen Augen auftreten, sind verschiedenartige Missempfindungen in den Augen oder Lichtempfindlichkeit; als Reaktion auf solche Reize kann sich auch eine vermehrte Tränensekretion mit wässerigen Augen ausbilden. In schweren Fällen vermag die Augentrockenheit die Hornhautoberfläche irreparabel zu schädigen. Das Ausmass der Symptome braucht den objektiven Schwergrad der Erkrankung allerdings nicht widerzuspiegeln.

Abklärung

Mit der Anamnese sind Risikofaktoren und Begleiterkrankungen zu erfassen, die eine Augentrockenheit begünstigen. Insbesondere ist zu fragen, ob die betroffene Person lokale oder systemische Medikamente verwendet, viel am Bildschirm arbeitet, sich häufig in einer Umgebung mit niedriger Luftfeuchtigkeit aufhält und ob im Augen-/Gesichtsbereich Operationen oder Bestrahlungen stattgefunden haben. Auch soll man klären, ob bereits eine Behandlung durchgeführt worden ist und wie sie gewirkt hat. Eine fachärztliche Konsultation ist angeraten, wenn im Auge erhebliche Schmerzen angegeben werden, wenn eine Rötung, Lichtempfindlichkeit, beeinträchtigte Sehschärfe, ein Hornhautulkus oder eine Liddeformität besteht oder wenn sich die Beschwerden trotz adäquater Behandlung nach vier Wochen nicht gebessert haben.
Die einfachste Untersuchung, um eine Augentrockenheit abzuklären, ist der Schirmer-Test, bei dem ein Filterpapierstreifen ins äussere Drittel des Unterlid-Bindehautsacks gehängt und die Menge der Tränenflüssigkeit semiquantitativ erfasst wird. Für andere Untersuchungen braucht es in der Regel fachärztliche Mittel wie eine Spaltlampe (die auch eine genaue Inspektion der vorderen Augenabschnitte ermöglicht). Mit Farbstoffen wie Fluoreszin oder Lissamingrün können Epithelschäden auf der Horn- und Bindehaut identifiziert werden. Ebenfalls mit einer Fluoreszinfärbung wird die Tränenfilmaufriss-Zeit bestimmt; dabei wird gemessen, wie lange es nach einer vollständigen Blinzelbewegung dauert, bis der Tränenfilm aufbricht. Unter Umständen müssen auch die Meibomdrüsen in die Untersuchung miteinbezogen werden (z.B. mit einer Meibometrie, einer photometrischen Messung der Lipidmenge).

Ein validiertes, auch in klinischen Studien verwendetes Messinstrument, um den Schweregrad einer Augentrockenheit einzustufen, ist der «Ocular Surface Disease Index», bei dem 12 Fragen mit 0 bis 4 Punkten bewertet werden (siehe Tabelle 1).

Behandlung

Als Leitfaden zur Behandlung von trockenen Augen wird die Publikation des «National Institute for Health and Care Excellence» (NICE) erwähnt (die entsprechende Website http://cks.nice.org.uk/dry-eye-syndrome lässt sich ausserhalb Grossbritanniens jedoch nur mit «versteckter IP-Adresse» einsehen).

Behandlung mit Tränenersatzmitteln

Die Linderung der Symptome steht bei der Behandlung von trockenen Augen im Vordergrund. Wenn unspezifische Massnahmen – indem man auslösende Faktoren zu meiden oder eliminieren versucht – ungenügend nützen, sind Tränenersatzmittel eine probate Behandlung. Gemäss einer systematischen Übersicht kann mit einer regelmässigen Anwendung von Tränenersatzmitteln die durchschnittliche Tränenfilmaufriss-Zeit signifikant von 4,7 auf 6,1 Sekunden verlängert werden (2). Auch die via Bengalrosa-Färbung erfassten Läsionen der Hornhautoberfläche werden durch Tränenersatzmittel günstig beeinflusst (3). Zwei weitere systematische Übersichten zogen den Schluss, dass man unter den verschiedenen Tränenersatzmitteln keines als bestgeeignetes bezeichnen kann (4,5). So mangle es an aussagekräftigen Vergleichsstudien, was damit zusammenhängt, dass keine einheitlichen Definitionen zu Krankheits-Schweregrad und klinischen Endpunkten vorhanden sind.
Bei leichten bis mittelschweren Symptomen genügt es, ein Tränenersatzmittel in Form von Tropfen zu verwenden. In schweren Fällen kann für die Nacht eine zusätzliche befeuchtende Salbe dienlich sein; ausserdem sollten dann Mittel ohne Konservierungsstoffe gewählt werden (siehe unten). Bei starker Schleimbildung (sichtbare Schleimfäden) können Acetylcystein-Tropfen versucht werden (in der Schweiz kein Fertigpräparat erhältlich), deren Nutzen indessen wenig belegt ist.
Tränenersatzmittel unterscheiden sich in ihrer Viskosität. Dünnflüssigere Mittel werden, indem sie weniger zu Reizungen und verschwommenem Sehen führen, meistens besser vertragen als dickflüssigere. Der Vorteil der dickflüssigeren liegt dagegen darin, dass sie weniger oft eingetropft werden müssen. Meistens wird die Behandlung mit einem dünnflüssigeren Produkt begonnen, das man bei Bedarf mit einem dickflüssigeren ergänzt oder ersetzt. Als Tränenersatzmittel mit einer niedrigen bis mittleren Viskosität gelten Präparate mit Polyvinylalkohol, Povidon oder den Zelluloseäthern Carmellose (Carboxymethylcellulose) und Hypromellose (Hydroxypropylmethylcellulose). Eine höhere Viskosität weisen Tränenersatzmittel mit Carbomeren (Polymere der Acrylsäure) oder Hyaluronsäure auf (6). Auch Salben (z.B. mit Paraffin) werden manchmal verwendet; sie werden aber, trübes Sehen verursachend, oft als unangenehm empfunden und eignen sich nur für den nächtlichen Gebrauch.

Eine Liste der in der Schweiz als Tränenersatzmittel registrierten Präparate findet sich in Tabelle 2. Daneben gibt es zahlreiche Präparate, die lediglich als sogenannte Medizinprodukte klassifiziert, das heisst ohne eigentliche Zulassungsprüfung auf dem Markt sind (z.B. Pflegemittel für Kontaktlinsen).

Augentropfen, die in Fläschchen zur Mehrfachdosierung angeboten werden, enthalten in der Regel Konservierungsmittel wie zum Beispiel Benzalkoniumchlorid. Konservierungsmittel können Reizungen und Allergien hervorrufen. Es wird deshalb empfohlen, konservierungsmittelfreie Monodosen zu verwenden, wenn eine ausgeprägte Augentrockenheit vorliegt, wenn das Tränenersatzmittel mehr als 4-mal pro Tag oder über eine längere Zeit benötigt wird, wenn am Auge noch andere Medikamente eingesetzt werden oder wenn jemand weiche Kontaktlinsen trägt.

Immer sollte man sich vergewissern, dass Augentropfen korrekt angewendet werden können. Für Leute mit Gelenkbeschwerden eignen sich Fläschchen oft besser als Monodosen. Auch eine zusätzliche Eintropfhilfe (z.B. Opticare®) kann sich als nützlich erweisen.

Andere Behandlungen

Beim Syndrom der trockenen Augen scheint auch eine entzündliche Komponente eine Rolle zu spielen. Daraus leiten sich Behandlungen mit entzündungshemmenden und immunmodulierenden Substanzen ab, die versucht wurden, wenn Tränenersatzmittel nicht genügend gewirkt hatten. Ein Beispiel sind Kortikosteroid-Augentropfen, die wegen der potentiellen Nebenwirkungen jedoch als nicht geeignet bezeichnet werden. In einigen Ländern ist eine Ciclosporin-Emulsion zur Lokalbehandlung der Augentrockenheit mit schwerer Begleitkeratitis erhältlich. Wie die zwei massgebenden Studien zeigten, vermag Ciclosporin die Hornhautläsionen signifikant zu reduzieren; die angegebenen Beschwerden liessen sich im Vergleich zum Vehikel aber nicht besser lindern (7).

Da Blutserum eine ähnliche Zusammensetzung aufweist wie Tränenflüssigkeit, sind auch Augentropfen mit autologem Serum untersucht worden. Damit kann laut einer Cochrane-Übersicht eine vorübergehende Linderung der Symptome erreicht werden, ein längerfristiger Effekt ist aber nicht gesichert (8).

Winzige Stöpsel aus Silikon oder Kollagen können dazu dienen, die abführenden Tränenwege zu verschliessen. Von dieser Methode kann man bei schwerer Augentrockenheit eine gewisse Verringerung der subjektiven Beschwerden erwarten; allerdings sind nur wenige kontrollierte Studien durchgeführt worden (9).

Eventuell hilfreich ist die Einnahme mehrfach ungesättigter Fettsäuren (z.B. in Form von Fischöl-Präparaten), die entzündungshemmend wirken und günstige Effekte auf Tränen- und Meibomdrüsen haben sollen. Gemäss einer systematischen Übersicht konnten damit in den Studien gewisse Symptome wie Augenbrennen und -tränen verbessert werden, während sich beim Schirmer-Test und bei der Prüfung der Tränenfilmaufriss-Zeit keine Veränderung dokumentieren liess. So müsste ein möglicher Nutzen durch grössere Studien bestätigt werden (10).

Zu Retinol, das sich auch in zwei Schweizer Produkten findet (Oculotect®, Vitamin A «Blache»), lassen sich keine Studien finden, die einen Nutzen belegen.

Wenn eine Dysfunktion der Meibomdrüsen vermutet wird, bietet sich als einfache Massnahme die sogenannte Lidrandhygiene an (11): Dabei führt man den Lidern zuerst Wärme zu (Kompressen, Infrarotlampe), massiert sie danach und reinigt die Lidränder am Schluss eventuell noch mit einem feuchten Wattestäbchen.

Schlussfolgerungen

Trockene Augen sind ein häufiges, vor allem ältere Frauen betreffendes Problem und können die Hornhautoberfläche schädigen. Bei der Behandlung soll man versuchen, begünstigende Faktoren auszuschalten und mit Tränenersatzmitteln die Symptome zu mildern. Da gute Vergleichsstudien fehlen, lässt sich nicht festlegen, welches Präparat zu bevorzugen ist. Die Auswahl hängt deshalb in erster Linie von Preis, Alltagstauglichkeit und Vorhandensein von Konservierungsmitteln ab.

Zusammengefasst und ergänzt von Urspeter Masche

Standpunkte und Meinungen

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Behandlung von trockenen Augen (12. Oktober 2016)
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