Febuxostat

Febuxostat (Adenuric®) ist ein neuer Xanthinoxidasehemmer, der zur Behandlung einer Hyperurikämie, die zu Uratdepots geführt hat, verwendet werden kann. Das Medikament, eine japanische Entwicklung, ist in zahlreichen Ländern bereits seit rund 6 Jahren im Handel.

Chemie/Pharmakologie

Im Gegensatz zu Allopurinol (Zyloric® u.a.) ist Febuxostat chemisch kein Purin, sondern ein Thiazolderivat. Wie Allopurinol hemmt es die Xanthinoxidase, die die Umwandlung von Hypoxanthin in Xanthin und dann in Harnsäure katalysiert. Auf diese Weise führt es zu einer Senkung der Plasma-Harnsäurespiegel. Andere am Purinmetabolismus beteiligten Enzyme werden von Febuxostat nicht beeinflusst.

Pharmakokinetik

Nach oraler Aufnahme wird Febuxostat rasch resorbiert; nach 60 bis 90 Minuten sind maximale Plasmaspiegel erreicht. Die absolute Bioverfügbarkeit konnte bisher nicht bestimmt werden; sie wird auf etwa 85% geschätzt. Febuxostat wird üblicherweise einmal täglich verabreicht; dies führt nicht zu einer Kumulation. Febuxostat wird durch verschiedene Glukuronosyltransferasen (UGT) sowie durch mehrere Zytochrome (CYP) metabolisiert. Die oxidativen Metaboliten sind in vitro ähnlich aktiv wie Febuxostat, ihre praktische Bedeutung ist jedoch ungenügend gesichert. Nur ein geringer Teil von Febuxostat wird unverändert mit dem Stuhl ausgeschieden; die Ausscheidung der Metaboliten erfolgt teils mit dem Stuhl, teils mit dem Urin.(1) Die terminale Plasmahalbwertszeit beträgt etwas mehr als 9 Stunden. Die Auswirkungen einer reduzierten Nierenfunktion sind bisher nicht befriedigend geklärt; eine Leberinsuffizienz geringen bis mittelschweren Ausmasses soll sich nicht nennenswert auswirken.(1)

Klinische Studien

Febuxostat ist in mehreren Studien mit Placebo und mit Allopurinol verglichen worden. In einer vierwöchigen Doppelblindstudie bei insgesamt 153 Personen mit Gicht zeigten sich alle getesteten Febuxostat-Dosen (40, 80 oder 120 mg/Tag) signifikant wirksamer als Placebo: Gegenüber den Basiswerten nahmen die Harnsäure-Plasmaspiegel um 37 bis 59% ab (unter Placebo: 2%).(2) Von den Teilnehmenden dieser Studie wurden anschliessend 116 in eine offene Fünfjahres-Studie mit individueller Dosisanpassung (initial 80 mg/Tag) aufgenommen. Diese Studie wurde allerdings nur von etwa der Hälfte der Beteiligten zu Ende geführt; bei 93% dieser Patientinnen und Patienten fanden sich aber auch nach fünf Jahren gute Harnsäure-Werte (unter 360 mcmol/l).(3)

Drei doppelblinde Vergleichsstudien mit Allopurinol liegen vor, die alle bei Personen mit Gicht und erhöhten Harnsäurespiegeln (min. 480 mcmol/l) durchgeführt wurden. In der ersten Studie wurden 762 Personen auf drei Gruppen (Febuxostat 80 oder 120 mg/Tag bzw. Allopurinol 300 mg/Tag) randomisiert und während 52 Wochen behandelt. In den ersten acht Wochen erhielten alle Colchicin oder Naproxen (Proxen® u.a.) als Prophylaxe gegen Gichtschübe. Als primärer Endpunkt war ein Harnsäurespiegel von weniger als 360 mcmol/l bei den drei letzten Monatskontrollen definiert. Sekundäre Endpunkte waren die Zahl der Gichtschübe und die Ausdehnung von Gichttophi. Unter Allopurinol erreichten nur 21% den primären Endpunkt, unter Febuxostat dagegen 53 bzw. 62% der Behandelten. Gichtschübe waren in allen drei Gruppen ähnlich häufig und betrafen etwa zwei Drittel der Teilnehmenden.(4)

In der zweiten, 28 Wochen dauernden Vergleichsstudie erhielten 1072 Personen in fünf Gruppen randomisiert Febuxostat (80, 120 oder 240 mg/Tag), Allopurinol (300 mg/Tag; bei reduzierter Nierenfunktion 100 mg/Tag) oder Placebo. Als Gichtschub-Prophylaxe wurden die gleichen Mittel wie in der ersten Studie verabreicht. Auch in dieser Studie erreichten signifikant mehr Teilnehmende unter Febuxostat Harnsäure-Werte unter 360 mcmol/l bei den letzten drei Monatskontrollen (48 bis 69% der mit Febuxostat Behandelten gegenüber 22% unter Allopurinol und 0% unter Placebo). Gichtschübe waren jedoch unter allen Febuxostat-Dosen signifikant häufiger als in den Vergleichsgruppen (28 bis 46% gegenüber 23% unter Allopurinol und 20% unter Placebo).(5)

In einer offenen Studie konnten die Teilnehmenden der bisher beschriebenen beiden Allopurinol-Vergleichsstudien weiter mit einem der beiden Urikostatika behandelt werden, wobei die Febuxostat-Dosis angepasst werden konnte (80 oder 120 mg/Tag). 664 Personen, die während 31 bis 40 Monaten behandelt wurden, führten die Studie regulär zu Ende. Harnsäurespiegel unter 360 mcmol/l wurden unter Febuxostat rascher erreicht als unter Allopurinol; nach rund einem Jahr glich sich der Prozentsatz «gut» eingestellter Harnsäurewerte in allen Gruppen an. Die Zahl behandlungsbedürftiger Gichtschübe war allgemein in allen Gruppen ähnlich und tendierte nach zwei Jahren gegen null.(6)

Die dritte, grösste Doppelblindstudie dauerte 6 Monate; 2269 Personen, von denen 276 bereits an früheren Studien beteiligt gewesen waren, wurden auf drei etwa gleich grosse Gruppen randomisiert. Verabreicht wurde Febuxostat (40 oder 80 mg täglich) oder Allopurinol (300 mg/Tag bzw. 200 mg/Tag, wenn die Kreatininclearance zwischen 30 und 59 ml/min lag). Colchicin oder Naproxen wurde während der ganzen Studiendauer gegeben. Der primäre Endpunkt entsprach einem Harnsäurespiegel von weniger als 360 mcmol/l am Ende der Studie. Dieses Resultat wurde am häufigsten unter der 80-mg-Febuxostatdosis erreicht (bei 67%). Das mit der 40-mg-Febuxostatdosis erzielte Ergebnis (bei 45%) kann als demjenigen unter Allopurinol (bei 42%) als statistisch «nicht-unterlegen» charakterisiert werden. Gichtschübe waren unter Febuxostat häufiger als unter Allopurinol.(7)

Unerwünschte Wirkungen

Febuxostat verursacht ein ähnliches Spektrum von unerwünschten Wirkungen wie Allopurinol. Akute Gichtanfälle sind jedoch zu Beginn der Behandlung unter Febuxostat häufiger als unter Allopurinol; mit langfristiger Behandlung nimmt die Inzidenz der Gichtschübe ab. Zu den häufigen Nebenwirkungen von Febuxostat gehören folgende Symptome: Durchfall, Übelkeit, Bauchschmerzen, abnorme Lebertests, Anstieg von TSH, Hautreaktionen verschiedener Art, Ödeme. In mehreren Studien fand sich unter Febuxostat eine leichte Häufung kardiovaskulärer Ereignisse. Auch wurde über Somnolenz oder Schwindel berichtet; es wird geraten, auf das Lenken von Motorfahrzeugen zu verzichten, solange die Verträglichkeit nicht gesichert ist.

Selten, aber bedrohlich sind schwere Überempfindlichkeitsreaktionen wie Anaphylaxie, Stevens-Johnson-Syndrom, toxische epidermale Nekrolyse, DRESS-Syndrom, Blutbildungsstörungen, akutes Leberversagen. Ausserdem wurden einzelne Fälle von Herzrhythmusstörungen oder einer Beeinträchtigung der Nierenfunktion beobachtet.

Interaktionen

Da der Abbau von Azathioprin und Mercatopurin von der Xanthinoxidase abhängt, soll Febuxostat nicht mit diesen Mitteln zusammen angewendet werden. Gemäss Arzneimittelkompendium wurde eine Reihe von Interaktions-Studien durchgeführt, die jedoch grösstenteils zu keinen klinisch relevanten Konsequenzen geführt haben. Bei Personen, die mit Vitamin-K-Antagonisten antikoaguliert sind, soll zu Beginn der Therapie die INR genauer überwacht werden.

Dosierung, Verabreichung, Kosten

Febuxostat (Adenuric®) ist offiziell bei einer «Hyperurikämie mit Uratablagerungen» zugelassen und wird einmal täglich zu einem beliebigen Zeitpunkt verabreicht. Die Behandlung wird mit 40 mg/Tag begonnen; nach 2 bis 4 Wochen kann die Tagesdosis auf 80 mg gesteigert werden, wenn die Abnahme des Harnsäurespiegels als ungenügend angesehen wird. Bei Personen mit einer mittelschweren Niereninsuffizienz (GFR über 30 ml/min) und bei solchen mit einer reduzierten Leberfunktion soll keine Dosisreduktion notwendig sein.

Allgemein wird empfohlen, während den ersten sechs Behandlungsmonaten eine Gichtschub-Prophylaxe (Colchicin oder ein nicht-steroidaler Entzündungshemmer) zu verabreichen. Schwangere und stillende Frauen sowie Kinder und Jugendliche sollten kein Febuxostat erhalten, da das Medikament bei diesen Personengruppen ungenügend dokumentiert ist. Febuxostat gilt auch bei Personen mit koronarer Herzkrankheit und Herzinsuffizienz als kontraindiziert. In einem Jahr kostet die Behandlung mit Febuxostat (80 mg/Tag) 502 Franken; mit dem kostengünstigsten Allopurinol-Präparat (300 mg/Tag) entstehen Kosten von 76 Franken pro Jahr.

Kommentar

Grundsätzlich ist es zu begrüssen, dass mit Febuxostat eine wirksame Alternative zu Allopurinol zur Verfügung steht. Zwar kann bei einer Allopurinol-Unverträglichkeit auf das Urikosurikum Probenecid (Santuril®) gewechselt werden – dieses ist allerdings vergleichsweise weniger dokumentiert und mit zahlreichen Interaktionsrisiken belastet. Als möglicher Vorteil von Febuxostat kann auch gewertet werden, dass es offenbar auch bei leicht bis mässig reduzierter Nierenfunktion in unveränderter Dosis gegeben werden kann.

Nun ist aber der Harnsäurespiegel lediglich ein Surrogatendpunkt; praktisch interessieren uns eigentlich nur die von der Hyperurikämie verursachten Probleme. Ob Febuxostat in dieser Hinsicht besser oder auch nur gleichwertig wie Allopurinol ist, kann aufgrund der heute vorliegenden Daten nicht sicher gesagt werden. Die vorhandenen (offenen) Langzeitstudien haben sich ebenfalls auf den Surrogatendpunkt konzentriert und sind deshalb nicht sehr aussagekräftig.

Was unerwünschte Wirkungen anbelangt, scheint sich Febuxostat nicht überzeugend von Allopurinol abzugrenzen. Bedauerlich ist ferner, dass Gichtschübe zu Beginn der Therapie unter Febuxostat eher häufiger als unter Allopurinol auftreten. Die Perspektive, monatelang zusätzlich Colchicin (das in der Schweiz nicht als Fertigpräparat verfügbar ist) oder einen nicht-steroidalen Entzündungshemmer geben zu müssen, ist ja weder beim einen noch beim anderen Urikostatikum verlockend (wenn auch allenfalls unvermeidlich).

Daraus ergibt sich, dass sich das relativ teure Febuxostat praktisch nur für einzelne Spezialfälle und in der Regel erst als zweite Wahl eignet.

Standpunkte und Meinungen

  • Es gibt zu diesem Artikel keine Leserkommentare.
Febuxostat (5. Dezember 2016)
Copyright © 2024 Infomed-Verlags-AG
pharma-kritik, 38/No. 8
PK1002
Untertitel
Verwandte Artikel
Login

Gratisbuch bei einem Neuabo!

Abonnieren Sie jetzt die pharma-kritik und erhalten Sie das Buch «100 wichtige Medikamente» gratis. Im ersten Jahr kostet das Abo nur CHF 70.-.

pharma-kritik abonnieren
Aktueller pharma-kritik-Jahrgang

Kennen Sie "100 wichtige Medikamente" schon?

Schauen Sie ein Probekapitel unseres Medikamentenführers an. Die Medikamente in unserem Führer wurden sorgfältig ausgesucht und konzentrieren sich auf die geläufigsten Probleme in der Allgemeinmedizin. Die Beschränkung auf 100 Medikamente beruht auf der Überzeugung, dass sich rund 90% aller allgemeinmedizinischen Probleme mit 100 Medikamenten behandeln lassen.

Die Liste der 100 Medikamente sehen Sie auf der Startseite von 100 Medikamente.
Passwort beantragen infomed mailings

Febuxostat