Sarilumab

Sarilumab (Kevzara®) wird zur Basistherapie der rheumatoiden Arthritis empfohlen.

Chemie/Pharmakologie

Sarilumab gehört wie Tocilizumab (Actemra®) zur Gruppe der Interleukin-6-Hemmer. Beide sind humanisierte monoklonale Antikörper der IgG1-Klasse, die sich an Interleukin-6-Rezeptoren binden, und zwar sowohl an die lösliche Form (sIL-6R) als auch an die membrangebundene (mIL-6R). Damit wird der Signalweg unterbrochen, der durch Interleukin-6 eingeleitet wird. Dieses Zytokin wirkt entzündungsfördernd und scheint eine Schlüsselrolle bei der Pathogenese der rheumatoiden Arthritis zu spielen.(1)

Pharmakokinetik

Sarilumab wird subkutan verabreicht, was mit einer biologischen Verfügbarkeit von ungefähr 80% einhergeht. Die Plasmakonzentration steigt innerhalb von 2 bis 4 Tagen auf den Maximalwert. Analog zu körpereigenen Immunglobulinen wird Sarilumab durch proteolytische Enzyme zu Peptiden und Aminosäuren gespalten. Bei der Elimination sind schnelle und langsame Abbauwege wirksam, woraus eine initiale Halbwertszeit von 8 bis 10 Tagen und eine konzentrationsabhängige terminale Halbwertszeit von 2 bis 4 Tagen resultieren.(2)

Klinische Studien

Es liegen mehrere Doppelblindstudien vor, in denen subkutan verabreichtes Sarilumab bei erwachsenen Personen mit einer rheumatoiden Arthritis untersucht worden ist. Sofern nicht anders erwähnt, galt der ACR20-Wert als primärer Endpunkt, das heisst der Prozentsatz des Studienkollektivs, bei dem gemäss den Kriterien des «American College of Rheumatology» eine mindestens 20%ige Besserung der Symptomatik eintrat. Zum Teil wurden noch andere Messwerte als primäre Endpunkte berücksichtigt wie der «Health assessment questionnaire disability index» (HAQ-DI; Bestimmung der körperlichen Funktionsfähigkeit), der modifizierte «Sharp/van der Heijde score» (SHS; Bestimmung der radiologischen Veränderungen) oder der «Disease activity score» (DAS28; Bestimmung der Krankheitsaktivität).

Die MOBILITY-A-Studie war als Dosisfindungsstudie angelegt. 306 Personen, bei denen Methotrexat nicht genügend gewirkt hatte, erhielten zusätzlich Sarilumab oder Placebo; Sarilumab wurde in fünf verschiedenen Dosierungsstufen geprüft: 200 mg/Monat (100 mg jede 2. Woche), 300 mg/Monat (150 mg jede 2. Woche), 400 mg/Monat (100 mg jede Woche oder 200 mg jede 2. Woche) sowie 600 mg/Monat (150 mg jede Woche). Nach 12 Wochen lag der ACR20-Wert in den Sarilumab-Gruppen zwischen 49% und 72%, in der Placebo-Gruppe bei 46%; dies bedeutete – mit Ausnahme der niedrigsten Sarilumab-Dosis – eine signifikante Differenz gegenüber Placebo. Zwischen den vier als wirksam getesteten Sarilumab-Dosierungen war kein nennenswerter Unterschied erkennbar, so dass man sich für die weiteren Studien auf die Verabreichung von 150 oder 200 mg im 2-Wochen-Abstand festlegte.(3)

In der MOBILITY-B-Studie, die an die MOBILITY-A-Studie anknüpfte, verabreichte man 1197 Patientinnen und Patienten – als Zweitlinientherapie in Kombination mit Methotrexat – Sarilumab (150 oder 200 mg jede 2. Woche) oder Placebo. Nach 24 Wochen betrug der ACR20-Wert mit der niedrigeren Sarilumab-Dosis 58%, mit der höheren 66% und mit Placebo 33%. Auch beim HAQ-DI (nach 16 Wochen erfasst) und bei den röntgenologischen Veränderungen (nach 52 Wochen erfasst) ergab sich ein signifikantes Ergebnis zugunsten von Sarilumab.(4) Ein ähnliches Bild lieferte die KAKEHASI-Studie (n=243; Dauer 52 Wochen), in der man ebenfalls die Methotrexat-Behandlung mit Sarilumab (150 oder 200 mg jede 2. Woche) oder Placebo ergänzt und als primären Endpunkt nach 24 Wochen den ACR20-Wert bestimmt hatte.(5)

Die TARGET-Studie befasste sich mit 546 Personen, bei denen auch TNF-alpha-Hemmer nicht zu einer Krankheitsremission geführt hatten. Neben Methrotrexat oder einem anderen konventionellen Basismedikament verabreichte man Sarilumab (150 oder 200 mg jede 2. Woche) oder Placebo. Bei den primären Endpunkten wurden mit Sarilumab signifikant bessere Ergebnisse erzielt als mit Placebo: Nach 12 Wochen beim HAQ-DI-Wert und nach 24 Wochen beim ACR20-Wert, der bei Sarilumab 56% (150 mg) bzw. 61% (200 mg) erreichte, bei Placebo lediglich 34%.(6)

In der MONARCH-Studie wurden Sarilumab (200 mg jede 2. Woche) und der TNF-alpha-Hemmer Adalimumab (Humira®, 40 mg jede 2. Woche), beide als Monotherapie, miteinander verglichen. Das Kollektiv bestand aus 369 Patientinnen und Patienten, die mit Methotrexat ungenügend und noch nicht mit einer biologischen Substanz behandelt waren. Den primären Endpunkt bildete die Veränderung beim DAS28-Wert nach 24 Wochen, der in beiden Gruppen zu Beginn der Studie bei 6,8 lag. In der Sarilumab-Gruppe sank er signifikant stärker als in der Adalimumab-Gruppe (−3,28 gegenüber −2,20). Auch der Anteil der Personen, bei denen eine Remission erzielt wurde (DAS28 unter 2,6), war in der Sarilumab-Gruppe höher als in der Adalimumab-Gruppe (27% gegenüber 7%).(7)

In der ASCERTAIN-Studie (n=202; Dauer 24 Wochen) wurden Sarilumab oder Tocilizumab eingesetzt. Die Untersuchung diente primär dazu, die beiden Interleukin-6-Hemmer in ihrer Verträglichkeit nebeneinanderzustellen (siehe unten). Es sind aber auch die Daten zu der erzielten Remissionsrate publiziert, und zwar betrug sie für Sarilumab 31% und für Tocilizumab 29%.(8)

Die EXTEND-Studie war eine offen geführte Langzeitstudie, für die sich ein Grossteil der Patientinnen und Patienten der MOBILITY-B-Studie zur Verfügung gestellt hatte. Es zeigte sich, dass die mit Sarilumab erzielte Remissionsrate und Verlangsamung der Gelenkdestruktionen auch im 3-Jahresverlauf ziemlich stabil blieb.(9)

Unerwünschte Wirkungen

Zu den häufigen Sarilumab-Nebenwirkungen gehören Neutropenie, Thrombopenie, Transaminasenanstieg, Hyperlipidämie, Rötung an der Injektionsstelle sowie Infektionen der oberen Atemwege und der Harnwege. Auch Pneumonien, opportunistische Infekte wie Tuberkulose, Kandidose und Pneumozystose sowie Fälle von Zellulitis und Herpes zoster kommen vor. Antikörper gegen Sarilumab entwickeln sich bei einem kleinen Prozentsatz der Behandelten. Selten kommen auch Überempfindlichkeitsreaktionen vor.(2)

In der erwähnten ASCERTAIN-Studie war die Inzidenz von relevanten Nebenwirkungen unter Sarilumab und unter Tocilizumab ungefähr gleich. Im Einzelnen zählte man bei Sarilumab mehr Neutropenien, bei Tocilizumab mehr Fälle von Hypercholesterinämie und Übelkeit.(8)

Ob Sarilumab das Risiko von gastrointestinalen Perforationen erhöht, wie man es bei Tocilizumab beobachtet hat, ist noch nicht geklärt.(10)

Interaktionen

Eine erhöhte Interleukin-6-Aktivität ist mit einer verminderten CYP3A4-Wirkung verbunden («Downregulation»). Wird Interleukin-6 gehemmt, steigt die CYP3A4-Aktivität an. Deshalb kann Sarilumab die Clearance von CYP3A4-Substraten beschleunigen, wie es am Beispiel von Simvastatin (Zocor® u.a.) nachgewiesen wurde.(11)

Dosierung, Verabreichung, Kosten

Sarilumab (Kevzara®) ist zugelassen zur Mono- oder Kombinationstherapie der rheumatoiden Arthritis, wenn Methotrexat oder andere Basismedikamente nicht genügend wirken oder nicht vertragen werden. Es wird als Fertigspritze zu 150 und 200 mg zur subkutanen Injektion angeboten. Sarilumab wird alle 2 Wochen verabreicht, wobei die übliche Dosis 200 mg beträgt. Blutbild, Leberwerte und Lipidspiegel sollten regelmässig kontrolliert werden. Wenn eine Neutropenie, Thrombopenie oder ein Transaminasenanstieg auftritt, ist die Dosis auf 150 mg zu reduzieren.

Bei Personen mit bedeutsamen Infekten ist Sarilumab kontraindiziert. Vor Behandlungsbeginn ist ein Screening auf Tuberkulose, Hepatitis B und C sowie HIV angeraten. Leuten, die Sarilumab erhalten, sollte man keine Lebendimpfstoffe verabreichen.

Zur Anwendung bei schwangeren Frauen, Kindern und Jugendlichen existieren keine Daten. Sarilumab scheint wegen der Molekülgrösse nicht in nennenswerter Menge in die Muttermilch sezerniert und ausserdem im kindlichen Gastrointestinaltrakt grossenteils zerstört und nicht resorbiert zu werden; der Einsatz in der Stillzeit ist deshalb bei dringender Indikation vertretbar.(12)

Sarilumab ist limitiert kassenzulässig. Für beide Dosen errechnet sich ein Monatspreis von CHF 1443.25. Tocilizumab (Actemra®, 1-mal 162 mg/Woche subkutan) kostet 1547.70 pro Monat.

Kommentar

Bei den Interleukin-6-Hemmern handelt es sich um potente Basismedikamente zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis, die – jeweils in Form einer Monotherapie verglichen – etwas wirksamer scheinen als zum Beispiel der TNF-alpha-Hemmer Adalimumab. Insbesondere auch, was mögliche Langzeitprobleme betrifft, sind die klinischen Erfahrungen mit Interleukin-6-Hemmern aber wesentlich geringer als mit TNF-alpha-Hemmern. Deshalb sind Interleukin-6-Hemmer in der Regel erst dann in Erwägung zu ziehen, wenn sich weder mit konventionellen Basismedikamenten (Methotrexat u.a.) noch mit TNF-alpha-Hemmern eine Krankheitsremission erzielen lässt.

Standpunkte und Meinungen

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Sarilumab (28. Juni 2019)
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pharma-kritik, 41/No. 2
PK1070
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