Zwei neue Antiasthmatika: Benralizumab & Reslizumab

Benralizumab (Fasenra®) und Reslizumab (Cinqaero®) sind zwei neue Interleukin-Antagonisten, die bei einem «schweren eosinophilen» Asthma verwendet werden können.

Chemie/Pharmakologie

Benralizumab und Reslizumab sind, wie Mepolizumab (Nucala®),(1) «humanisierte» monoklonale Antikörper, die sich gegen Interleukin-5 bzw. seinen Rezeptor richten. Interleukin-5 (IL-5) ist an der Regulation von Eosinophilen in Blut und Geweben beteiligt. Benralizumab bindet sich an die Alpha-Untereinheit des IL-5-Rezeptors. Ausserdem hat es eine hohe Affinität zu Rezeptoren an zytotoxischen Lymphozyten (natürlichen Killerzellen) und führt so zur Apoptose von Eosinophilen und Basophilen. Reslizumab bindet sich spezifisch an IL-5, beeinträchtigt dessen Bindung an den Zelloberflächenrezeptor und reduziert die Produktion und die Überlebensrate der Eosinophilen.

Pharmakokinetik

Benralizumab wird subkutan verabreicht; maximale Plasmaspiegel werden 4 bis 7 Tage nach der Injektion erreicht. Die biologische Verfügbarkeit liegt durchschnittlich bei 58%.(2)

Reslizumab wird intravenös infundiert; dabei sind maximale Plasmaspiegel üblicherweise zum Infusionsende hin zu beobachten. Nach Mehrfachgabe steigen die Spiegel auf das etwa 1,5- bis 1,9-Fache an. Die interindividuelle Variabilität liegt nach Mehrfachgabe bei 20-30%.(3)

Wie andere monoklonale Antikörper werden Benralizumab und Reslizumab durch proteolytische Enzyme abgebaut, die im ganzen Körper vorhanden sind. Die Halbwertzeit von Benralizumab beträgt etwa 15-18 Tage und diejenige von Reslizumab etwa 24 Tage.

Klinische Studien

Die klinischen Studien wurden bei Personen mit einem «schweren» Asthma durchgeführt. Letzteres ist als ein Asthma definiert, das eine Behandlung mit hochdosierten inhalativen Kortikosteroiden und einem langwirkenden Betamimetikum (oder mit einem anderen zusätzlichen Antiasthmatikum) und allenfalls systemischen Kortikosteroiden erfordert, um Exazerbationen zu verhindern, oder bei dem trotz dieser Behandlung keine ausreichende Asthmakontrolle erreicht wird.(4) Die geschätzte Prävalenz liegt für schweres Asthma bei 5% aller Asthmakranken und für die eosinophile Form bei 3% oder weniger.(5) Es gibt allerdings keine spezifischen Richtlinien für die Erkennung eines schweren Asthmas mit einem eosinophilen Phänotyp. Die Interleukin-Antagonisten werden generell als Zusatztherapie eingesetzt; in den Studien wurden die vorher verabreichten Medikamente unverändert weiter gegeben.

Benralizumab

Zwei Doppelblindstudien wurden bei Jugendlichen und Erwachsenen mit einem schweren Asthma durchgeführt, die in den 12 Monaten vor der Studie trotz der Behandlung gemäss der oben genannten Definition mindestens zwei behandlungsbedürftige Asthma-Exazerbationen gehabt hatten. Drei Gruppen wurden verglichen: eine erhielt nur Placebo, eine («Q4W») erhielt alle vier Wochen 30 mg Benralizumab und eine weitere («Q8W») zunächst auch alle vier Wochen, nach drei Injektionen aber nur noch alle acht Wochen dieselbe Benralizumab-Dosis. Die primäre Analyse berücksichtigte nur Personen, die eine Eosinophilie von mindestens 300 Zellen/µl hatten und untersuchte die jährliche Exazerbationsrate. In der 48 Wochen dauernden SIROCCO-Studie fand sich in der Q8W-Gruppe (n=267) ein gegenüber der Placebogruppe signifikant um 51% reduziertes Risiko,(6) in der 56 Wochen dauernden CALIMA-Studie betrug die entsprechende Reduktion 28% (ebenfalls für die Q8W-Gruppe, n=239).(7) In beiden Studien wurde auch das Erstsekundenvolumen (FEV1) günstig beeinflusst. In einer gepoolten Analyse der beiden Studien stellte man fest, dass bei höheren Ausgangswerten der Eosinophilen und bei einer grösseren Häufigkeit von früheren Exazerbationen eine stärkere Verbesserung der Exazerbationsrate erzielt wird.(8)

An einer anderen Doppelblindstudie (ZONDA) nahmen 220 Erwachsene mit einem schweren Asthma und einer Eosinophilie von mindestens 150 Zellen/µl teil, die in den 6 Monaten vor Studienbeginn hochdosierte inhalative Kortikosteroide, langwirkende Betamimetika und zudem orale Steroide benötigt hatten. Die drei Behandlungsgruppen waren gleich wie in den Studien SIROCCO und CALIMA. Nach 28 Wochen konnte in beiden Benralizumab-Gruppen die orale Steroiddosis median um 75% gesenkt werden, mit Placebo dagegen nur um 25%.(9)

In zwei Benralizumab-Studien, die bei chronisch-obstruktiver Lungenkrankheit (COPD) durchgeführt wurden, konnte keine signifikante Reduktion der Exazerbations-Häufigkeit nachgewiesen werden.(10)

Reslizumab

In einer Doppelblindstudie wurde verglichen, wie sich bei Personen mit einem schweren eosinophilen Asthma zwei verschiedene Reslizumab-Dosen (0,3 mg/kg oder 3 mg/kg intravenös) bzw. Placebo auf die Lungenfunktion auswirken. Drei je rund 90 Personen umfassende Gruppen wurden viermal im Abstand von vier Wochen behandelt. Die höhere Reslizumab-Dosis ergab das bessere Resultat, indem nicht nur das FEV1, sondern auch die forcierte Vitalkapazität (FVC) und die Lebensqualität relevant verbessert wurden.(11)

Der Einfluss von Reslizumab auf die Häufigkeit von Asthma-Exazerbationen wurde in zwei parallel geführten Doppelblindstudien untersucht. Hier wurden Personen im Alter von 12 bis 75 Jahren mit einer Eosinophilenzahl von 400 Zellen/µl eingeschlossen, deren Asthmaerkrankung unter einem inhalativen Kortikosteroid (in den meisten Fällen in Kombination mit einem langwirkenden Betamimetikum) ungenügend behandelt war und im Vorjahr zu mindestens einer Exazerbation geführt hatte. Insgesamt erhielten 953 Personen ein Jahr lang als Zusatz zur bisherigen Therapie alle 4 Wochen eine intravenöse Infusion mit Reslizumab (3 mg/kg) oder mit Placebo. Reslizumab senkte die Häufigkeit von Asthma-Exazerbationen verglichen mit Placebo signifikant (median um 50 bzw. um 59%); auch der FEV1-Wert besserte sich signifikant.(12)

In einer weiteren Doppelblindstudie wurden Erwachsene mit einem Asthma behandelt, das ungenügend auf inhalative Kortikosteroide angesprochen hatte. Bei 398 Teilnehmenden wurde viermal im Abstand von vier Wochen Reslizumab (3 mg/kg) und bei 82 Personen Placebo infundiert. In der Subgruppe mit Eosinophilenwerten über 400 Zellen/µl (n=77) fand sich wiederum eine signifikante Verbesserung der Lungenfunktion. In der grösseren Subgruppe mit niedrigeren Eosinophilenzahlen (n=316) ergab sich dagegen keine signifikante Wirkung.(13)

Cochrane-Review

In einer Cochrane-Review wurde die Rolle von Benralizumab, Mepolizumab und Reslizumab in der Behandlung von Asthma untersucht.(14) Insgesamt 13 Studien mit 6000 Asthmakranken wurden berücksichtigt. Das Fazit lautet, dass Personen mit schwerem Asthma und hohen Eosinophilenwerten von einem dieser Interleukin-Antagonisten profitieren können, indem schwere Asthma-Exazerbationen weniger häufig auftreten. Die beobachteten Verbesserungen der Lungenfunktion und der Lebensqualität seien aber möglicherweise zu klein, um den Betroffenen spürbar zu helfen.

Unerwünschte Wirkungen

Gemäss einer Metaanalyse fand sich in den berücksichtigten acht Studien unter Benralizumab ein erhöhtes Risiko für Kopfschmerzen und Fieber; andere Nebenwirkungen (z.B. Pharyngitis) seien ähnlich häufig wie unter Placebo.(15) Reaktionen an der Injektionsstelle kamen in den Studien bei 2,2% der Behandelten vor (mit Placebo: 1,9%). Überempfindlichkeitsreaktionen (z.B. Urtikaria, Exantheme) sind häufig; auch Einzelfälle von schweren Reaktionen (Anaphylaxie, Angioödem) sind schon beobachtet worden. Diese Reaktionen traten in der Regel innert weniger Stunden auf, manchmal auch noch später. 13% der Behandelten entwickelten Antikörper gegen Benralizumab; auch hohe Antikörpertiter schienen aber die Wirksamkeit nicht zu beeinträchtigen. Für eine Therapiedauer von mehr als 56 Wochen liegen bisher nur sehr beschränkte Daten vor.

Die häufigsten Nebenwirkungen unter Reslizumab sind muskuläre Schmerzen und ein Anstieg der Kreatinkinase. In den klinischen Studien kam es bei 0,3% der Behandelten während oder kurz nach der Reslizumab-Infusion zu einer anaphylaktischen Reaktion. Entsprechend soll die Verabreichung nur unter Aufsicht und in Notfall-Behandlungsbereitschaft erfolgen. Gemäss der «Medical Review» der amerikanischen Behörde (FDA) sind verschiedene Sicherheitsaspekte bisher mangelhaft geklärt. Bei 0,6% der Personen, die mit Reslizumab behandelt wurden, traten maligne Tumoren auf (unter Placebo: 0,3%). Etwa 5% der Behandelten entwickeln Antikörper gegen Reslizumab; die Wirksamkeit scheint jedoch dadurch nicht beeinträchtigt zu werden. Langzeitdaten zur Verträglichkeit sind bisher nur sehr spärlich vorhanden.

Weder für Benralizumab noch für Reslizumab ist bisher ausreichend geklärt, ob diese Wirkstoffe die Entstehung maligner Tumoren begünstigen könnten.

Interaktionen

Es sind keine Interaktionen mit anderen Medikamenten bekannt.

Dosierung, Verabreichung, Kosten

Benralizumab und Reslizumab können als Zusatztherapie bei Erwachsenen mit einem schweren eosinophilen Asthma verschrieben werden, das innerhalb von 12 Monaten trotz Behandlung mit inhalativen Kortikosteroiden und einer weiteren Asthmabasistherapie (sowie allenfalls mit systemischen Steroiden) mindestens eine oder zwei Exazerbationen verursacht hat. Bei Benralizumab soll die Eosinophilenzahl im Blut mindestens 300 Zellen/µl betragen, bei Reslizumab 400 Zellen/µl. Die Medikamente können nur auf fachärztliche Verordnung eingesetzt werden.

Benralizumab (Fasenra®) ist als Fertigspritze mit 30 mg erhältlich. Die empfohlene Dosierung beträgt 30 mg. Die ersten drei Dosen werden im Abstand von 4 Wochen, die weiteren alle 8 Wochen subkutan verabreicht. Nach spätestens 5 Gaben sollte der Therapieerfolg beurteilt und über die Fortführung der Behandlung entschieden werden. Das Präparat ist limitiert kassenzulässig. Im ersten Behandlungsjahr verursacht das Präparat Kosten von ungefähr 20‘000 Franken.

Reslizumab (Cinqaero®) ist als Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung in Durchstechflaschen zu 25 und 100 mg im Handel. Reslizumab wird als intravenöse Infusion alle vier Wochen verabreicht. Die empfohlene Dosierung richtet sich nach dem Körpergewicht und beruht auf einer maximalen Dosis von 3 mg/kg (z.B. für eine 70 kg schwere Person: 200 mg). Während und rund 20 Minuten nach der Infusion ist die Patientin oder der Patient zu überwachen (siehe oben). Nach spätestens 8 Gaben sollte der Therapieerfolg beurteilt und über die Fortführung der Behandlung entschieden werden. Das Präparat ist limitiert kassenzulässig. Die Kosten einer Behandlung mit 200 mg/Infusion betragen mindestens 16‘650 Franken jährlich.

Schwangere und stillende Frauen sowie Personen unter 18 Jahren sollen nicht mit Benralizumab oder Reslizumab behandelt werden. Eine Dosisanpassung bei Leber- oder Niereninsuffizienz ist bei beiden Wirkstoffen nicht notwendig.

Da Eosinophile eine Rolle bei der Bekämpfung von Helminthen haben können, sollen Wurmerkrankungen vor der Verabreichung von Benralizumab oder Reslizumab behandelt werden. Falls es während der Therapie mit einem der beiden Wirkstoffe zu einer Wurminfektion kommt, die nicht auf eine entsprechende Behandlung anspricht, muss ein vorübergehendes Absetzen der Therapie erwogen werden.

Kommentar

Benralizumab und Reslizumab vermindern bei Personen mit einem ungenügend behandelbaren eosinophilen Asthma die Häufigkeit von Exazerbationen. Ob allerdings die aktuell verfügbaren Interleukin-Antagonisten – Benralizumab, Mepolizumab und Reslizumab – die Lungenfunktion und die Lebensqualität der Betroffenen wirklich nennenswert verbessern, ist noch zu wenig dokumentiert. Die beiden neuen Wirkstoffe wurden bisher nur mit Placebo verglichen. Zudem sind bisher die Auswirkungen einer Langzeitbehandlung noch kaum bekannt. Insbesondere ist der Verdacht, diese Medikamente könnten ein erhöhtes Risiko für maligne Erkrankungen darstellen, nicht ausgeräumt. Interessant wäre zu wissen, ob relevante Unterschiede zwischen den verschiedenen Interleukin-Antagonisten bestehen. Aktuell spricht das ungenügend geklärte Risikoprofil eher gegen Reslizumab.

Standpunkte und Meinungen

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Zwei neue Antiasthmatika: Benralizumab & Reslizumab (2. August 2019)
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pharma-kritik, 41/No. 3
PK1071
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