Dupilumab

Dupilumab (Dupixent®), ein Interleukin-Antagonist, ist zur Behandlung einer atopischen Dermatitis (Neurodermitis) zugelassen, wenn diese mit lokalen Therapien nicht adäquat behandelt werden kann.

Chemie/Pharmakologie

Interleukin-13 (IL-13) ist ein wichtiger Mediator in der Pathogenese von allergischen Entzündungen. Dupilumab ist ein humanisierter monoklonaler IgG4-Antikörper, der sich an die Untereinheit α von IL-4 bindet. Da IL-4 und IL-13 diese Untereinheit gemeinsam haben, können so IL-13-abhängige allergische Reaktionen gehemmt und deshalb auch die atopische Dermatitis beeinflusst werden.(1)

 

Pharmakokinetik

Das Medikament wird subkutan verabreicht. Nach der Injektion der Anfangsdosis von 600 mg werden maximale Plasmaspiegel nach etwa einer Woche erreicht. Die biologische Verfügbarkeit wird auf 64% geschätzt. Bei regelmässiger Verabreichung alle zwei Wochen wird nach 16 Wochen ein Fliessgleichgewicht erreicht.(2) Wie andere Proteine wird Dupilumab zu kleineren Peptiden und Aminosäuren abgebaut. Seine Halbwertszeit ist offenbar dosisabhängig; nach der letzten Injektion einer regelmässig alle zwei Wochen verabreichten 300-mg-Dosis dauert es durchschnittlich 10 Wochen, bis Dupilumab nicht mehr nachgewiesen werden kann.

Klinische Studien

Die wichtigsten bisher vorliegenden Studien wurden bei Erwachsenen mit einer mittelschweren bis schweren atopischen Dermatitis durchgeführt, bei denen die lokale Behandlung keinen ausreichenden Erfolg gebracht hatte.

Zwei Doppelblindstudien (SOLO 1 und SOLO 2), die dem Vergleich von Dupilumab mit Placebo dienten, wurden nach einem identischen Protokoll durchgeführt: Für 16 Wochen wurden jede Woche oder jede zweite Woche 300 mg Dupilumab oder Placebo verabreicht. In den Dupilumab-Gruppen wurde die Behandlung mit einer 600-mg-Dosis gestartet. Lokale Therapien waren nur erlaubt, wenn die Hautsymptome zu stark störend wurden. Der primäre Endpunkt dieser Studien entsprach dem Anteil der Behandelten, die nach 16 Wochen ganz oder fast symptomfrei waren  (Wert von 0 oder 1 auf der «Investigator's Global Assessment»-Skala IGA) und bei denen der IGA-Wert um mindestens 2 Punkte abgenommen hatte. Von insgesamt 919 mit Dupilumab behandelten Personen erreichten 339 den primären Endpunkt (unter Placebo nur 43 von 460 Personen). Das Resultat war in den beiden Studien praktisch identisch. Sowohl mit der wöchentlichen wie auch mit der zweiwöchentlichen Verabreichung wurde der primäre Endpunkt von rund 37% der aktiv Behandelten erreicht, signifikant mehr als unter Placebo (9%). Als wichtigster sekundärer Endpunkt war der Anteil der Teilnehmenden definiert, die eine Verbesserung von mindestens 75% im «Eczema Area and Severity Index» (EASI-75) erreichten. Auch dieser Endpunkt wurde signifikant besser von Dupilumab beeinflusst.(3)  

Eine weitere Doppelblindstudie (CHRONOS) mit 740 Teilnehmenden dauerte 52 Wochen. Auch in dieser Studie wurden 300-mg-Dosen von Dupilumab (jede Woche oder jede zweite Woche) mit Placebo verglichen. Gleichzeitig wurden aber alle Teilnehmenden mit lokal applizierten Kortikosteroiden (bzw. ausnahmsweise mit Kalzineurinhemmern wie Tacrolimus [Protopic®]) behandelt. Die Dosierung der Lokaltherapie konnte individuell angepasst werden. Der primäre Endpunkt der Studie entsprach einer Kombination der in den SOLO-Studien verwendeten Kriterien (IGA 0/1- und EASI-75 nach 16 Wochen). Sekundär wurden die Resultate nach vielen weiteren Skalen analysiert und auch bei den meisten Teilnehmenden die Wirksamkeit nach 52 Wochen erfasst. Auch in dieser Studie ergab sich in den Dupilumab-Gruppen eine signifikante Überlegenheit von Dupilumab: Nach 16 Wochen fand sich ein IGA-0/1-Resultat bei 39%, in der Placebo-Gruppe nur bei 12%. Auch EASI-75 wurde unter Dupilumab rund dreimal häufiger (bei etwa 66%) als unter Placebo (bei 23%) erreicht.4 Die Resultate nach 52 Wochen waren ähnlich.(4)

Ähnliche Ergebnisse zeigten sich in der doppelblinden SOLO-CONTINUE-Studie: Personen, die in den Studien SOLO 1 und SOLO 2 nach den IGA-0/1- und EASI-75-Kriterien gut angesprochen hatten, erhielten für weitere 36 Wochen Dupilumab (in verschiedenen Dosierungsintervallen) oder Placebo. Eine individuell angepasste Lokaltherapie mit Kortikosteroiden war erlaubt. Ein optimaler Erhaltungseffekt des klinischen Ansprechens konnte bei einer Fortführung der wöchentlichen oder zweiwöchigen Verabreichung nachgewiesen werden. Bei längeren Dosierungsintervallen (alle 4 oder 8 Wochen) verminderte sich die Wirksamkeit.(5)

In einer weiteren Doppelblindstudie (CAFÉ) wurde Dupilumab bei Erwachsenen, bei denen eine Behandlung mit Ciclosporin nicht wirksam, unverträglich oder aus anderen Gründen ungeeignet erschien, gegen Placebo geprüft. 325 Personen wurden nach dem Zufall auf drei Gruppen wie in den SOLO-Studien verteilt. Alle erhielten eine individuell angepasste Lokaltherapie mit Kortikosteroiden.  Der für diese Studie festgelegte primäre Endpunkt (EASI-75) wurde nach 16 Wochen in beiden Dupilumab-Gruppen signifikant häufiger erreicht (bei rund 60%) als unter Placebo (30%).(6)

In einer Studie erhielten 251 Jugendliche (im Alter zwischen 12 und 18 Jahren) mit einer atopischen Dermatitis Dupilumab oder Placebo.  Auch in dieser Studie ergab sich nach 16 Wochen ein signifikanter Vorteil von Dupilumab (nach den üblichen IGA-0/1 und EASI-75-Kriterien).(7)

Ausserdem wurden mit Dupilumab mehrere Studien bei entzündlichem Asthma und bei chronischer Rhinosinusitis durchgeführt; in der EU ist das Medikament auch für diese Indikationen zugelassen.

Unerwünschte Wirkungen

Entzündliche Augenveränderungen sind die weitaus häufigsten unerwünschten Wirkungen von Dupilumab bei atopischer Dermatitis. Während diese Probleme in den klinischen Studien nur bei rund 10% der Behandelten (oder noch seltener) beobachtet wurden, wird in Publikationen zur (oft längerfristigen) Anwendung in der Praxis berichtet, dass bei 30 bis 60% der Behandelten Augensymptome auftreten. Dabei wird über trockene Augen, Konjunktivitis, Keratitis, Blepharitis und Beeinträchtigung der Sehkraft geklagt.(8,9) Personen mit ausgeprägten Hautveränderungen sind offenbar hinsichtlich Augenkomplikationen vermehrt gefährdet.(10) Die Augenveränderungen dauern nach dem Absetzen von Dupilumab manchmal noch an. 

Häufig kommt es auch zu einer Reaktivierung eines orofazialen Herpes, seltener zu anderen Herpes-Manifestationen. Auch lokale Reaktionen an der Injektionsstelle sind häufig. Andere beobachtete Symptome sind Kopfschmerzen, Symptome der oberen Luftwege und Eosinophilie.  

Interaktionen

Erhöhte Werte von Zytokinen wie IL-4 und IL-13 können die Synthese von Zytochromen hemmen. Es ist deshalb denkbar, dass die IL-13-Hemmung durch Dupilumab indirekt Zytochrome induziert. Bisher sind jedoch keine klinisch relevanten Interaktionen mit Zytochrom-Substraten gefunden worden. Die gleichzeitige Anwendung von Lebendimpfstoffen soll vermieden werden.

Dosierung, Verabreichung, Kosten

Dupilumab (Dupixent®) ist in der Schweiz zur Behandlung von mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis bei Erwachsenen zugelassen, sofern keine adäquate Lokaltherapie möglich ist. Das Medikament ist als Fertigspritze zu 300 mg (mit Sicherheitssystem für die Injektionsnadel) erhältlich. Die Initialdosis beträgt 600 mg, gefolgt von 300 mg (subkutan) alle zwei Wochen. Die Einstichstelle muss bei jeder Injektion gewechselt werden.

Mangels entsprechender Dokumentation sollen schwangere und stillende Frauen sowie Kinder nicht mit Dupilumab behandelt werden. In der Schweiz ist Dupilumab bisher nur bei Erwachsenen zugelassen; die europäischen Behörden (EMA) haben 2019 die Zulassung von Dupilumab auf Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahren ausgedehnt. Da nur sehr wenig Daten bei einer fortgeschrittenen Leber- oder Niereninsuffizienz vorliegen, ist Dupilumab in diesen Fällen zu vermeiden. Dupilumab beeinträchtigt möglicherweise die immunologische Abwehr von Helminthen; Wurmerkrankungen sollten deshalb vor der Verwendung von Dupilumab behandelt werden. Dupilumab ist limitiert kassenzulässig. Im ersten Behandlungsjahr verursacht Dupilumab Kosten von rund 20‘000 Franken. Ein zweimonatiger Behandlungszyklus mit oralem Ciclosporin (Sandimmun Neoral®) kostet dosis- und gewichtsabhängig zwischen 600 und 900 Franken.

Kommentar

Zur systemischen Therapie einer atopischen Dermatitis stehen nur wenige gut dokumentierte Medikamente zur Verfügung. Neben dem offiziell für diese Indikation zugelassenen Ciclosporin können andere Immunmodulatoren (besonders Kortikosteroide), allenfalls auch antimikrobiell wirksame Mittel in Betracht gezogen werden.(11) Mit Dupilumab gibt es jetzt eine neue Behandlungsoption mit dokumentierter, allerdings nicht sehr beeindruckender Wirksamkeit. Noch ist unklar, ob dieses Medikament eine zufriedenstellende Nutzen/Risiko-Bilanz aufweist. Einerseits wäre wünschenswert, über kontrollierte Vergleiche zwischen Dupilumab und anderen systemischen Mitteln – z.B. Ciclosporin – zu verfügen. Anderseits ist die längerfristige Bedeutung der ungewöhnlich häufigen Augensymptome unter Dupilumab noch ungenügend dokumentiert. Die Augenproblematik ist umso relevanter, als vermutet wird, dass Personen mit starken Hautsymptomen unter Dupilumab auch vermehrt an entzündlichen Augensymptomen erkranken. Zurzeit kommt diese teure Therapie wohl nur in Ausnahmefällen in Betracht; dabei ist zu beachten, allenfalls frühzeitig augenärztliche Beratung beizuziehen.

Standpunkte und Meinungen

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Dupilumab (12. März 2020)
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