Medikamente gegen COVID-19 (Stand Ende März 2020)
- Autor(en): Etzel Gysling
- pharma-kritik-Jahrgang 41
, PK1084, Online-Artikel
Redaktionsschluss: 25. März 2020
DOI: https://doi.org/10.37667/pk.2019.1084
Gibt es Medikamente mit dokumentierter Wirksamkeit gegen den Erreger der aktuellen Pandemie (COVID-19)? Zurzeit lautet die Antwort auf diese Frage ganz klar: Nein! Dies ist auch der Grund, weshalb die Welt-Gesundheitsorganisation (WHO) davor warnt, ungenügend untersuchte Medikamente zu verschreiben oder solche in kleinen, zu wenig aussagekräftigen Studien einzusetzen. Es ist jedoch keineswegs ausgeschlossen, dass gegen dieses Virus wirksame Arzneimittel gefunden werden können – eine Entwicklung, die dem heute vorherrschenden bedrohlichen Zustand ein Ende setzen könnte. Deshalb sollen im Folgenden die zurzeit interessantesten, bereits gestarteten oder zum raschen Start bereiten Studien kurz dargestellt werden.
SOLIDARITY
Die WHO hat eine internationale Studie initiiert, an der auch die Schweiz beteiligt ist. Diese mit SOLIDARITY bezeichnete klinische Studie umfasst (vorläufig) fünf Behandlungs-Arme, die verglichen werden sollen:
1. Optimale Therapie ohne zusätzliche Medikamente («standard of care»)
2. Optimale Therapie + das Virostatikum Remdesivir. Remdesivir ist ein Prodrug, das zu einer Blockierung der RNA-Polymerase von RNA-Viren führt. Dieses bisher nicht offiziell zugelassene Medikament, ursprünglich als Mittel gegen Hepatitis C entwickelt, wurde im Zusammenhang mit der Ebola-Virus-Epidemie weiter untersucht, aber nur wenig eingesetzt. COVID-19-Studien mit diesem Wirkstoff laufen bereits in China und in den USA. Zu Einzelfällen mit günstigen Resultaten liegen Publikationen vor. Man vermutet, dieses Mittel wirke besser, je früher es verabreicht werde.
3. Optimale Therapie + Lopinavir/Ritonavir. Diese beiden Medikamente, die kombiniert unter dem Namen Kaletra® bekannt sind, werden seit Jahren erfolgreich in der HIV-Therapie verwendet. Mit dieser Kombination wurden relativ früh (im Januar 2020) COVID-19-Studien in China begonnen. Eine davon hat allerdings keinen Nutzen gegenüber «standard of care» zeigen können (1). Ob Lopinavir/Ritonavir doch etwas nützt, wenn es konsequent frühzeitig verabreicht wird, ist noch nicht bekannt.
4. Optimale Therapie + Lopinavir/Ritonavir/Interferon-beta. Für inhaliertes Interferon-beta 1 (IFN-β) konnte gezeigt werden, dass es zwar Asthma-Exazerbationen nicht verhindern kann, aber den «peak expiratory flow» (PEF) verbessert (2). Nun soll dieses Mittel (unter der Bezeichnung SNG001) in einer britischen Studie auch bei COVID-19-Infizierten getestet werden. Resultate liegen jedoch noch keine vor. Im vierten Ast der WHO-gesponserten Studie soll sowohl mit Lopinavir/Ritonavir als auch mit SNG001 behandelt werden.
5. Optimale Therapie + Hydroxychloroquin (oder Chloroquin). Mit dem einen oder anderen dieser beiden Antimalariamittel sind offenbar mehrere Studien in China durchgeführt worden; Chloroquin wurde in einer kurzen Publikation als wirksam bezeichnet (3). Genauere Daten dazu fehlen jedoch ganz. In einer kleinen französischen Studie mit Hydroxychloroquin wurde bei 20 Behandelten nach sechs Tagen Behandlung eine signifikante Abnahme der Virenlast beobachtet (4). Unerwünschte Wirkungen, besonders kardiale Nebenwirkungen, werden aber als problematisch angesehen.
Die WHO hofft, mit dieser fünfarmigen Studie rasch herauszufinden, ob diese aktuell attraktiv erscheinenden Therapiemöglichkeiten hilfreich sein könnten. Es handelt sich nicht um eine doppelblinde Studie, was eine einfachere Durchführung ermöglicht, aber natürlich auch die Aussagekraft reduziert. Sollten sich in den kommenden Wochen andere vielversprechende Behandlungsoptionen eröffnen, könnten sie nachträglich in diese Studie eingefügt werden.
In Frankreich wird ergänzend eine «Add-on»-Studie («Discovery») durchgeführt, in der mit Ausnahme von Chloroquin die selben Therapien wie in SOLIDARITY getestet werden.
Weitere Medikamente / Studien
Mit Hydroxychloroquin, das bereits in grossen zusätzlichen Mengen produziert wird, ist noch eine weitere Studie an der University of Minnesota begonnen worden (5).
Medikamente, die aktuell zur Behandlung von fortgeschrittenen Stadien einer rheumatoiden Arthritis verwendet werden, sollen auch bei COVID-19 eingesetzt werden. So ist eine Studie mit Tocilizumab (Actemra®) geplant, die bereits im April starten soll. Auch mit Sarilumab (Kevzara®) ist geplant, die Wirksamkeit bei COVID-19 zu testen.
Verschiedene Firmen entwickeln humanisierte Antikörper, die sich spezifisch gegen COVID-19 richten sollen; entsprechende Studien können voraussichtlich im Sommer gestartet werden.
In der oben erwähnten französischen Studie mit Hydroxychloroquin erhielten sechs Personen zusätzlich Azithromycin (Zithromax® u.a.), was sich günstig auszuwirken schien. Zu diesem Medikament liegen aber bisher keine aussagekräftigen Daten vor.
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