Upadacitinib
- Autor(en): Urspeter Masche
- pharma-kritik-Jahrgang 41
, Nummer 12, PK1094
Redaktionsschluss: 5. Juni 2020
DOI: https://doi.org/10.37667/pk.2019.1094 - PDF-Download der Printversion dieser pharma-kritik Nummer
Upadacitinib (Rinvoq®) wird zur Basistherapie der rheumatoiden Arthritis empfohlen.
Chemie/Pharmakologie
Bei Upadacitinib handelt es sich um einen Januskinase-Hemmer. Es ist nach Tofacitinib (Xeljanz®) und Baricitinib (Olumiant®) der dritte Vertreter dieser Substanzgruppe.
Januskinasen wirken an der intrazellulären Signalübertragung mit und aktivieren Entzündungsvorgänge, die bei Autoimmunerkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis eine wichtige Rolle spielen. Von den vier Januskinase-Typen – mit den Abkürzungen JAK1, JAK2, JAK3 und TYK2 – blockiert Upadacitinib vor allem JAK1. Ob es klinische Bedeutung hat, wenn einzelne Januskinase-Typen spezifisch gehemmt werden, ist nicht bekannt.(1,2)
Pharmakokinetik
Upadacitinib wird als Retardtabletten angeboten. Nach deren Einnahme vergehen 3 bis 4 Stunden, bis die Plasmaspitzenkonzentration erreicht ist. Die biologische Verfügbarkeit ist nicht exakt bestimmt; gemäss Schätzung bewegt sie sich zwischen 60 und 100%. Upadacitinib wird sowohl metabolisiert als auch in unveränderter Form ausgeschieden. Am Metabolismus sind CYP3A4 und in geringerem Mass CYP2D6 beteiligt; die Metaboliten sind nicht pharmakologisch aktiv. Die endgültige Ausscheidung findet mit dem Urin und Stuhl statt. Die terminale Halbwertszeit liegt zwischen 8 und 14 Stunden. Bei einer Niereninsuffizienz nimmt die Fläche unter der Konzentrations-Zeit-Kurve (AUC) um bis zu 44% zu; in einem ähnlichen Umfang wird die Elimination durch eine eingeschränkte Leberfunktion verlangsamt.(3,4)
Klinische Studien
Mit Upadacitinib hat man fünf Phase-III-Studien bei Erwachsenen mit rheumatoider Arthritis durchgeführt; Voraussetzung für die Teilnahme war eine erkennbare Krankheitsaktivität mit mindestens sechs geschwollenen und sechs schmerzhaften Gelenken sowie erhöhter CRP-Konzentration. Als primäre Endpunkte galten zum einen der Anteil der Teilnehmenden, bei denen nach Definition des «American College of Rheumatology» eine mindestens 20%- oder 50%ige Besserung der Symptome erreicht wurde (ACR20 bzw. ACR50), zum anderen der Anteil derer, bei denen gemäss «Disease Activity Score» (DAS28) nur noch geringe oder keine Krankheitsaktivität mehr bestand. Alle Studien wurden in zwei Phasen unterteilt. In der ersten, doppelblinden Phase, die zwischen 12 und 48 Wochen dauerte, wurde Upadacitinib mit Placebo oder einer anderen Substanz verglichen. Danach folgte eine zweite Phase, in der man die Personen, die in der ersten Phase Placebo oder Methotrexat erhalten hatten, auf Upadacinitib umstellte und bis fünf Jahre weiterbehandelte.
In vier dieser Phase-III-Studien wurde Upadacitinib bei der Zweit- oder Drittlinientherapie getestet, das heisst bei Personen, denen vorgängige Basismedikamente zu wenig geholfen hatten:
In der SELECT-MONOTHERAPY-Studie (n=648) befasste man sich mit Patientinnen und Patienten, die auf Methotrexat ungenügend angesprochen hatten. Sie erhielten Upadacitinib (15 oder 30 mg/Tag) oder Methotrexat in der bisherigen Dosis. Nach 14 Wochen hatten mit der niedrigeren Upadacitinib-Dosis 68% der Behandelten einen ACR20-Wert und 45% das DAS28-Kriterium einer niedrigen Krankheitsaktivität erreicht; mit der höheren Upadacitinib-Dosis waren es 71% bzw. 53% und mit Methotrexat 41% bzw. 19%.(5)
In der SELECT-NEXT-Studie (n=661) wurden die bisher verabreichten konventionellen Basismedikamente – Methotrexat, Leflunomid (Arava® u.a.), Sulfasalazin (Salazopyrin®) oder Antimalariamittel – mit Upadacitinib (15 oder 30 mg/Tag) oder Placebo ergänzt. Nach 12 Wochen lagen der ACR20-Prozentsatz und die Zahl der Behandelten mit einer niedrigen Krankheitsaktivität bei beiden Upadacitinib-Dosen signifikant höher als bei Placebo.(6)
Für die SELECT-BEYOND-Studie (n=499) wurden Personen rekrutiert, bei denen bereits biologische Basismedikamente versucht worden waren. Wie in der SELECT-NEXT-Studie liess sich innerhalb von 12 Wochen mit beiden Upadacitinib-Dosen eine signifikant bessere Wirkung erzielen als mit Placebo.(7)
Die SELECT-COMPARE-Studie (n=1629) stellte einen placebokontrollierten Vergleich dar zwischen Upadacinitib (15 mg pro Tag) und dem TNF-alpha-Hemmer Adalimumab (Humira®, 40 mg alle 2 Wochen), und zwar bei Personen, denen Methotrexat zu wenig genützt hatte. Nach 12 Wochen betrug der Anteil der Individuen mit einem ACR20-Wert bzw. mit einer Remission bei Upadacinitib 71% bzw. 29%, bei Adalimumab 63% bzw. 18% und bei Placebo 36% bzw. 6%. In dieser Studie wurde auch das Ausmass der Gelenkdestruktionen erfasst. Die Zahl der Patientinnen und Patienten, bei denen nach 48 Wochen keine radiologische Progression festgestellt werden konnte, belief sich bei Upadacitinib auf 86%, bei Adalimumab auf 88% und bei Placebo auf 74%.(8)
Zur Prüfung von Upadacitinib bei der Erstlinientherapie diente die SELECT-EARLY-Studie (n=947), die allerdings noch nicht vollständig publiziert ist. Bislang unbehandelte Rheumakranke bekamen Upadacitinib (15 oder 30 mg/Tag) oder Methotrexat. Mit der niedrigeren Upadacitinib-Dosis stieg die Zahl der Individuen mit einem ACR50-Wert innerhalb von 12 Wochen auf 52% und diejenige der Remissionen innerhalb von 24 Wochen auf 36%; mit der höheren Upadacitinib-Dosis waren es 56% bzw. 41% und mit Methrotrexat 28% bzw. 13%.(9)
Unerwünschte Wirkungen
Unter Upadacitinib traten Nebenwirkungen auf, wie man sie von den anderen Januskinase-Hemmern kennt. Am meisten wurden Infektionen beschrieben, vor allem Infekte der oberen Atemwege und der Harnwege; auch opportunistische Infekte (Herpes zoster, Herpes simplex, orale Kandidose) wurden häufiger angegeben als unter Placebo. Ferner beobachtete man gastrointestinale Symptome (Übelkeit, Durchfall, einzelne Fälle von Perforationen), Fieber, Husten, Blutdruckanstieg und Rückenschmerzen.
Mögliche Laborwertveränderungen sind Zytopenien (Anämie, Neutropenie), Anstieg der Transaminasen- und Kreatinkinase-Aktivität sowie der Lipidspiegel (Cholesterin, Triglyzeride). Januskinase-Hemmer scheinen auch venöse Thromboembolien hervorrufen zu können. In den Langzeituntersuchungen zählte man bei der höheren Upadacinitib-Dosis mehr Fälle von nicht-melanozytären Hauttumoren. Ob sich daraus ein generelles Tumorrisiko ableiten lässt, kann nicht abschliessend beurteilt werden.(4,9)
Interaktionen
Starke CYP3A4-Induktoren wie Rifampicin vermindern die AUC von Upadacinitib um rund die Hälfte, während starke CYP3A4-Hemmer wie Ketoconazol die AUC um 75% erhöhen. CYP2D6-Hemmer verändern die Upadacinitib-Exposition nicht. Upadacinitib selbst hat keinen Einfluss auf den Metabolismus von anderen Substanzen.(4)
Dosierung, Verabreichung, Kosten
Upadacitinib (Rinvoq®) ist als Retardtabletten zu 15 mg erhältlich. Die empfohlene Dosis beträgt 1 Tablette pro Tag. Es ist zugelassen zur Mono- oder Kombinationstherapie der rheumatoiden Arthritis, wenn konventionelle Basismedikamente (Methotrexat u.a.) nicht genügend wirken oder nicht vertragen werden. Bevor eine Behandlung mit Upadacinitib eingeleitet wird, sollten eine Tuberkulose sowie eine Hepatitis B oder C ausgeschlossen werden. Es wird davon abgeraten, unter einer Upadacinitib-Therapie Lebendimpfstoffe zu verabreichen. Bei Personen mit einer Krebserkrankung oder mit einem Thromboembolierisiko muss der Einsatz von Upadacinitib besonders abgewogen werden.
In Tierversuchen wurden teratogene Wirkungen beobachtet; Upadacinitib darf deshalb in der Schwangerschaft nicht eingesetzt werden. Weil Upadacinitib wahrscheinlich in die Muttermilch übertritt, sollte während der Behandlung nicht gestillt werden. Die Anwendung bei Kindern und Jugendlichen ist nicht erprobt.
Für Upadacitinib ist eine limitierte Kassenzulässigkeit festgelegt. Es kostet monatlich CHF 1351.40 und ist damit eine Spur teurer als Tofacitinib (Xeljanz®) und Baricitinib (Olumiant®).
Kommentar
Nach wie vor ist die Faustregel gültig, dass man bei der Basistherapie der rheumatoiden Arthritis zuerst konventionelle Medikamente wie Methotrexat und bei ungenügendem Effekt dann TNF-alpha-Hemmer einsetzt. Erst wenn man damit nicht zum Ziel kommt, bieten sich andere biologische Substanzen (Nicht-TNF-alpha-Hemmer) oder Januskinase-Hemmer an; welches davon die beste Option ist, hängt von individuellen Faktoren ab.
Die Attraktivität der Januskinase-Hemmer beruht darauf, dass sie sich oral verabreichen lassen. Dem muss man allerdings entgegenhalten, dass sich ein konsistentes Nebenwirkungsmuster abzeichnet; unter anderem können bei allen Januskinase-Hemmern eine Hyperlipidämie und offenbar auch Thromboembolien auftreten. Bedenken, dass Januskinase-Hemmer mit gewissen kardiovaskulären Risiken behaftet sind, wird man nicht von der Hand weisen können. Es bräuchte sicher verlässliche Langzeitdaten, um diesbezüglich Klarheit zu schaffen.
Literatur
- 1) Anon. Med Lett Drugs Ther 2019; 61: 183-5
- 2) Serhal L, Edwards CJ. Expert Rev Clin Immunol 2019; 15: 13-25
- 3) Duggan S, Keam SJ. Drugs 2019; 79: 1819-28
- 4) EMA-Dokument
- 5) Smolen JS et al. Lancet 2019; 393: 2303-11
- 6) Burmester GR et al. Lancet 2018; 391: 2503-12
- 7) Genovese MC et al. Lancet 2018; 391: 2513-24
- 8) Fleischmann RM et al. Ann Rheum Dis 2019; 78: 1454-62
- 9) FDA-Dokument
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