Chronisch-entzündliche Darmkrankheiten

Unter den chronisch-entzündlichen Darmkrankheiten («inflammatory bowel diseases», IBD) sind die Colitis ulcerosa und der Morbus Crohn am wichtigsten. Eine Ursache dieser beiden Erkrankungen konnte bis heute nicht gesichert werden. Stark angewachsen sind in den letzten Jahren aber die Erkenntnisse zur Rolle des Immunsystems bezüglich des Zusammenspiels verschiedener Entzündungsmediatoren. Diese Erkenntnisse haben auch zu neuen Therapieansätzen geführt.

Colitis ulcerosa

Die Colitis ulcerosa ist durch entzündliche Veränderungen der kolorektalen Mukosa gekennzeichnet. Der entzündliche Befall erstreckt sich – ausgehend vom distalen Rektum – kontinuierlich, aber mit variabler Ausdehnung, oralwärts. Leitsymptom sind blutige Durchfälle, am häufigsten verläuft die Krankheit chronisch rezidivierend. Die Extremform eines entzündlichen Schubes stellt das toxische Megakolon dar. Andere Komplikationen sind akute Blutungen, chronischer Blutverlust und nach längerer Latenz das Auftreten von kolorektalen Karzinomen. Die Krankheit kann sich auch extraintestinal manifestieren, vor allem an Gelenken, Augen und Haut und ist assoziiert mit der primär sklerosierenden Cholangitis (PSC). Der Nutzen einer Behandlung wird in klinischen Studien in der Regel mit Scores beurteilt, die die Symptome und die endoskopischen Veränderungen erfassen.

Aminosalizylate

Sulfasalazin (Salazopyrin®) ist eine Verbindung von Mesalazin (5-Aminosalicylsäure, 5-ASA) und einem Sulfonamid (Sulfapyridin). Die Wirksamkeit von Sulfasalazin bei leichter bis mittelschwerer Colitis ulcerosa beruht wahrscheinlich auf Mesalazin, das erst im Darm freigesetzt wird. Da der Sulfonamidanteil mindestens teilweise für die Sulfasalazin- Nebenwirkungen verantwortlich ist, wurden sulfonamidfreie Präparate entwickelt. Gewöhnliches oral verabreichtes Mesalazin wird allerdings resorbiert, bevor es in die entzündlich veränderten Darmabschnitte gelangt. Deshalb werden heute oft spezielle galenische Formen von Mesalazin (z.B. Asacol®) verwendet; ausserdem steht ein weiteres Prodrug (Olsalazin, Dipentum®) zur Verfügung. Diese Präparate können oral oder rektal verabreicht werden. In der Tabelle 1 sind Dosierungen und Kosten zusammengestellt.
Gut dokumentiert ist die Wirksamkeit von Sulfasalazin (in Tagesdosen von 1,5 g bis maximal 6 g) bei der Behandlung des entzündlichen Schubes und zur Rückfallprophylaxe im krankheitsfreien Intervall. Sulfonamidfreie Präparate (Mesalazin, Olsalazin) sind im Vergleich mit Sulfasalazin im akuten Schub ähnlich wirksam und besser verträglich.(1) In der Rückfallprophylaxe erreichen die neueren Mesalazin-Präparate nicht ganz die Wirksamkeit von Sulfasalazin; Olsalazin verursacht signifikant mehr unerwünschte Wirkungen.(2)
Bei ausschliesslich linksseitigem Befall des Kolons oder bei Proktitis ist Mesalazin rektal appliziert mindestens so gut wirksam wie oral verabreicht. Je nach Ausdehnung können Suppositorien, Schaum- oder Flüssigeinläufe eingesetzt werden. Sulfasalazin hat einen dokumentierten Nutzen als Basistherapeutikum bei der rheumatoiden Arthritis und gilt heute noch als Mittel der Wahl bei Gelenkmanifestationen.
Typische unerwünschte Wirkungen von Aminosalizylaten sind Brechreiz, Dyspepsie und Kopfschmerzen. Sulfasalazin mit seinem Sulfonamid-Anteil birgt grössere Risiken bezüglich Hepatotoxizität, Knochenmarkssuppression und Hämolyse. Besonders gefährdet sind Leute, die Sulfapyridin langsam metabolisieren. Allergische Reaktionen (besonders Hautausschläge) werden ebenfalls meistens durch den Sulfonamid-Anteil verursacht. Allerdings wurden allergische Reaktionen in Form von Hepatitis, Pneumonitis, Perikarditis, Pankreatitis oder interstitieller Nephritis auch unter sulfonamidfreien Präparaten beobachtet. Olsalazin verursacht häufiger Durchfall als Sulfasalazin.(3)

Kortikosteroide

Kortikosteroide werden im schwereren entzündlichen Schub eingesetzt, wenn Aminosalizylate allein ungenügend wirken.Bei der Anwendung gelten ähnliche Regeln wie beim Morbus Crohn (siehe unten). Bei Proktitis und linksseitiger Kolitis können Kortikosteroide auch rektal appliziert werden. Wie beim Morbus Crohn wurde auch bei der Colitis ulcerosa die Wirksamkeit von Budesonid (Budenofalk®, Entocort®) belegt.

Immunsuppressiva


Immunsuppressiva kommen bei einer Colitis ulcerosa dann zum Einsatz, wenn Aminosalizylate und Kortikosteroide die Symptome nicht genügend zu kontrollieren vermögen oder wenn es bei Reduktion der Kortikosteroide jeweils zur Verschlechterung der Symptome kommt. Sie können auch verwendet werden, wenn der Verlauf durch häufige Rezidive gekennzeichnet ist. Azathioprin (Imurek® u.a.) und sein Metabolit Mercaptopurin (Puri-Nethol®) sind seit den 70er Jahren im klinischen Einsatz. Bei Colitis-ulcerosa-Kranken konnte gezeigt werden, dass unter Azathioprin (1,5 bis 2,5 mg/kg Körpergewicht) Kortikosteroide besser reduziert werden können. Mit der vollen Wirksamkeit von Azathioprin ist jedoch erst nach mehrwöchiger Behandlung zu rechnen.
Azathioprin kann auch Rückfälle verhindern und wird heute bei chronisch-aktivem Verlauf oft als Dauertherapie eingesetzt, insbesondere bei ungenügender Wirkung der Aminosalizylate. So betrug beispielsweise in einer Studie bei 35 Personen mit einer schweren Colitis ulcerosa das Risiko für einen Rückfall im ersten Jahr unter Sulfasalazin allein 56%. Erhielten sie zusätzlich Azathioprin (2,5 mg/kg täglich), betrug das Risiko 24% (Unterschied grenzwertig signifikant).(4)
Ciclosporin (Sandimmun®) intravenös kann bei schweren therapierefraktären Schüben wirksam sein; in einer Doppelblindstudie erwies es sich als geeignete Alternative zu den Kortikosteroiden. (5) Tacrolimus (Prograf®) ist vermutlich ähnlich wirksam; dazu liegen jedoch nur Fallberichte vor.

Antibiotika

Die Bedeutung mikrobieller Erreger bei der Colitis ulcerosa wurde immer wieder diskutiert. Verschiedene Antibiotika wie Metronidazol (Flagyl® u.a.) und Tobramycin (Obracin®) wurden bei der Behandlung schwerer entzündlicher Schübe propagiert. Die Studien dazu liefern aber kein einheitliches Bild. So war eine Kombination der beiden genannten Antibiotika in einer placebokontrollierten Studie bei 39 Kranken unwirksam.(6) Einen Nutzen zeigte hingegen eine placebokontrollierte Studie für die Anwendung von Ciprofloxacin (Ciproxin® u.a.) über 6 Monate. Von 83 Personen mit einer aktiven Colitis ulcerosa hatten in der Ciprofloxacingruppe nach 6 Monaten 79% eine anhaltende Remission erreicht, in der Placebogruppe nur 56%. 6 Monate nach Absetzen der Behandlung war hingegen kein statistisch signifikanter Unterschied mehr nachweisbar.(7)

Chirurgische Optionen

Die Proktokolektomie stellt eine «ultima ratio» bei einer Colitis ulcerosa dar. Als Operationsindikationen gelten ein Versagen der konservativen Therapie, eine anders nicht vermeidbare andauernde hochdosierte Kortikosteroidbehandlung, auf Medikamente ungenügend ansprechende fulminante Erkrankungen, Obstruktionen, Perforationen und maligne oder prämaligne Veränderungen (hochgradige Dysplasie, Adenokarzinom nach mehrjährigem Verlauf). Eine andauernde Ileostomie wird nach Möglichkeit mit der Anlage einer «Ileum-Pouch-analen-Anastomose » (IPAA) vermieden. Dabei wird aus einer Ileumschleife ein «Pouch» gebildet und dieser mit dem Anus anastomosiert. Die meisten Operierten haben eine erhöhte Stuhlfrequenz, sind jedoch tagsüber kontinent. Ein Teil benötigt Antidiarrhoika wie Loperamid (Imodium® u.a.) oder Quellmittel. Wichtigste Komplikationen sind Entzündungen im Bereich des Pouch («Pouchitis»).(8) Zur Behandlung werden Antibiotika (z.B. Metronidazol) gegeben. Es fehlen allerdings verlässliche Studien, die einen Nutzen einer medikamentösen Behandlung von Pouch-Entzündungen dokumentieren.(9)

Andere Therapien

Im Gegensatz zum Morbus Crohn konnte bisher bei der Colitis ulcerosa in randomisierten Studien kein Nutzen von TNF-alpha-Blockern nachgewiesen werden. Verschiedene andere Therapien (z.B. Heparin, Nikotin) sind vorgeschlagen worden, jedoch ungenügend dokumentiert.

Morbus Crohn

Das Erscheinungsbild der Crohnschen Erkrankung ist weniger einheitlich als das der Colitis ulcerosa. Typisch ist ein segmentaler Befall mit transmuraler Entzündung. Am häufigsten ist das terminale Ileum mit Teilen des Kolons betroffen. Seltener ist der isolierte Befall von Dünndarm oder Kolon. Bei einem Drittel besteht eine Analsymptomatik, die das klinische Bild bisweilen dominieren kann. Je nach Lokalisation stehen Bauchschmerzen oder Durchfälle im Vordergrund. Typische Komplikationen sind Darmstenosen, Malabsorption sowie perianale, enterokutane und interluminale Fisteln. Die Erkrankung kann sich wie die Colitis ulcerosa auch an Gelenken, den Augen und der Haut manifestieren.
In den meisten Studien wird zur Beurteilung der klinischen Wirkung einer Behandlung der «Crohn’s Disease Activity Index » (CDAI) herangezogen. Ein Wert von 150 Punkten gilt als Grenze zwischen aktiver Erkrankung und Remission; bei maximaler
Krankheitsaktivität werden bis 500 Punkte erreicht.

Kortikosteroide

Bei der Behandlung einer aktiven Crohnschen Erkrankung nehmen die Kortikosteroide auch heute noch eine zentrale Stellung ein. Gemäss verschiedenen grossen Studien sind Kortikosteroide im entzündlichen Schub wirksamer als Placebo. Dabei wurden Anfangsdosen von 40 bis 60 mg Prednison oder 48 mg Methylprednisolon (Medrol®) täglich eingesetzt. Bei guter Wirkung wurde die Dosis ab der 4. Woche langsam reduziert.(10)
Häufig gelingt das Absetzen der Kortikosteroide nicht, weil dann wieder Symptome auftreten. Eine prophylaktische Kortikosteroid- Behandlung im krankheitsfreien Intervall vermag aber das Risiko für Rückfälle nicht zu verringern.(11)
Hauptproblem der Steroidtherapie sind die unerwünschten Langzeitwirkungen, insbesondere die Osteoporose. Bei längerer Anwendung wird die prophylaktische Gabe von Calcium und Vitamin D (z.B. Calcimagon®-D3), bei nachgewiesener Osteoporose die Behandlung mit einem geeigneten Biphosphonat empfohlen. Andere Langzeitrisiken sind Myopathien, Osteonekrosen und bei höheren Tagesdosen gehäufte Infekte.(3)
Budesonid wird bei normaler Leberfunktion zu etwa 90% präsystemisch eliminiert und führt deshalb zu einer geringeren Suppression der körpereigenen Cortisol-Produktion. In klinischen Studien konnte für Personen mit einem leichten bis mittelschweren Crohn-Schub gezeigt werden, dass Budesonid (9 mg/Tag) die Chance einer Remission gegenüber Placebo und Aminosalizylaten signifikant erhöht. Gegenüber 40 mg Prednisolon wurden vergleichbare Remissionsraten beobachtet. Vor allem bei schwereren Erkrankungen ist Budesonid aber weniger wirksam. Ob die unerwünschten Wirkungen von oralem Budesonid langfristig geringer sind als diejenigen anderer Kortikosteroide, ist noch ungenügend nachgewiesen.(12) Insbesondere ist auch unter Budesonid mit einer Osteoporose zu rechnen.

Aminosalizylate

Aminosalizylate haben zwar auch beim Morbus Crohn eine entzündungshemmende Wirkung, werden aber heute höchstens noch bei leichten Schüben als Monotherapie eingesetzt. In den grossen Studien aus den 70er- und 80er-Jahren war Sulfasalazin weniger wirksam als eine Kortikosteroid-Behandlung. Lediglich in einer Untergruppe mit ausschliesslichem Befall des Kolons war die Kombination mit Methylprednisolon signifikant wirksamer als Methylprednisolon allein. Ein Nutzen bezüglich Verhinderung von Rückfällen oder Abheilen von Fisteln konnte nicht nachgewiesen werden.(10)

Immunsuppressiva

Azathioprin und sein aktiver Metabolit Mercaptopurin sind auch beim Morbus Crohn die am besten dokumentierten Immunsuppressiva. Ihre Wirkung setzt mit einer mehrwöchigen Verzögerung ein, sie eignen sich daher in erster Linie bei ungenügendem Ansprechen auf Kortikosteroide oder wenn diese nicht abgesetzt werden können. Gemäss einer systematischen Übersicht über 6 placebokontrollierte Studien mit Azathioprin(täglich 2 bis 3 mg/kg Körpergewicht) und 2 Studien mit Mercaptopurin (täglich 50 mg oder 1,5 mg/kg) wird durch die Behandlung die Chance einer Remission ungefähr verdoppelt («Odds Ratio» 2,36; 95%-Vertrauensintervall 1,57 bis 3,53). Der Nutzen war erst ab einer Therapiedauer von 17 Wochen fassbar. Auch die Chance für das Abheilen von Fisteln war unter Azathioprin grösser als unter Placebo, der Unterschied bei kleinen Fallzahlen aber statistisch nicht signifikant.(13)
In 5 placebokontrollierten Studien mit mehr als 300 Crohn- Kranken in Remission vermochte eine Behandlung mit Azathioprin die Chance für eine anhaltende Remission ebenfalls etwa zu verdoppeln. Die Wirksamkeit war grösser bei höheren Dosen (täglich 2,5 mg/kg).(14)
Unter Azathioprin und Mercaptopurin sind Brechreiz und Kopfschmerzen die häufigsten unerwünschten Wirkungen. Das Risiko für akute, lebensbedrohliche Komplikationen ist höher als bei Aminosalizylaten oder Kortikosteroiden. Zu nennen sind in erster Linie Pankreatitiden (bei 3% bis 15% der Behandelten) und andere allergische Reaktionen. Eine Knochenmarkssuppression kann auch nach längerer Behandlung auftreten (Blutbild-Kontrolle!). Gefährdet sind vor allem Personen mit einer genetischen Störung des Enzyms Thiopurin-Methyltransferase (TPMT).(3)
Methotrexat wurde in drei randomisierten Studien bei Crohn- Kranken untersucht, die ungenügend auf andere Therapien angesprochen hatten. In zwei kleineren Studien, in denen Methotrexat oral gegeben wurde, konnte keine signifikante Wirkung auf die Remissionsrate nachgewiesen werden. In einer Studie bei 141 Personen wurde Methotrexat höher dosiert (wöchentlich 25 mg) und i.m. verabreicht. Unter Methotrexat war die Chance für das Erreichen einer Remission nach 16 Wochen signifikant höher als unter Placebo (39% gegenüber 19%).(15) Methotrexat kann auch Rückfälle verhindern: 76 Crohn-Kranke, die unter Behandlung mit Methotrexat eine Remission erreicht hatten, erhielten nach dem Zufall weiterhin 25 mg wöchentlich i.m. oder Placebo. Nach 40 Wochen waren unter Methotrexat noch 65% in Remission gegenüber 39% in der Placebogruppe (Unterschied signifikant).(16)
Hämatologische Nebenwirkungen sind unter Methotrexat seltener als unter Azathioprin, dafür sind Brechreiz, Bauchschmerzen, Durchfall und Stomatitis häufiger. Folsäure (z.B. 5 mg wöchentlich) verbessert die Verträglichkeit. Weitere Probleme bei längerer Anwendung sind Pneumonitis und Hepatoxizität.(3)

TNF-alpha-Blocker

Der Tumornekrosefaktor alpha (TNF-alpha) ist ein Zytokin, das als Entzündungsmediator eine wichtige Rolle bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa spielt. Monoklonale Antikörper wie Infliximab (Remicade®) inaktivieren TNF-alpha, indem sie sich daran binden.
In der «ACCENT I»-Studie erhielten über 500 Crohn-Kranke eine erste Infliximab-Infusion von 5 mg/kg. 335 (58%) sprachen in den ersten 2 Wochen auf die Behandlung an und wurden daraufhin nach dem Zufall in drei Gruppen aufgeteilt. Nach 2 und 6 Wochen und danach alle 8 Wochen über 11 Monate erhielten sie Infusionen mit Placebo, Infliximab 5 mg/kg oder 10 mg/kg. Nach 30 Wochen waren in den beiden Infliximab- Gruppen 39% und 45% in einer andauernden Remission gegenüber 21% unter Placebo.(17)
Auch bei Crohn-Kranken mit enterokutanen oder perianalen Fisteln konnte eine günstige Wirkung von Infliximab dokumentiert werden. In einer Studie erhielten 94 Betroffene beiStudienbeginn sowie nach 2 und 6 Wochen nach dem Zufall Infusionen mit Placebo, Infliximab 5 mg/kg oder 10 mg/kg. In den Infliximab-Gruppen kam es in 55% und 38% zum Abheilen aller Fisteln gegenüber 13% unter Placebo.(18)
Bei wiederholter Anwendung treten bei einem Teil der Behandelten Infusionsreaktionen auf. Diese können als anaphylaktoide Reaktionen mit Brustschmerzen oder Atemnot in Erscheinung treten. Bei einem Teil der Betroffenen lassen sich Antikörper gegen Infliximab nachweisen, die auch zu einem Verlust der Wirksamkeit führen können. Strategien zur Verminderung der Antikörperbildung (kürzere Abstände der Infusionen, Kortikosteroide) werden untersucht. Weitere Probleme der Infliximab-Therapie sind eine vermehrte Infektneigung, das Wiederaufflammen einer Tuberkulose und möglicherweise ein erhöhtes Risiko für Lymphome. Infliximab ist bei einer Herzinsuffizienz, bei latenter oder aktiver Tuberkulose sowie bei multipler Sklerose kontraindiziert. Über die Langzeit-Risiken ist naturgemäss noch sehr wenig bekannt.(3)

Antibiotika

Auch beim Morbus Crohn wurden immer wieder Mikroorganismen, insbesondere Mykobakterien, als Mitverursacher der Krankheit diskutiert. Eine systematische Übersicht identifizierte 7 randomisierte Studien mit Tuberkulostatika bei Crohn- Kranken, die insgesamt aber keinen signifikanten Nutzen bezüglich Erhalten einer Remission zeigten.(19)
Eine neuere Studie zeigte auch ein negatives Ergebnis für eine Therapie mit Ciprofloxacin und Metronidazol bei aktiver Crohnscher Erkrankung und gleichzeitiger Kortikosteroid-Therapie.(20)
Antibiotika wie Metronidazol werden bei perianalen oder enterokutanen Fisteln eingesetzt. Ihr Nutzen ist aber nicht in randomisierten Studien dokumentiert.

Chirurgische Optionen

Bei Morbus Crohn werden oft chirurgische Eingriffe nötig. Wichtige Indikationen sind Abszesse, Fisteln, Strikturen und therapierefraktäre Schübe. Wegen der häufigen postoperativen Rezidive soll die Indikation zurückhaltend gestellt werden. Ein toxisches Megakolon, Perforationen, ein Ileus und schwere Blutungen stellen Indikationen für Notfalloperationen dar.(8)

Diät

In mehreren Studien wurde der Effekt von Elementar-Diäten beim Morbus Crohn untersucht. Mit insgesamt 10 randomisierten Studien konnte bisher kein Nutzen bezüglich Erreichen einer Remission belegt werden.(21) Dasselbe gilt für eine neuere Studie, in der Diäten mit einem verschieden hohen Anteil an langkettigen Triglyzeriden verglichen wurden.(22)

Schlussfolgerungen

Bei der Behandlung der chronisch-entzündlichen Darmkrankheiten stehen weiterhin altbewährte Medikamente an erster Stelle. Bei der Colitis ulcerosa sind es in erster Linie die Aminosalizylate, die sowohl bei der aktiven Erkrankung wie auch bei der Rückfallprophylaxe zum Einsatz kommen. Beim Morbus Crohn sind die Kortikosteroide Standard bei der Behandlung der aktiven Erkrankung, vermögen aber Rückfälle nicht zu verhindern. Dies gilt auch für das neuere Budesonid. Der Nutzen von Azathioprin (bzw. Mercaptopurin) ist in aktiven und inaktiven Krankheitsphasen bei beiden Krankheiten gut belegt; die beiden Purinderivate können als Immunsuppressiva der ersten Wahl angesehen werden, wenn Aminosalizylate und Kortikosteroide nicht zum Ziel führen. Die unerwünschten Wirkungen von Azathioprin wie auch der anderen Immunsuppressiva limitieren jedoch die Einsatzmöglichkeiten. Infliximab als Vertreter einer neuen Generation sogenannt «biologisch gezielter» Medikamente ist möglicherweise die zur Zeit wirksamste Substanz beim Morbus Crohn. Probleme mit Langzeitverträglichkeit und Wirkungsverlust wie auch die enormen Kosten fordern einen zurückhaltenden Einsatz als Reservemedikation bei Versagen aller anderen Therapieoptionen beim Morbus Crohn. Bei der Colitis ulcerosa bleibt die Rolle der «ultima ratio» der chirurgischen Proktokolektomie vorbehalten.

Standpunkte und Meinungen

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Chronisch-entzündliche Darmkrankheiten (9. Januar 2004)
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pharma-kritik, 25/No. 17
PK119
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