Epinastin-Augentropfen

Unter dem Namen Relestat® sind neu Epinastin-haltige Augentropfen zur symptomatischen Behandlung der saisonalen allergischen Konjunktivitis erhältlich.

Chemie/Pharmakologie

Epinastin, ein Imidazodibenzoazepin, ist ein Anthistaminikum mit hoher Bindungsaffinität zu den H1-Rezeptoren. Wie bei anderen Antihistaminika – z.B. Azelastin (Allergodil®, Oculastin ®) und Olopatadin (Opatanol®) – können für Epinastin weitere Wirkungen nachgewiesen werden. So besitzt Epinastin auch eine Affinität zu verschiedenen anderen Rezeptoren. In welchem Ausmass allerdings der schwache H2-Rezeptorantagonismus, die Mastzell-stabilisierende und die entzündungshemmende Wirkung von Epinastin von klinischer Bedeutung sind, ist nicht genügend dokumentiert. Das Medikament durchquert die Blut-Hirn-Schranke nicht, weshalb keine zentralnervösen Wirkungen zu erwarten sind.

Pharmakokinetik

Mit der lokalen Applikation von Epinastin (als Augentropfen, 0,05%ige Lösung) werden sofort hohe Konzentrationen in der Tränenflüssigkeit erreicht; innerhalb von 30 Minuten nehmen diese jedoch wieder stark ab. Die Plasmaspiegel, die nach der einmaligen Verabreichung von Augentropfen erreicht werden, sind rund 600-mal niedriger als nach der Gabe einer oralen Dosis von 20 mg.(1) Wenn Epinastin-Augentropfen während einer Woche täglich zweimal instilliert werden (jeweils 1 Tropfen in jedes Auge), so steigen die Plasmaspiegel im Vergleich mit der lokalen Einzeldosis etwa auf das Doppelte, also immer noch auf sehr niedrige Werte. Gemäss verschiedenen Tierversuchen bindet sich Epinastin an Melanin und kann im pigmentierten Augengewebe akkumulieren. Die Bedeutung dieser Beobachtung ist nicht völlig geklärt.

Epinastin ist in Lateinamerika und Japan auch zur oralen Verabreichung erhältlich. Nach einer oralen Dosis werden innerhalb von 3 Stunden maximale Plasmaspiegel beobachtet. Die Angaben zur Plasmahalbwertszeit variieren stark (zwischen 6 und 12 Stunden). Das Medikament wird vorwiegend unverändert mit dem Urin ausgeschieden (aktive tubuläre Sekretion).

Klinische Studien

Zur Wirksamkeit von Epinastin-Augentropfen bei allergischer Konjunktivitis liegen bisher nur wenige publizierte Studien vor. Die den amerikanischen Behörden (FDA) vorgelegten Studien sind etwas zahlreicher, umfassen jedoch weniger als 1000 mit Epinastin Behandelte.(2)

In einer doppelblinden Allergen-Provokationsstudie («conjunctival antigen challenge») erhielten 67 Personen mit nachgewiesener Allergie Epinastin-Augentropfen im einen Auge und medikamentenfreie Augentropfen im anderen Auge als Einzeldosen. Die Behandlung erfolgte einmal 15 Minuten und ein anderes Mal 8 Stunden vor der Allergen-Provokation. Beide Male verhüteten die Epinastin-Augentropfen im Zeitraum von 3 bis 20 Minuten nach der Provokation Augenbrennen, Hyperämie und weitere Symptome besser als die inaktiven Augentropfen.(3)

Die Wirksamkeit von Epinastin bei einer saisonalen Allergenexposition («environmental study») wurde in einer grösseren Doppelblindstudie bei 298 Personen gegen Levocabastin- Augentropfen (Livostin®) und gegen inaktive Augentropfen geprüft. Die während 8 Wochen zweimal täglich verabreichten 0,05%igen Epinastin-Augentropfen waren bezüglich Augenbrennen etwas wirksamer als die inaktiven Augentropfen (p=0,045) und nicht weniger wirksam als die (ebenfalls zweimal täglich instillierten) Levocabastin-Augentropfen. In Bezug auf die Rötung oder das Tränen der Augen sowie die Schwellung der Augenlider fanden sich keine signifikanten Unterschiede gegenüber den inaktiven Augentropfen.(4)

In einer weiteren Allergen-Provokationsstudie erhielten 53 Personen nach dem Zufall im einen Auge Epinastin- und im anderen Olopatadin-Augentropfen (Opatanol®). Fünf Minuten nach der Behandlung (Einzeldosis) erfolgte die Allergen- Provokation. An den Augen, die mit Olopatadin behandelt worden waren, zeigten sich signifikant weniger Symptome (Brennen, Rötung) als an den mit Epinastin behandelten Augen.(5) Gemäss einer anderen, relativ kleinen (n=20) und bisher erst als Abstract publizierten Studie sind Epinastin-Augentropfen dagegen bezüglich Augenbrennen und -rötung wirksamer als Olopatadin-Augentropfen.(6)

Von den fünf weiteren Studien, die in den FDA-Unterlagen eingesehen werden können, haben zwei für Epinastin gegenüber inaktiven Augentropfen bzw. Levocabastin eine signifikante, drei dagegen keine signifikante Wirkung auf allergisch verursachtes Augenbrennen gezeigt.2 Nach Ansicht der amerikanischen Behörden ist bisher nur die Wirksamkeit bezüglich Augenbrennen («itching») genügend nachgewiesen.

Unerwünschte Wirkungen

Bei 1 bis 10% der mit Epinastin-Augentropfen behandelten Personen wurden okuläre Symptome (Brennen, Stechen, Hyperämie, Juckreiz) beobachtet. Die Augentropfen enthalten Benzalkoniumchlorid, das selten zu einer Keratopathie führen kann. Benzalkoniumchlorid kann von weichen Kontaktlinsen absorbiert werden, weshalb während und 15 Minuten nach der Instillation der Augentropfen keine Kontaktlinsen getragen werden sollen.

Eindeutig mit der Behandlung im Zusammenhang stehende systemische Nebenwirkungen wurden bisher nicht festgestellt. Die in den Studien registrierten unerwünschten Ereignisse (Symptome der oberen Luftwege, Kopfschmerzen u.ä.) dürften nicht von Epinastin verursacht sein.

Zur Anwendung in der Schwangerschaft liegen nur sehr wenig Daten vor. Gemäss der amerikanischen Produkteinformation ist es in Tierversuchen unter vergleichsweise sehr hohen Dosen zu Schäden in der Schwangerschaft gekommen. Es ist anzunehmen, dass das Medikament auch mit der Muttermilch ausgeschieden wird. Schwangere oder stillende Frauen sollten deshalb wohl besser kein Epinastin verwenden.

Interaktionen

Es sind keine Informationen zu möglichen lokalen oder systemischen Interaktionen vorhanden.

Dosierung, Verabreichung, Kosten

Epinastin-Augentropfen (Relestat®) sind als farblose Lösung in einem Multidosis-Fläschchen erhältlich. Ein ml Lösung enthält 0,5 mg Epinastinhydrochlorid. Das Präparat ist in der Schweiz kassenzulässig. Zur Behandlung der saisonalen allergischen Konjunktivitis wird für Erwachsene und Jugendliche ab 12 Jahren empfohlen, zweimal täglich einen Tropfen in das oder die betroffene(n) Auge(n) zu träufeln. Die Anwendung soll nicht unmittelbar gleichzeitig mit anderen Augenmedikamenten erfolgen. Angebrochene Fläschchen sollen nicht länger als während 4 Wochen verwendet werden. Unter der Annahme, dass 1 ml etwa 20 Tropfen entsprechen, kostet die Behandlung beider Augen mit Relestat® etwa 1 Franken täglich. Zum Vergleich: Ein oral verabreichtes Antihistaminikum wie Cetirizin ist als Generikum zum Preis von knapp 70 Rappen täglich erhältlich. Ein Vergleich mit anderen Antihistamin-Augentropfen findet sich in der Tabelle 1.

Kommentar

Für verschiedene der in Augentropfen verwendeten Antihistaminika (auch für Epinastin) sind Zusatzeigenschaften gezeigt worden (z.B. Entzündungshemmung). Ob diese jedoch von grösserer praktischer Bedeutung sind, ist meines Erachtens bisher nicht genügend dokumentiert. Damit bleibt offen, ob relevante Unterschiede zwischen den verschiedenen Präparaten bestehen. Epinastin ist in der Schweiz allgemein «zur symptomatischen Behandlung» einer saisonalen allergischen Konjunktivitis zugelassen, in den USA lediglich zur «Therapie des Augenbrennens» im Zusammenhang mit einer allergischen Konjunktivitis – eine für die Praxis wahrscheinlich belanglose Differenzierung.

Die wesentliche Frage zu diesen Augentropfen lautet vielmehr: Ist eine auf die Augensymptome beschränkte Therapie sinnvoll oder wäre die Patientin oder der Patient nicht besser dran mit einem oral verabreichten Antihistaminikum? Zwar ist mir bewusst, dass die Wirkung von Augentropfen sehr viel schneller eintritt als diejenige der oralen Formen. Wenn aber auch Nasensymptome vorhanden sind, erkauft man sich den Vorteil der raschen Wirkung mit dem Nachteil, allenfalls mehrere Präparate anwenden zu müssen.

Standpunkte und Meinungen

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Epinastin-Augentropfen (12. April 2006)
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pharma-kritik, 27/No. 12
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