Olmesartan

Olmesartan (Olmetec®, Votum®), der siebente in der Schweiz erhältliche Angiotensin-II-Rezeptorantagonist, wird zur Behandlung der arteriellen Hypertonie empfohlen.

Chemie/Pharmakologie

Es handelt sich um ein Imidazolderivat, das in seiner Struktur mit anderen Medikamenten der Gruppe - z.B. mit Losartan (Cosaar®) - nahe verwandt ist. Wie alle anderen Angiotensin- Rezeptorblocker blockiert Olmesartan den Subtyp AT1 der Angiotensin-II-Rezeptoren spezifisch und ohne agonistische Aktivität. Entsprechend wirkt es der Vasokonstriktion, der renalen Natriumrückresorption und der Aldosteronfreisetzung entgegen. Angiotensin-Rezeptorantagonisten führen zu einem Anstieg der Renin- und der Angiotensin-II-Plasmaspiegel. Obwohl zwischen den verschiedenen Angiotensin-Rezeptorblockern gewisse strukturelle und kinetische Unterschiede bestehen, sind bisher keine relevanten pharmakodynamischen Unterschiede bekannt. Olmesartan hat im Vergleich mit den meisten anderen Substanzen der Gruppe eine besonders hohe relative Bindungsaffinität zum AT1-Rezeptor; es ist jedoch nicht nachgewiesen, dass dieser Tatsache praktische Bedeutung zukommt.(1) Gegenüber den ACE-Hemmern haben Angiotensin- Rezeptorblocker allgemein den Vorteil, in der Regel weder Husten noch angioneurotische Ödeme zu verursachen.

Pharmakokinetik

Olmesartan wird wie z.B. Candesartan (Atacand®, Blopress®) in Form eines Prodrugs (Olmesartan-Medoxomil) verabreicht. Bei der gastrointestinalen Resorption wird das Molekül praktisch vollständig zum aktiven Metaboliten hydrolysiert. In dieser Form erreicht Olmesartan 1 bis 2 Stunden nach der Verabreichung maximale Plasmaspiegel. Die Bioverfügbarkeit beträgt ungefähr 26%. Die terminale Halbwertszeit der aktiven Verbindung beträgt rund 13 Stunden. Bei regelmässiger täglicher Verabreichung wird innerhalb von 3 bis 5 Tagen ein Fliessgleichgewicht erreicht. Olmesartan wird nicht weiter metabolisiert. Die Ausscheidung erfolgt in unveränderter Form teils mit dem Urin (etwa 40%), teils mit der Galle und dem Stuhl. Bei Personen über 65 Jahren ist die «area under the curve » um gut 30% grösser als bei jüngeren Personen. Bei Frauen finden sich um rund 15% höhere Plasmaspiegel als bei Männern. Eine fortgeschrittene Leberinsuffizienz führt zu einer mässigen, eine Niereninsuffizienz zu einer starken Verzögerung der Clearance.

Klinische Studien

Olmesartan ist in Doppelblindstudien, die insgesamt mehr als 3000 Personen mit einer leichten bis mittelschweren Hypertonie umfassten, mit Placebo und anderen Antihypertensiva verglichen worden. Tagesdosen zwischen 2,5 und 80 mg wurden getestet. Der Blutdruck wurde in der Regel rund 24 Stunden nach der letzten Verabreichung des Medikaments gemessen, zum Teil erfolgten auch 24-Stunden-Messungen. Das Medikament ist in mehreren Ländern (z.B. Deutschland, USA) schon seit 2002 zugelassen.

Gemäss einer zusammenfassenden Analyse von sieben 6 bis 12 Wochen dauernden Studien mit Placebovergleich ergibt eine Tagesdosis von 20 mg Olmesartan eine durchschnittlich um 10/6 mm Hg stärkere Blutdrucksenkung als das Placebo. Wird täglich einmal 40 mg Olmesartan verabreicht, so beträgt der Unterschied zu Placebo im Mittel 12/7 mm Hg. Die Blutdrucksenkung lässt sich durch eine weitere Dosissteigerung nicht mehr verstärken.(2)

Olmesartan ist mit anderen Angiotensin-Rezeptorblockern verglichen worden: In einer Doppelblindstudie erhielten 588 Personen mit einem diastolischen Blutdruck zwischen 100 und 115 mm Hg während 8 Wochen entweder Olmesartan (20 mg pro Tag) oder Losartan (50 mg/Tag) oder Valsartan (Diovan®, 80 mg/Tag) oder Irbesartan (Aprovel®, 150 mg/Tag). Alle Medikamente wurden einmal täglich verabreicht. Dies ergab in Bezug auf den systolischen Blutdruck keine signifikanten Unterschiede zwischen den verschiedenen Medikamenten; es wurde eine Senkung um 8,4 bis 11,3 mm Hg erreicht. Die Senkung des diastolischen Drucks durch Olmesartan war dagegen signifikant grösser (um 11,5 mm Hg) als durch die Vergleichssubstanzen (Senkung um 7,9 bis 9,9 mm Hg).(3)

Olmesartan ist in einer Tagesdosis von 20 mg auch mit Candesartan (8 mg/Tag) verglichen worden und erwies sich dabei als wirksamer als die (relativ niedrig dosierte) Vergleichssubstanz.(4) Nur in einem doppelblinden Vergleich mit Valsartan (160 mg/Tag) war die Tagesdosis von 20 mg Olmesartan klar unterlegen: schon nach zwei Behandlungswochen ergab sich unter Valsartan eine signifikant stärkere Blutdrucksenkung (in der 24-Stunden-Messung) als unter Olmesartan.(5)

Vergleiche mit anderen Antihypertensiva haben gezeigt, dass Olmesartan als ähnlich wirksam wie andere Angiotensin-Rezeptorblocker gelten kann. So war Olmesartan (Anfangsdosis 10 mg/Tag) in zwei Studien ähnlich wirksam wie Atenolol (z.B. Tenormin®, Anfangsdosis 50 mg/Tag).(6,7) In einer placebokontrollierten Doppelblindstudie war eine Tagesdosis von 20 mg Olmesartan ähnich wirksam wie Amlodipin (z.B. Norvasc ®) in einer Dosis von 5 mg/Tag.(8)

Olmesartan kann mit anderen Antihypertensiva kombiniert werden. In einer 24-wöchigen Studie bei 201 Personen mit einer leichten bis mittelschweren Hypertonie dienten 20 mg Olmesartan als Basistherapie; jeweils nach 4 Behandlungswochen konnte zunächst die Dosis erhöht, dann Hydrochlorothiazid und schliesslich auch Amlodipin hinzugefügt werden, sofern der Blutdruck nicht auf Werte unter 130/85 mm Hg gesenkt worden war. Nur bei etwa einem Drittel der Behandelten genügte die Monotherapie mit Olmesartan, um die erwünschte Blutdrucksenkung zu erreichen.(9)

Studien, in denen die Auswirkungen von Olmesartan auf klinisch relevante Endpunkte untersucht worden wären, liegen nicht vor.

Unerwünschte Wirkungen

Wie andere Angiotensin-Rezeptorblocker verursacht Olmesartan kaum mehr unerwunschte Wirkungen als Placebo. Schwindel wird unter Olmesartan bei rund 3% der Behandelten (unter Placebo nur bei 1%) beobachtet; andere unerwunschte Symptome wie Kopfschmerzen, Odeme, Durchfall und respiratorische Symptome traten in den Placebogruppen ahnlich haufig auf wie in den Olmesartangruppen.(1)

Unter Olmesartan kommt es haufiger als unter Placebo zu einem Anstieg der CPK, der gamma-GT oder der Triglyzeride (bei 1 bis 2% der Behandelten).

In den praklinischen Untersuchungen hat sich ein Verdacht auf eine mogliche kanzerogene Wirkung ergeben: Nachdem sich in In-vitro-Untersuchungen ein mutagenes Potential gezeigt hatte, wurden zusatzliche Studien durchgefuhrt, die die Kanzerogenitat der Substanz klaren sollten. Bei mannlichen Ratten traten unter Olmesartan Tumoren im Bereich der Nierentubuli auf; in der Vergleichsgruppe wurden keine Tumoren gefunden. Andere Tests zeigten keinen Verdacht auf eine kanzerogene Wirkung. Die zusammenfassende Analyse ergab, dass ein Zusammenhang mit dem Medikament weder ausgeschlossen noch mit Sicherheit angenommen werden kann.(10) Die amerikanische Arzneimittelbehorde entschied darauf, das Medikament ohne Erwahnung der beobachteten Tumoren zuzulassen.

Interaktionen

Nach aktuellem Wissen beeinflusst Olmesartan die Zytochrom- Isoenzyme nicht. Im übrigen ist bei Olmesartan mit den gleichen Interaktionen zu rechnen, die auch unter anderen Angiotensin- Rezeptorblockern oder ACE-Hemmern beobachtet werden. Eine gleichzeitige Verabreichung von Olmesartan und anderen Medikamenten, die zum Anstieg des Kaliumspiegels führen (kaliumsparende Diuretika, kaliumhaltige Medikamente) muss deshalb besonders bei Personen mit eingeschränkter Nieren- oder Herzfunktion möglichst vermieden werden. Bei gleichzeitiger Verabreichung von Lithiumsalzen kann es eventuell zu einem Anstieg der Lithiumspiegel kommen. Vorsicht ist auch bei gleichzeitiger Verabreichung von nicht-steroidalen Entzündungshemmern angezeigt, da diese mit Angiotensin- Rezeptorblockern zusammen zu einer akuten Niereninsuffizienz führen können. Ob mit den in der Schweiz gebräuchlichen oralen Antikoagulantien Interaktionen auftreten könnten, ist bisher nicht untersucht worden.

Dosierung/Verabreichung/Kosten

Olmesartan (Olmetec®, Votum®) ist als Tabletten zu 10 mg, 20 mg und 40 mg erhältlich und in der Schweiz kassenzulässig. Zu Beginn soll eine Tagesdosis von 10 mg gewählt werden. Diese kann bei ungenügender Wirkung nach einigen Wochen auf 20 mg, noch später bei Personen im Alter unter 65 auf 40 mg gesteigert werden. Bei Schwangeren im zweiten und dritten Trimenon sowie bei stillenden Frauen ist Olmesartan kontraindiziert. Da keine entsprechenden Studien vorliegen, soll das Medikament auch Kindern und Jugendlichen nicht verabreicht werden. Auch Kranke mit fortgeschrittener Leber- oder Niereninsuffizienz dürfen kein Olmesartan erhalten. Bei Personen mit Volumendefizit (z.B. infolge einer diuretischen Behandlung) ist zu Beginn der Therapie Vorsicht angezeigt.

Eine Behandlung mit Olmesartan in einer Tagesdosis von 10 bis 20 mg kostet 30 bis 35 Franken pro Monat, deutlich weniger als mit anderen Angiotensin-Rezeptorantagonisten, die zwischen 46 und 62 Franken monatlich kosten. Andere bewährte Antihypertensiva (Diuretika, Generika von ACEHemmern, Amlodipin und Betablockern) verursachen allerdings in üblichen Dosen nur monatliche Kosten im Bereich von 10 bis 20 Franken.

Kommentar

Olmesartan wird zu einem viel günstigeren Preis als andere Angiotensin-Rezeptorblocker verkauft, die Herstellerfirma spricht von einem «Original-Sartan zum Generikapreis». Genügt dies, um uns zu veranlassen, in Zukunft jeweils diese Substanz zu wählen, wenn wirklich ein Medikament dieser Gruppe indiziert ist? Wieviele Angiotensin-Rezeptorblocker brauchen wir überhaupt und welche Eigenschaften sollten sie haben? Um unsere Patientinnen und Patienten optimal zu betreuen, benötigen wir in erster Linie Medikamente, deren (positive und negative) Eigenschaften möglichst gut dokumentiert sind. Grundsätzlich ist deshalb wünschenswert, dass eine kleine Anzahl von Substanzen so umfassend wie nur möglich untersucht wird – durch die Einführung von weiteren, fast identischen Substanzen droht eine «Verdünnung» unseres Wissens. Ein günstiger Preis ist zweifellos ein legitimes Argument, aber nur dann, wenn eine Substanz ähnlich gut dokumentiert ist wie die «Konkurrenten». Dies ist vorderhand für Olmesartan nicht der Fall, da fast nur von relativ kurzdauernden Studien Resultate vorhanden sind und diese natürlich keine Auskunft über klinisch relevante Endpunkte geben können. Da Antihypertensiva über lange Zeit eingenommen werden müssen, wäre zudem eine eindeutigere Klärung des Verdachts einer kanzerogenen Wirkung erwünscht.

Standpunkte und Meinungen

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Olmesartan (5. August 2005)
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pharma-kritik, 27/No. 2
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