Almotriptan

Synopsis

Almotriptan (Almogran®) wird zur Behandlung von Migräneanfällen empfohlen.

Chemie/Pharmakologie

Almotriptan, ein S-Pyrrolidin-Derivat von Sumatriptan (Imigran® u.a.), ist wie alle Triptane chemisch verwandt mit Serotonin (5-Hydroxytriptamin, 5-HT) und fungiert als selektiver Agonist an den Subtypen B, D und F des 5-HT1-Rezeptors. Die Aktivierung der 5-HT1B- und 5-HT1D-Rezeptoren führt zu einer Vasokonstriktion von intrakraniellen und hirnversorgenden extrazerebralen Gefässen sowie zu einer verminderten Schmerzübertragung im Bereich der Trigeminusbahnen – Mechanismen, die man für die Wirkung der Triptane bei Migräne als hauptverantwortlich betrachtet.1,2

Pharmakokinetik

Nach oraler Einnahme von Almotriptan misst man nach 2 bis 2,5 Stunden maximale Plasmaspiegel. Die Wirkung setzt nach 30 Minuten ein. Die biologische Verfügbarkeit liegt bei 70%. Almotriptan wird zu 40 bis 50% unverändert über die Nieren ausgeschieden. Ein ähnlich grosser Teil wird metabolisiert, einerseits über die Monoaminooxidase-A (MAO-A), andererseits über Zytochrome (CYP3A4, in geringerem Mass CYP-2D6). Die Halbwertszeit bewegt sich zwischen 3 und 4 Stunden. Bei ausgeprägter Niereninsuffizienz können sich Plasmaspitzenkonzentration und Halbwertszeit beinahe verdoppeln. Bei einer Leberfunktionsstörung ist die Pharmakokinetik nicht untersucht worden.2,3

Klinische Studien

In den klinischen Studien wurden Patientinnen und Patienten mit einer Migräne (mit oder ohne Aura) behandelt, deren Diagnose sich auf die von der «International Headache Society» formulierten Kriterien stützte. Personen mit 1 bis 6 mittelschweren bis schweren Attacken pro Monat wurden aufgenommen. Primärer Endpunkt war der Anteil der Personen, bei denen sich die Intensität der Kopfschmerzen 2 Stunden nach Tabletteneinahme auf einer 4-Punkte-Skala von mittelschwer oder schwer auf leicht oder null gebessert hatte. (Heute wird der Prozentsatz der Behandelten, die nach 2 Stunden schmerzfrei sind, als der praxisrelevantere Endpunkt betrachtet.)

In zwei Dosisfindungsstudien (n=909 bzw. 742) verglich man verschiedene Almotriptan-Dosen (2 bis 25 mg) mit Placebo. Dabei nützte Almotriptan in einer Dosis von mindestens 6,25 mg gegen Kopfschmerzen signifikant besser als Placebo. Als optimale Dosis wurden 12,5 mg ermittelt.4,5

Die Zusammenfassung der Daten aller placebokontrollierten Vergleiche ergab Folgendes: Der Anteil der Personen, bei denen die Kopfschmerzen 2 Stunden nach Einnahme besser geworden oder verschwunden waren, betrug mit einer Almotriptan-Dosis von 6,25 mg 56% bzw. 29%, mit 12,5 mg 61% bzw. 35% und mit 25 mg 64% bzw. 40%; mit Placebo waren es 35% bzw. 15%.6

1173 Migränekranke erhielten doppelblind entweder Almotriptan (12,5 mg) oder Sumatriptan (50 mg oral). Der Prozentsatz derjenigen, die 2 Stunden nach Medikamenteneinnahme über einen Rückgang der Kopfschmerzen berichteten, war in beiden Gruppen praktisch gleich hoch (58% unter Almotriptan, 57% unter Sumatriptan). Ganz zum Verschwinden gebracht wurden die Kopfschmerzen aber signifikant häufiger mit Sumatriptan (25% gegenüber 18%). Keine Unterschiede fand man in Bezug auf die Besserung anderer Migränebeschwerden (Übelkeit u.a.) sowie auf den Anteil der Personen, die sich eines Reservemedikamentes bedient hatten oder bei denen die Kopfschmerzen innerhalb von 24 Stunden zurückgekehrt waren.7 In einer anderen placebokontrollierten Doppelblindstudie (n=668) wurde Almotriptan (12,5 oder 25 mg) ebenfalls Sumatriptan (100 mg) gegenübergestellt, wobei sich die beiden Substanzen als ebenbürtig erwiesen.8

Unerwünschte Wirkungen

Unter Almotriptan beobachten zwischen 1 und 2% der Behandelten Brechreiz, Schwindel, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Parästhesien und Durchfall. Vereinzelt sind auch allergische Reaktionen, depressive Verstimmung, Angstzustände, Mundtrockenheit, Engegefühl im Hals, Thoraxschmerzen, Nystagmus, Synkope und Hypästhesie aufgetreten.9

Wahrscheinlich können andere Probleme, die mit den Triptanen verbunden sind, auch unter Almotriptan vorkommen. Dazu gehören Blutdruckerhöhung, Durchblutungsstörungen im Herz, Gehirn oder Darm sowie die Gefahr, dass mit regelmässigem Gebrauch die Kopfwehfrequenz zunimmt («medication overuse headache»).

Interaktionen

Propranolol (Inderal® u.a.) und Verapamil (Isoptin® u.a.), beides Medikamente, die zur Migräneprophylaxe verwendet werden, vermindern die Clearance von Almotriptan. Dasselbe wurde mit dem MAO-A-Hemmer Moclobemid (Aurorix® u.a.), dem CYP3A4-Hemmer Ketoconazol (Nizoral®) und in geringerem Mass mit dem CYP2D6-Hemmer Fluoxetin (Fluctine® u.a.) festgestellt. Klinische Konsequenzen scheinen diese pharmakokinetischen Interaktionen jedoch kaum zu haben.

Die Kombination von Triptanen mit Ergot-Derivaten erhöht das Risiko von Vasospasmen und ist kontraindiziert.

Ob Triptane zusammen mit Antidepressiva, welche die Serotonin-Wiederaufnahme hemmen, ein Serotoninsyndrom hervorrufen können, ist noch nicht abschliessend geklärt.10

Dosierung, Verabreichung, Kosten

Almotriptan (Almogran®) ist kassenzulässig und wird als Tabletten zu 12,5 mg angeboten. Beim Auftreten von Migränekopfschmerzen soll eine Tablette genommen werden; falls die Kopfschmerzen wiederkehren, kann frühestens nach 2 Stunden auf eine zweite Tablette zurückgegriffen werden (maximal 2 Tabletten innerhalb von 24 Stunden, bei schwerer Niereninsuffizienz 1 Tablette). Bei koronarer Herzkrankheit, schwerer arterieller Hypertonie und fortgeschrittener Leberfunktionsstörung sollte Almotriptan nicht verwendet werden. Von einer Anwendung in der Schwangerschaft oder Stillzeit wird mangels Daten abgeraten.

Der Tablettenpreis von Almotriptan beträgt CHF 8.30 bis 10.35 (abhängig von der Packungsgrösse). Sumatriptan-Generika sind zum Preis von CHF 5.10 pro Tablette erhältlich, das teuerste Triptan (Rizatriptan, Maxalt®) kostet CHF 13.70 pro Tablette.

Kommentar

Dass bei Almotriptan in einem der beiden Direktvergleiche ein bisschen weniger Nebenwirkungen aufgetreten sind als bei Sumatriptan, wird in der Reklame sicher aufgegriffen werden. Allerdings besass die Studie zuwenig «Power», um hier eine wirkliche Differenz aufzuzeigen. Von den kinetischen Eigenschaften her bietet Almotriptan nichts, was man beim einen oder anderen Triptan nicht auch antreffen würde. Gäbe es von Sumatriptan nicht ein Generikum, liesse sich Almotriptan wenigstens als relativ kostengünstiges Triptan anpreisen. Doch so liest sich die Affiche der Herstellerfirma, die einen «neuen Meilenstein in der Migränetherapie» ankündigt, als ein etwas weit hergeholtes Versprechen. Literatur

Standpunkte und Meinungen

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Almotriptan (16. April 2008)
Copyright © 2024 Infomed-Verlags-AG
pharma-kritik, 29/No. 17
PK199
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