Nebenwirkungen aktuell

ALENDRONAT

Bisphosphonate spielen heute in der Behandlung der Osteoporose und von tumorbedingten Knochenerkran-kungen eine wichtige Rolle. Alendronat ist die Sub-stanz, zu der die meisten Erfahrungen vorliegen. Es wundert nicht, dass deshalb auch verhältnismässig zahlreiche und vielfältige Berichte zu Alendronat-Nebenwirkungen vorliegen.

Übersichten zu den Bisphosphonaten: Masche UP. pharma-kritik 2006; 28: 17-20
Sambrook P, Cooper C. Lancet 2006; 367: 2010-8
[Medline]
Ross JR et al. BMJ 2003; 327: 469-75 [Medline]

Markenname (Monopräparat): Alendronat = Fosamax®. Von Alendronat gibt es auch mehrere Generika.


Atypische Femurfrakturen
Bei 15 Frauen, die nach der Menopause während durchschnittlich 5½ Jahren Alendronat erhalten hatten, kam es nach einem unbedeutenden Sturz (z.B. aus dem Stehen) zu Femurfrakturen im subtrochanterischen oder proximalen Diaphysenbereich. Drei der Frauen hatten zudem eine Anamnese einer Fraktur des kontralateralen Femurs. In 10 Fällen fand sich ein charakteristisches Röntgenbild, das eine einfache quere oder schräge Fraktur und eine diffuse Kortexverdickung am proximalen Femurschaft zeigte. Diese Frauen hatten Alendronat schon besonders lange eingenommen (durchschnittlich während 7,3 Jahren). Allgemein sind atypische Femurfrakturen bei Frauen nach der Menopause relativ selten und entsprechen nur etwa 6% der osteoporotischen Frakturen im Hüftbereich.
Lenart BA et al. N Engl J Med 2008; 358: 1304-5 [Medline]

Im Zeitraum von 20 Monaten wurden in einem Spital in Singapur 17 Frauen mit einer atypischen subtrochanterischen Femurfraktur identifiziert. Diese Patientinnen hatten durchschnittlich während 4,8 Jahren Alendronat eingenommen. Im Röntgenbild liessen sich Zeichen einer Insuffizienz-Stressfraktur mit lateraler Kortexverdickung, Querfraktur und einer medialen Zacke erkennen. Neun der 17 Frauen hatten auch im Bereich des kontralateralen Femurs Stresszeichen, 13 hatten schon vor dem Ereignis Schmerzen im Hüftbereich.
Kwek EBK et al. Injury 2008; 39: 224-31 [Medline]

Die Akten eines chirurgischen Zentrums in New York wurden für den Zeitraum zwischen 2002 und 2007 retrospektiv nach Femurschaftfrakturen durchsucht. 70 solche Frakturen wurden gefunden (59 Frauen und 11 Männer, Durchschnittsalter 75 Jahre). Bei der Mehrzahl der 25 Personen, die mit Alendronat behandelt worden waren, fand sich ein typisches Röntgenbild (Querfraktur im Bereich eines hypertrophierten Femurschafts mit einseitiger Zacke). Mit einer Ausnahme boten alle anderen Femurfrakturen ein anderes Bild; somit ist diese Art von Fraktur spezifisch für Personen, die längere Zeit mit Alendronat behandelt wurden. Die Autoren des Berichtes nehmen an, es handle sich bei den Frakturen um die Erweiterung von kleinen Stressfrakturen, die infolge der Alendronat-Einwirkung mit verminderter Osteoklastenaktivität und gestörter Heilung von geringfügigen Knochenschäden entstehen.
Neviaser AS et al. J Orthop Trauma 2008; 22: 346-50 [Medline]


Kieferknochennekrosen
Bei einer 65-jährigen Frau, die wegen einer Arthritis seit mehr als 10 Jahren mit Alendronat behandelt worden war, wurden mehrere Zahnimplantate eingesetzt. Sechs Wochen später meldete sie sich beim Zahnarzt mit einer fluktuierenden Schwellung im Bereich von zwei Implantaten im Unterkiefer. Es handelte sich um einen Eiterherd, der punktiert wurde. Die Patientin erhielt Azithromycin (Zithromax® u.a.). Später wurde eine operative Sanierung (Curettage des Knochens, lokale Antibiotikaapplikation, Reparatur des Knochendefekts) durchgeführt. Die Patientin hatte dann noch während Wochen Probleme, da sich noch kleine Knochensequester bildeten, die zum Teil entfernt werden mussten. Schliesslich verschwand jedoch der Knochendefekt.
Wang HL et al. J Periodontol 2007; 78: 584-94 [Medline]

Elf Frauen, die während Jahren mit Alendronat (einmal wöchentlich 70 mg) behandelt worden waren, erkrankten an einer Nekrose des Kieferknochens. Unmittelbarer Anlass für die Komplikation waren Zahnextraktionen, die Insertion von Implantaten oder lokale Traumen wegen schlecht sitzender Prothesen. Die Patientinnen mussten während längerer Zeit antibiotisch (mit Amoxicillin [Clamoxyl® oder Generika] bzw. mit Doxycyclin [Vibramycin® oder Generika]) behandelt werden. Einige mussten hospitalisiert werden; in vielen Fällen war eine chirurgische Intervention notwendig. Nur in drei Fällen kam es zu einer befriedigenden Heilung mit Schmerzfreiheit.
Yarom N et al. Osteoporosis Int 2007; 18: 1363-70 [Medline]

Synovitis
Bei einer 62-jährigen Frau, die wegen einer Osteoporose behandelt werden musste, kam es eine Woche nach der allerersten Wochendosis von Alendronat (70 mg) zu einer Schwellung des Gesichts und der Hände, Knie und Füsse. Sie führte die Behandlung zunächst dennoch weiter, die Symptome wurden jedoch allmählich schlimmer. Nach der dritten Dosis meldete sie sich bei ihrem Arzt, der eine symmetrische Synovitis der Finger, der Hände, der Knöchel und der Knie feststellte. Sowohl das Creaktive Protein (CRP, 119 mg/l) als auch die Blutsenkung (74 mm/h) waren erhöht; es fand sich auch ein positiver Anti-dsDNA-Titer (60 IE/ml). Alendronat wurde gestoppt und eine Behandlung mit Prednisolon begonnen, worauf sich die Symptome allmählich weitgehend zurückbildeten. Die Patientin hatte allerdings 14 Monate später immer noch Synovitis-Symptome.
Frederiksen L et al. Ugeskr Laeger 2007; 169: 1583-4 [Medline]

Sechs Frauen, die mit Alendronat (einmal wöchentlich 70 mg oder einmal täglich 10 mg) behandelt wurden, erkrankten an einer Synovitis. Diese manifestierte sich innerhalb von wenigen Tagen bis Wochen nach dem Beginn der Behandlung. In vier Fällen waren die Knie betroffen, die (zum Teil sehr stark) geschwollen, gerötet und schmerzhaft waren. Aber auch die Finger- und Handgelenke waren oft entzündet. Nach dem Absetzen von Alendronat klangen die Beschwerden in der Regel wieder ab. Bei mehreren Patientinnen wurde versucht, das Me-dikament später erneut zu verabreichen, was aber jedes Mal von einem Rückfall der Synovitis gefolgt war. In einem Fall, bei einer 66-jährigen Frau, waren die Beschwerden trotz einer vorübergehenden Behandlung mit Kortikosteroiden auch nach einem Jahr nicht verschwunden.
Gwynne Jones DP et al. J Rheumatol 2008; 35: 537-8 [Medline]

Knochen- und Muskelschmerzen
Die amerikanische Arzneimittelbehörde (FDA) hat zwischen September 1995 und November 2002 118 Berichte zu starken Knochen-, Gelenk- und Muskelschmerzen unter Alendronat erhalten. Meistens traten die Beschwerden schon bald nach Beginn der Behandlung (median nach 2 Wochen) auf. Die Schmerzen betrafen beliebige Körperregionen oder den ganzen Körper und wurden oft als «extrem» oder als schwere Behinderung beschrieben. Ein Teil der Betroffenen verspürte sogleich eine Besserung, nachdem Alendronat abgesetzt worden war. In den meisten Fällen dauerte es aber längere Zeit, bis die Beschwerden deutlich zurückgingen.
Wysowski DK, Chang JT. Arch Intern Med 2005; 165: 346-7 [Medline]

Vorhofflimmern
Da in einer Studie die mit Zoledronat (Aclasta®, Zometa®) behandelten Frauen ein höheres Risiko aufwiesen, an einem Vorhofflimmern zu erkranken, wurde eine Fall-Kontroll-Studie mit der Frage nach Vorhofflimmern unter Alendronat durchgeführt. In einer grossen Gesundheitsorganisation im amerikanischen Staat Washington wurden diejenigen Frauen identifiziert, bei denen zwischen Oktober 2001 und Dezember 2004 ein Vorhofflimmern diagnostiziert worden war. Es fanden sich 719 Fälle von Vorhofflimmern, die mit 966 Kontrollpersonen ohne Vorhofflimmern verglichen wurden. Frauen mit Vorhofflimmern hatten häufiger (in 6,5%) Alendronat erhalten als solche ohne diese Rhythmusstörung (4,1%). Nach Korrektur für verschiedene andere Variablen lässt sich im Vergleich mit Personen, die nie Bisphosphonate erhalten haben, für mit Alendronat Behandelte ein signifikant erhöhtes Risiko eines Vorhofflimmerns errechnen («odds ratio» 1,86, 95%-Vertrauensintervall 1,09-3,15).
Heckbert SR et al. Arch Intern Med 2008; 168: 826-31 [Medline]

Bei den in den letzten Jahren erkannten Problemen mit Alendronat kann man solche, die sofort oder nach kurzer Verabreichungsdauer auftreten (Muskelschmerzen, Synovitis) von Langzeitfolgen (Kieferknochennekrosen, atypische Femurfrakturen) unterscheiden. Noch bestehen Zweifel, ob Alendronat tatsächlich für ein Vorhofflimmern verantwortlich sein kann. Gemäss einer dänischen Fall-Kontroll-Studie, in der allerdings nur 435 Fälle von Vorhofflimmern erfasst wurden, würden Bisphosphonate nicht mit einem Vorhofflimmern assoziiert sein.1 In dieser Studie wurde aber sowohl Alendronat als auch Etidronat (Didronel®, in der Schweiz nicht zur Osteoporose-Behandlung zugelassen) berücksichtigt, was die Aussagekraft der Studie bezüglich Alendronat möglicherweise reduziert.

Dabei muss man jedoch bedenken, dass vielleicht gar nicht so grosse Unterschiede zwischen verschiedenen Bisphosphonaten bestehen. Gemäss der Statistik der FDA kommen z.B. Muskelschmerzen auch unter Risedronat (Actonel®) vor. Die FDA bezieht jedenfalls zur Frage des Vorhofflimmerns alle Bisphosphonate in ihre Untersuchungen mit ein.2 In Anbetracht der Tatsache, dass die Bisphosphonate ungewöhnlich lange im Körper verweilen, würde es mich nicht überraschen, wenn in den nächsten Jahren noch weitere Probleme mit Alendronat und anderen Bisphosphonaten identifiziert würden.

1 Sørensen HAT et al. BMJ 2008; 336: 813-6 [Medline]
2 http://www.fda.gov/cder/drug/early_comm/bisphosphonates.htm

MOXIFLOXACIN

Moxifloxacin ist ein Fluorochinolon der «vierten Generation», das zur Behandlung von Infektionen der Atemwege verwendet werden kann.

Über die Eigenschaften von Moxifloxacin informieren u.a. die folgenden Texte:
Keating GM, Scott LJ. Drugs 2004; 64: 2347-77 [Medline]

Miravitlles M. Expert Opin Pharmacother 2005; 6: 283-93 [Medline]

Markenname: Moxifloxacin = Avalox®

Toxische epidermale Nekrolyse und Leberversagen
Eine 23-jährige Frau, die wegen einer Infektion der oberen Luftwege mit Moxifloxacin behandelt wurde, hatte eine akute allergische Arzneimittelreaktion: Drei Tage nach Beginn der Behandlung mit Moxifloxacin wurde dieses Medikament wegen eines morbiliformen Ausschlages am Abdomen mit Bauchschmerzen, Erbrechen und Fieber abgesetzt. Eine Laboruntersuchung ergab erhöhte Transaminasen-Werte. Die Frau wurde hospitalisiert; das Exanthem breitete sich weiter aus und es kam zu einer ausgedehnten Blasenbildung und zur Desquamation im Bereich der Schleimhäute. Eine Hautbiopsie zeigte eine ausgeprägte epidermale Nekrose mit perivaskulären Lymphozyteninfiltraten, entsprechend dem Bild einer toxischen epidermalen Nekrolyse. Die Patientin erhielt hochdo-siertes Immunglobulin, worauf sich der Hautbefund stabilisierte. Dagegen verschlechterte sich der Allgemeinzustand der Patientin; sie benötigte respiratorische Unterstützung und pressorische Medikamente. Wegen zunehmendem Leberversagen wurde eine Lebertransplantation durchgeführt, die jedoch den Tod der Patientin, 14 Tage nach Beginn der Moxifloxacin-Behandlung, nicht verhindern konnte.
Nori S et al. Arch Dermatol 2004; 140: 1537-8 [Medline]

Gemäss den Mitteilungen der europäischen Arzneimittelbehörde (EMEA) sind acht durch Leberversagen verursachte Todesfälle bekannt, die wahrscheinlich von Moxifloxacin ausgelöst wurden. Ausserdem wurden unter Moxifloxacin mindestens 35 Fälle von gefährlichen Hautreaktionen (Stevens-Johnson-Syndrom und toxische epidermale Nekrolyse) beobachtet. Auch in diesem Zusammenhang ist es zu einzelnen Todesfällen gekommen. Die Behörde empfiehlt deshalb, Moxifloxacin nur noch einzusetzen, wenn keine anderen Antibiotika verwendet werden können oder (bei akuter Sinusitis oder akuten Exazerbationen einer chronischen Bronchitis) nicht mehr wirksam sind.
http://www.emea.europa.eu/pdfs/human/press/pr/Q&A_Moxifloxacin_38045408en.pdf

Wenn man bedenkt, dass Moxifloxacin nicht nur die hier referierten Probleme, sondern noch weitere allergische Reaktionen, Durchfall sowie ein langes QT-Syndrom mit «torsades de pointes» verursachen kann, so fällt es schwer, noch einen sinnvollen Platz für dieses Medikament zu sehen. Neuere Fluorochinolone scheinen nicht selten Probleme zu verursachen; ich erinnere an Grepafloxacin (Raxar®), Sparfloxacin (Zagam®) und Trovafloxacin (Trovan®), die alle wieder verschwunden sind.

ÖSTROGENSUBSTITUTION

Über die Problematik der sogen. Hormonsubstitution in der Menopause haben wir zwischen 1997 und 2003 wiederholt berichtet; die entsprechenden Texte finden sich im Internet (http://www.infomed.org/pharma-kritik/oestrogen.php). Fünf Jahre später kann man sich fragen, ob die damalige Beurteilung nennenswert modifiziert werden muss, weshalb im Folgenden einige neuere Arbeiten referiert werden.

In der Schweiz sind zur Zeit 15 orale Präparate und 6 verschiedene Hautpflaster erhältlich, die Estradiol und ein Gestagen enthalten und zur «Hormonsubstitution» zugelassen sind. Die früher häufig verwendeten Stutenharnpräparate (Premarin® usw.) sind in der Schweiz und mehreren anderen europäischen Ländern vom Markt verschwunden.


Ovarialkarzinom
In der britischen «Million Women Study» werden von Frauen nach der Menopause langfristig Daten zu Krebserkrankungen und Todesfällen erfasst. Initial und drei Jahre nach der Aufnahme in die Studie füllten die Frauen Fragebogen aus, die über ihre Lebensumstände und -gewohnheiten, insbesondere auch über die Einnahme von Hormonpräparaten, Auskunft vermit-teln. Von knapp 950'000 Frauen, die keine Krebsanamnese hatten und die nicht ovarektomiert waren, erkrankten innerhalb von durchschnittlich 5 Jahren 2’273 an einem Ovarialkarzinom und im Zeitraum von 7 Jahren starben 1’591 an dieser Krankheit. Frauen, die Hormonpräparate einnahmen («current users»), hatten ein signifikant höheres Risiko, an einem Ovarialkrebs zu erkranken und zu sterben (relatives Erkrankungsrisiko 1,20, 95%-Vertrauensintervall 1,09-1,32) als Frauen, die nie Hormone einnahmen. Je länger die Hormonsubstitution andauerte, desto höher war das Krebsrisiko: Frauen, die während 10 oder mehr Jahren Hormone nahmen, hatten ein relatives Risiko von 1,31 (95%-Vertrauensintervall 1,21-1,53). Zwi-schen verschiedenen Hormonpräparaten und Anwendungsmodalitäten fanden sich keine signifikanten Unterschiede. Für Frauen, die mit der Hormonsubstitution aufgehört hatten («past users») fand sich kein erhöhtes Risiko. Aufgrund dieser Resultate kann angenommen werden, dass die Verabreichung von Hormonen nach der Menopause seit 1991 in Grossbritannien zu etwa 1'300 zusätzlichen Ovarialkarzinomen und zu 1'000 zusätzlichen Todesfällen geführt hat.
Beral V et al. Lancet 2007; 369: 1703-10 [Medline]

Mammakarzinom
Nachdem im Juli 2002 die wichtigsten Resultate der «Women’s Health Initiative» veröffentlicht worden waren, nahm die Anwendung von Hormonpräparaten in den USA deutlich ab. Im folgenden Jahr konnte im Vergleich mit dem Vorjahr eine Abnahme der Brustkrebs-Inzidenz von fast 7% festgestellt werden, im Jahr 2004 blieb die Zahl ungefähr auf demselben Niveau. Diese Abnahme der Brustkrebsfälle beschränkte sich auf Frauen über 50 und betraf in erster Linie Mammakarzinome mit nachweisbaren Östrogenrezeptoren. Während in den 1980-er und 1990-er Jahren die Brustkrebsfälle zunahmen, konnte nach dem Rückgang der Hormonanwendung auch eine Abnahme der Krebsinzidenz festgestellt werden.
Ravdin PM et al. N Engl J Med 2007; 356: 1670-4 [Medline]

In einer grossen deutschen Fall-Kontroll-Studie (3'464 Brustkrebsfälle) wurde der Einfluss verschiedener Hormontherapien auf das Brustkrebsrisiko untersucht. Gesamthaft war das Risiko eines invasiven Mammakarzinoms für Frauen, die aktuell behandelt wurden («current users») im Vergleich mit Frauen, die nie Hormone erhalten hatten, signifikant erhöht («odds ratio» von 1,73, 95%-Vertrauensintervall 1,55-1,94). Das Risiko war besonders hoch für Frauen, die ein kombiniertes Östrogen-Gestagenpräparat nahmen («odds ratio» von 1,99); unter Östrogen-Monopräparaten war die Risikoerhöhung kleiner («odds ratio» von 1,15). Unter Hormontherapie waren besonders lobuläre und tubuläre Formen des Mammakarzinoms gehäuft. Je länger die Hormoneinnahme dauerte, desto höher war das Brustkrebsrisiko. Fünf Jahre nach dem Absetzen der Hormone war kein erhöhtes Risiko mehr feststellbar. In Bezug auf den Gestagen-Typ fand sich im Vergleich zu Präparaten mit Progesteron-Derivaten ein höheres Risiko für Präparate, die Norethisteron oder Levonorgestrel enthielten.
Flesch-Janys D et al. Int J Cancer 2008; 123: 933-41 [Medline]

Thromboembolische Ereignisse
In zwei Meta-Analysen wurden einerseits die Ergebnisse von 8 Beobachtungsstudien, anderseits diejenigen von 9 randomisierten «Hormonsubstitutions»-Studien hinsichtlich thromboembolischer Ereignisse zusammengefasst: Für Frauen, die mit oralen Präparaten behandelt wurden («current users»), lag gegenüber unbehandelten Frauen die «odds ratio» eines thromboembolischen Ereignisses gemäss den Beobachtungsstudien bei 2,5 (95%-Vertrauensintervall 1,9-3,4), gemäss den randomisierten Studien bei 2,1 (1,4-3,1). Frauen, die prothrombotische Mutationen aufwiesen (z.B. Faktor V Leiden) sowie solche, die übergewichtig waren, hatten ein höheres Thromboembolie-Risiko. Die Meta-Analyse der transdermalen Hormonsubstitution beruht auf nur 4 Beobachtungsstudien, in denen aber schwergewichtig der orale Behandlungsmodus erfasst wurde. Die vergleichsweise sehr kleinen Fallzahlen lassen nicht auf eine signifikante Häufung thromboembolischer Ereignisse unter transdermaler Therapie schliessen. Ob sich dies in grösseren und randomisierten Studien bestätigen würde, ist völlig offen.
Canonico M et al. BMJ 2008; 336: 1227-31 [Medline]

Schlaganfälle
In der grossen, prospektiven Kohortenstudie bei amerikanischen Krankenschwestern («Nurses’ Health Study») werden seit 1980 auch Angaben zur Verwendung von Hormonpräparaten erfasst. Frühere Analysen von Daten aus dieser Studie hatten bereits ein erhöhtes Risiko für Schlaganfälle unter Hormonsubstitution ergeben. Gemäss der nun vorliegenden neuen Analyse haben Frauen, die ein Hormonpräparat einnehmen, im Vergleich mit Frauen, die nie Hormone einnahmen, ein signifikant erhöhtes Schlaganfall-Risiko: enthält das Präparat nur Östrogen, dann beträgt das relative Risiko 1,39 (95%-Vertrauensintervall 1,18-1,63), handelt es sich um eine Kombination von Östrogen und Gestagen, so ist das relative Risiko etwas kleiner (1,27, 1,04-1,56). Frauen, bei denen die Hormon-behandlung schon früh begonnen wurde, und solche, die erst später so behandelt werden, haben ein ähnliches Risiko. Bei jüngeren Frauen und nach einer Verabreichung von weniger als 5 Jahren kann noch keine Zunahme der Schlaganfälle gefunden werden.
Grodstein F et al. Arch Intern Med 2008; 168: 861-6 [Medline]

Gallensteine
Die Frauen, die an der bereits erwähnten «Million Women Study» teilnehmen, werden auch hinsichtlich Gallenblasen-Erkrankungen beobachtet. Im Zeitraum von durchschnittlich 6 Jahren wurden 19'889 Frauen wegen einer Erkrankung der Gallenblase hospitalisiert; bei 86% dieser Patientinnen wurde eine Cholezystektomie vorgenommen. Frauen, die Hormonpräparate verwendeten («current users»), hatten im Vergleich mit Frauen, die nie Hormone einnahmen, ein signifikant er-höhtes Risiko einer Gallenblasen-Erkrankung (1,64, 95%-Vertrauensintervall 1,58-1,69). Knapp 18% der Frauen mit Hormonsubstitution verwendeten Hormonpflaster; bei diesen fand sich ein weniger stark erhöhtes Risiko (1,17, 1,10-1,24).
Liu B et al. BMJ 2008; 337: a386 [Medline]

Wer vor ein paar Jahren noch geglaubt hat, die unvorteilhafte Bilanz einer Hormonsubstitution beziehe sich nur gerade auf die in den Studien der «Women’s Health Initiative» verwendeten Präparate mit konjugierten Östrogenen und Medroxyprogesteron, sollte heute eines Besseren belehrt sein. Die in den letzten Jahren veröffentlichten Studien bestätigen klar, dass Frauen, die nach der Menopause längerfristig Hormonpräparate erhalten, von dieser Behandlung mehr Nachteile als Vorteile haben. So kann z.B. nicht bezweifelt werden, dass auch – wie in der oben referierten Studie – die in Deutschland verwendeten Präparate das Brustkrebsrisiko erhöhen. Die Risiken sind wohl generell durch die Dosis der verabreichten Hormone und durch die Behandlungsdauer determiniert. Was die transdermale Applikation anbelangt, ist zunächst festzuhalten, dass auch heute noch keine einzige randomisierte Studie existiert, in der anhand von harten klinischen Endpunkten Vorteile dieser Verabreichungsart nachgewiesen worden wären. Daten aus der «Million Women Study» lassen vermuten, Hormonpflaster verursachten seltener als orale Präparate Erkrankungen der Gallenblase. In der gleichen Kohorte konnte jedoch bezüglich Brust- und Ova-rialkarzinomen kein Unterschied zwischen oralen und transdermalen Präparaten gefunden werden. Auch die für die Hormonpflaster günstigeren Resultate der Meta-Analyse zu den thromboembolischen Ereignissen müssen mit grosser Zurückhaltung interpretiert werden, da sie auf sehr kleinen Zahlen beruhen.

Standpunkte und Meinungen

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Nebenwirkungen aktuell (8. August 2008)
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pharma-kritik, 30/No. 4
PK228
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