Risedronat
- Autor(en): Ariane de Luca, Etzel Gysling
- pharma-kritik-Jahrgang 23
, Nummer 05, PK264
Redaktionsschluss: 14. August 2001
DOI: https://doi.org/10.37667/pk.2001.264 - PDF-Download der Printversion dieser pharma-kritik Nummer
Synopsis
Risedronat (Risedronsäure, Actonel®) wird zur Behandlung der Osteoporose bei Frauen nach der Menopause oder infolge einer Kortikosteroidbehandlung sowie bei Morbus Paget empfohlen.
Chemie/Pharmakologie
Risedronat gehört zu den Bisphosphonaten, synthetischen Pyrophosphat-Derivaten, die eine hohe Affinität zu Hydroxyapatitkristallen haben. Pyrophosphat wird durch Phosphatasen rasch abgebaut, Bisphosphonate dagegen sind biologisch stabiler. Die Wirkung der Bisphosphonate beruht im wesentlichen auf der Hemmung der Osteoklasten, woraus sich eine reduzierte Knochenresorption ergibt. Weitere mögliche Wirkungsmechanismen sind von geringerer oder ungeklärter Bedeutung.(lit)
Pharmakokinetik
Bei Einnahme von Risedronat auf nüchternen Magen konnten bei gesunden Versuchspersonen nach knapp einer Stunde maximale Plasmaspiegel gemessen werden. Die Nahrung hat einen starken Einfluss auf die Resorption von Risedronat. So ist die systemisch verfügbare Arzneimittelmenge ("area under the curve") ähnlich, wenn das Medikament eine halbe Stunde vor dem Frühstück oder 2 Stunden nach dem Nachtessen eingenommen wird. Längeres Fasten (d.h. Frühstücken erst 1 bis 4 Stunden nach Risedronat-Einnahme) erhöht die Resorption bis auf das Doppelte.(2) Die Herstellerfirma bezeichnet die biologische Verfügbarkeit als durchschnittlich "kleiner als 1%". Wichtig ist auch, dass das Medikament nur mit (genügend) Wasser eingenommen wird. Wie andere Bisphosphonate wird Risedronat nicht metabolisch verändert. Die Ausscheidung erfolgt in mehreren Phasen. Die initiale Halbwertszeit beträgt 1,5 Stunden, die terminale Eliminationshalbwertszeit etwa drei Wochen (was eine allmähliche Freisetzung aus dem Skelett widerspiegelt).(2) Nach Firmenangaben ist bei einer Kreatininclearance von mehr als 30 ml/min keine Dosisanpassung notwendig.
Klinische Studien
Osteoporose bei Frauen nach der Menopause
In einigen Studien wurde in erster Linie die Auswirkung von Risedronat (2,5 oder 5 mg/Tag) auf die Knochendichte untersucht. Risedronat führte in der Regel zu einer Zunahme der Knochendichte, die jedoch gegenüber Placebo oft nur bei einer Tagesdosis von 5 mg ein signifikantes Ausmass hatte.(2) In einer weiteren Studie wurde ein Östrogenpräparat (Premarin® 0,625 mg) mit der Kombination von Premarin® und Risedronat (5 mg/Tag) verglichen, allerdings ohne Placebokontrolle. Die kombinierte Behandlung ergab an einzelnen Stellen des Skeletts eine höhere Knochendichte als die Behandlung mit Östrogen allein.(3)
Interessanter sind die Studien, in denen auch die Inzidenz von Frakturen untersucht wurde. Dabei ist vorauszuschicken, dass in diesen Studien jeweils neben Risedronat oder Placebo immer auch 1 g Calcium täglich und vielen Frauen auch Colecalciferol (Vitamin D3) verabreicht wurde.
In einer 3jährigen Doppelblindstudie wurde die Wirksamkeit von Risedronat auf die Inzidenz von Wirbelfrakturen geprüft. Frauen wurden frühestens 5 Jahre nach der Menopause in die Studie aufgenommen, wenn sie mindestens eine radiologisch nachweisbare Wirbelfraktur hatten. 813 Frauen erhielten täglich 5 mg Risedronat, 815 erhielten Placebo. Unter Risedronat kam es während drei Jahren bei 11%, unter Placebo bei 16% (signifikant häufiger) zu einer neuen Wirbelfraktur. Der Unterschied war im ersten Behandlungsjahr am grössten. Auch nicht-vertebrale Frakturen waren unter 5 mg Risedronat signifikant seltener (n=33) als unter Placebo (n=52). Im Vergleich mit Placebo stieg zudem die Knochendichte in der mit Risedronat behandelten Gruppe an.(4)
In einer weiteren Doppelblindstudie wurden Frauen behandelt, die - wenigstens 5 Jahre nach der Menopause - zwei oder mehr Wirbelfrakturen hatten. Mit Röntgenbildern der thorakolumbalen Wirbelsäule wurde in regelmässigen Abständen nach neuen Wirbelfrakturen gesucht. Nach drei Jahren hatten 18% von 344 mit Risedronat (5 mg/Tag) behandelten Frauen mindestens eine zusätzliche Wirbelfraktur erlitten, in der Placebogruppe waren es signifikant mehr, nämlich 29% von 346. Um eine weitere Wirbelfraktur zu verhindern, mussten also 10 Frauen während 3 Jahren behandelt werden. Die Inzidenz nicht-vertebraler Frakturen wurde von Risedronat nicht signifikant beeinflusst.(5) Gemäss einem Abstract wurde diese Studie bei einem nicht genauer definierten Teil der Frauen (n=265) während 2 Jahren kontrolliert weitergeführt, wobei auch in der Verlängerung unter Risedronat signifikant weniger Wirbelfrakturen auftraten.
Eine grosse Doppelblindstudie bei betagten Frauen diente dem Nachweis der Wirkung gegen Femurfrakturen (Schenkelhals-, intertrochantäre und Femurkopffrakturen). Eine Gruppe umfasste 5445 Frauen im Alter zwischen 70 und 79 mit einer densitometrisch nachgewiesenen Osteoporose ("T score" unter -3); in einer weiteren Gruppe wurden 3886 Frauen ab 80 Jahren behandelt, die eine Osteoporose oder einen skelettunabhängigen Risikofaktor für eine Femurfraktur hatten. Die Hälfte der aktiv behandelten Frauen erhielt 2,5 mg, die andere Hälfte 5 mg Risedronat täglich. Bei den jüngeren Frauen kam es unter Risedronat (beide Dosierungen zusammen) bei 1,9%, unter Placebo bei 3,2% - signifikant häufiger - zu einer Femurfraktur. Bei den älteren Frauen waren dagegen Femurfrakturen in der Risedronatgruppe ähnlich häufig (4,2%) wie in der Placebogruppe (5,1%).6* Die hier beschriebenen Dreijahresstudien haben eine Reihe von methodologischen Schwächen, die ihre Aussagekraft reduzieren. In allen Studien blieben jeweils nur etwa 50 bis 60% der Beteiligten bis zum Ende in der Studie. Genaue Angaben zur Mortalität der betagten Frauen fehlen (Todesfälle stellen lediglich einen Teil der "serious adverse effects" dar, die in den verschiedenen Gruppen 27 bis 37% der Frauen betrafen). In allen drei Studien wurde ein Teil der Frauen nur mit 2,5 mg Risedronat täglich behandelt: In einer wurden nachträglich die Resultate der 2,5-mg- und der 5-mg-Gruppe kombiniert.(6) In den zwei anderen Studien wurde die Behandlung mit der niedrigeren Dosis vorzeitig abgebrochen, Dreijahresresultate werden für diese Patientinnen aber nicht rapportiert.(lit)
Steroidinduzierte Osteoporose
In einer amerikanischen Doppelblindstudie erhielten 224 Personen, bei denen eine Kortikosteroidtherapie in einer Tagesdosis von mindestens 7,5 mg Prednison begonnen wurde, Risedronat (2,5 oder 5 mg/Tag) oder Placebo. Nach 12 Monaten hatte sich unter Risedronat die Knochendichte im Bereich der Lendenwirbelsäule nicht signifikant verändert, während sie unter Placebo abgenommen hatte. Zwischen der 5-mg-Risedronatgruppe und der Placebogruppe fand sich ein signifikanter Unterschied an der Lendenwirbelsäule, am Schenkelhals und am Trochanter.(7)
Morbus Paget
Bei Morbus Paget wurde in einem doppelblinden Vergleich zwischen Risedronat (30 mg/Tag, während 2 Monaten) und Etidronat (Didronel®, 400 mg/Tag, während 6 Monaten) die alkalische Phosphatase im Plasma und die Deoxypyridinolin-Ausscheidung im Urin während 12 bis 18 Monaten überwacht. Risedronat war rascher und stärker wirksam; auch hielt seine Wirkung länger an als diejenige der relativ niedrigen Etidronatdosis.(lit)
Unerwünschte Wirkungen
Bisphosphonate können Ösophagusulzerationen verursachen. Bisher vorliegende Daten zu Risedronat haben jedoch keine Hinweise ergeben, dass das Medikament (bei vorschriftsgemässer Einnahme) in dieser Hinsicht problematisch wäre. Anderseits sind solche Probleme bei Alendronat (Fosamax®) erst bekannt geworden, nachdem das Medikament eingeführt worden war. In einer zweiwöchigen randomisierten Studie wurden die Auswirkungen von üblichen Dosen von Risedronat und Alendronat bei 515 Frauen endoskopisch untersucht: Risedronat verursachte weniger Magenulzera (bei 4%) als Alendronat (13%).(10) Ob es sich um einen Unterschied handelt, der auch bei längerfristiger Anwendung bedeutsam ist, ist bisher nicht bekannt. Im Bereich des Ösophagus und des Duodenums zeigte die Studie keinen signifikanten Unterschied.(10)
In den klinischen Studien waren gastrointestinale Symptome und andere unerwünschte Wirkungen unter Risedronat gesamthaft nicht häufiger als unter Placebo.
Interaktionen
Dosierung, Verabreichung, Kosten
Risedronat (Actonel®) ist als Filmtabletten zu 5 mg und zu 30 mg erhältlich und kassenzulässig. Zur Behandlung und Prävention der Osteoporose beträgt die empfohlene Tagesdosis 5 mg, zur Behandlung des Morbus Paget 30 mg. Wie bei anderen Bis-phosphonaten ist darauf zu achten, dass man die Tabletten in aufrechter Körperhaltung mit genug Wasser (mindestens 2 dl) einnimmt und anschliessend noch für eine halbe Stunde vermeidet, sich niederzulegen. Das Präparat kann mindestens 30 Minuten vor dem Frühstück oder zu einer anderen Tageszeit, jedoch in einem Abstand von mindestens 2 Stunden von Mahlzeiten geschluckt werden. Da keine entsprechenden Untersuchungen vorliegen, sollen schwangere und stillende Frauen und Kinder kein Risedronat nehmen; das Mittel ist auch bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz kontraindiziert.
Die Behandlung einer Osteoporose mit 5 mg Risedronat pro Tag kostet monatlich CHF 65.55, also nur wenig mehr als mit Alendronat (Fosamax®), das monatliche Kosten um 60 Franken verursacht.
Kommentar
Bisphosphonate sind heute als Behandlung einer manifesten Osteoporose anerkannt. Ideal wäre es, wenn sich bei 80jährigen und noch älteren Menschen Femurfrakturen wirksam verhüten liessen, da Femurfrakturen in diesem Alter die gefährlichste Osteoporose-Komplikation darstellen. Dass der Nachweis eines solchen Nutzens aussteht, ist eine bedeutsame Lücke; entsprechend ist der Stellenwert der Bisphosphonate auch heute noch nicht festgelegt. Ob Risedronat (Actonel®), Alendronat (Fosamax®) oder schliesslich noch ein anderes Bisphosphonat vorzuziehen ist, kann vorläufig mangels entsprechenden Vergleichsstudien nicht gesagt werden.
Literatur
- 1) Fleisch H. Endocr Rev 1998; 19: 80-100
- 2) Dunn CJ, Goa KL. Drugs 2001; 61: 685-712
- 3) Harris ST et al. J Clin Endocrinol Metab 2001; 86: 1890-7
- 4) Harris ST et al. JAMA 1999; 282: 1344-52
- 5) Reginster JY et al. Osteoporos Int 2000; 11: 83-91
- 6) McClung MR et al. N Engl J Med 2001; 344: 333-40
- 7) Cohen S et al. Arthritis Rheumatism 1999; 42: 2309-18
- 8) Wallach S et al. Calcif Tissue Int 2000; 67: 277-85
- 9) Miller PD et al. Am J Med 1999; 106: 513-20
- 10) Lanza FL et al. Gastroenterology 2000; 119: 631-8
Standpunkte und Meinungen
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