Buprenorphin-Pflaster

Synopsis

Buprenorphin ist unter dem Namen Transtec® neu als Hautpflaster erhältlich und wird zur Behandlung von mittelstarken bis starken chronischen Schmerzen empfohlen.

Chemie/Pharmakologie

Buprenorphin, ein halbsynthetisches Opioid und ungefähr 25 bis 50mal potenter als Morphin, wirkt an den m-Rezeptoren als Partialagonist und an den k-Rezeptoren als Antagonist. Bei Personen, die unter reinen Opiatagonisten wie Morphin stehen, können höhere Buprenorphin-Dosen Entzugssymptome verursachen. Grundsätzlich zeigt Buprenorphin dieselben Wirkungen wie Morphin; für einzelne Effekte wie zum Beispiel die Atemdepression besteht bei Buprenorphin möglicherweise ein "Ceiling"-Effekt (Abflachung der Dosis-Wirkungs-Kurve im Bereich höherer Dosen). Die analgetische Wirkung von Buprenorphin scheint länger anzuhalten als bei Morphin, wahrscheinlich infolge einer stärkeren Rezeptorbindung.(1,2,3,4)

Buprenorphin wird seit vielen Jahren in Form von Tabletten und Injektionslösung zur sublingualen und parenteralen Verabreichung angeboten (Temgesic®). Da Buprenorphin sehr lipophil ist und eine geringe Molekularmasse besitzt, kann es transdermal verabreicht werden wie zum Beispiel Fentanyl (Durogesic®).

Pharmakokinetik

Das Buprenorphin-Pflaster gibt über mindestens 72eine konstante Wirkstoffmenge ab, die proportional zur Fläche ist (14µg/h pro 10²). Nach dem erstmaligen Aufkleben dauert es zwischen 1224, bis eine analgetisch wirksame, und fast 60Stunden, bis die maximale Plasmakonzentration erreicht ist. Die biologische Verfügbarkeit wird mit 94%, die Plasmaproteinbindung mit 95% angegeben. Buprenorphin wird in der Leber einerseits direkt an Glukuronsäure gebunden, andererseits über eine durch CYP3A4 vermittelte Reaktion zu Norbuprenorphin (N-Dealkylbuprenorphin) oxidiert, einem Metaboliten, der schwach pharmakologisch aktiv ist. Im Darm kann Buprenorphin-Glukuronid hydrolysiert und das freigewordene Buprenorphin reabsorbiert werden (enterohepatischer Kreislauf). Die endgültige Ausscheidung erfolgt zu zwei Dritteln mit dem Stuhl, zu einem Drittel mit dem Urin. Weil beim Pflaster die Absorption sehr langsam ist, stellt sie denjenigen Schritt dar, der den zeitlichen Verlauf der Elimination bestimmt; deshalb ist die Eliminationshalbwertszeit nach transdermaler Verabreichung mit durchschnittlich 30deutlich länger als nach intravenöser Gabe.(3,4)

In welchem zeitlichen Ausmass die Applikationsdauer für ein einzelnes Pflaster über 3 Tage hinaus verlängert werden kann, ist nicht dokumentiert.

Klinische Studien

Innerhalb von klinischen Studien ist das Buprenorphin-Pflaster bei ein paar hundert Personen geprüft worden. Bei gut der Hälfte handelte es sich dabei um Kranke mit Tumorschmerzen, der Rest verteilte sich auf Personen, die an Schmerzen im Bereich des Bewegungsapparates oder an sonstigen chronischen Schmerzen litten. Alle Studienergebnisse sind momentan nur in Publikationen greifbar, die von der Herstellerfirma stammen.

In drei Doppelblindstudien ist das Buprenorphin-Pflaster mit Placebo verglichen worden; das grösste Kollektiv umfassend und am längsten dauernd, kann folgende Untersuchung als die repräsentativste angesehen werden: 152wurden auf vier Gruppen verteilt und erhielten 15lang entweder ein Placebo-Pflaster oder ein Buprenorphin-Pflaster in einer von drei Dosierungen (35, 52,5 bzw. 70µg/h); die Pflaster wurden alle 72gewechselt. Als Schmerzreserve dienten Buprenorphin-Sublingualtabletten zu 0,2. Der Prozentsatz der Personen, die höchstens eine Buprenorphin-Sublingualtablette benötigten, betrug bei Placebo 16%; bei Buprenorphin waren es 37% mit dem 35-µg/h-Pflaster, 48% mit dem 52,5-µg/h-Pflaster und 33% mit dem 70-µg/h-Pflaster. In der Placebo-Gruppe gaben 40% der Personen an, keine oder nur leichte Schmerzen zu haben; die übrigen 60% litten an mässiggradigen bis starken Schmerzen. In den Buprenorphin-Gruppen betrug dieses Verhältnis 47 zu 53% mit dem 35-µg/h-Pflaster, 59 zu 41% mit dem 52,5-µg/h-Pflaster und 62 zu 38% mit dem 70-µg/h-Pflaster.

In einer offenen Studie wurden 235durchschnittlich während fast 5mit einem Buprenorphin-Pflaster (35µg/h) behandelt. 42% der Teilnehmenden erfuhren eine vollständige oder gute Schmerzlinderung, weitere 48% erlebten die Schmerzlinderung als zufriedenstellend. Mehr als die Hälfte der Personen waren mit höchstens einer zusätzlichen Buprenorphin-Sublingualtablette zu 0,2pro Tag ausgekommen.

Unerwünschte Wirkungen

Das Buprenorphin-Pflaster führt einerseits zu systemischen Nebenwirkungen, die dem Wirkstoff anzulasten sind, andererseits zu lokalen Nebenwirkungen, die mit der Applikation als Pflaster zusammenhängen. Bei den systemischen Nebenwirkungen handelt es sich um typische Opioidnebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Obstipation, Schwitzen, Schwindel, Müdigkeit, Sedierung, Kopfschmerzen, Juckreiz, Atemdepression und Halluzinationen. Lokale Nebenwirkungen treten mit einer Inzidenz von 10 bis 20% auf: darunter sind Hautrötungen und Ausschläge, Juckreiz, Brennen sowie Schwellungen.

Wird eine längerfristige Behandlung mit dem Buprenorphin-Pflaster gestoppt, besteht die Möglichkeit von Entzugssymptomen.

Wegen der pharmakologischen Eigenschaften lassen sich die Wirkungen von Buprenorphin - zum Beispiel im Falle einer Überdosierung - nur beschränkt durch den Opiatantagonisten Naloxon (Narcan®) aufheben.

Interaktionen

Die Wirkung von Buprenorphin kann durch die gleichzeitige Einnahme von Alkohol oder anderen zentral dämpfenden Medikamenten verstärkt werden. Ferner wird von einer Kombination mit MAO-Hemmern abgeraten.

Theoretisch können sich die Plasmakonzentrationen von Buprenorphin ändern, wenn Medikamente dazugegeben werden, die CYP3A4 hemmen oder induzieren.

Dosierung, Verabreichung, Kosten

Das Buprenorphin-Pflaster (Transtec®) ist kassenzulässig und wird in drei Grössen angeboten, und zwar als Pflaster, die eine Dosis von 35, 52,5 oder 70µg/h freigeben. Es fällt unter die Betäubungsmittel-Gesetzgebung. Das Buprenorphin-Pflaster ist indiziert bei mittelstarken bis starken Schmerzen, die üblicherweise auf Opioide ansprechen, wobei es sich nicht zur Behandlung akuter Schmerzen eignet. Ein Pflaster bleibt 72lang aufgeklebt und wird dann durch ein neues ersetzt, das an einer anderen Hautstelle appliziert werden soll. Ein aufgeklebtes Pflaster sollte nicht starken äusseren Wärmequellen ausgesetzt werden. Bei Personen, die zuvor keine Opiode erhalten haben, wählt man zu Beginn das 35-µg/h-Pflaster; bei Personen, die mit Opioiden vorbehandelt waren, muss das Buprenorphin-Pflaster in einer äquivalenten Dosis verordnet werden (als ungefähre Äquivalenzdosis werden 17,5µg/h pro 30oral verabreichtem Morphin angegeben); es ist aber zu beachten, dass bei Opioidvorbehandelten nach Gabe von Buprenorphin Entzugssymptome auftreten könnten. Verschiedene Pflastergrössen lassen sich bis zu einer oberen Limite von zwei 70-µg/h-Pflastern beliebig kombinieren. Die Buprenorphin-Pflaster dürfen - im Gegensatz zu anderen, ähnlichen Pflastern - auch zerschnitten werden, was für eine optimale Dosierung hilfreich sein kann. Bei Leberinsuffizienz sollte das Buprenorphin-Pflaster mit der nötigen Vorsicht verabreicht werden - ebenso bei Fieber, da die Resorption zunehmen kann. Bei Kindern und Jugendlichen sowie während der Schwangerschaft und Stillzeit sollte das Buprenorphin-Pflaster nicht eingesetzt werden.

Wird das Pflaster gemäss den offiziellen Instruktionen angewandt, so kostet es zwischen CHF 114.90 und 193.50Monat (je nach Grösse). Beim Fentanyl-Pflaster (Durogesic®) kostet die niedrigste Dosierung (25µg/h) 144.80pro Monat. Wenn ein 70-µg/h-Pflaster zerschnitten und (wahrscheinlich ohne grösseren Wirkungsverlust) vier statt drei Tage belassen wird, ergibt sich die Möglichkeit, eine Monatsbehandlung mit 35 µg/h relativ kostengünstig zu rund 72 Franken durchzuführen. So kommen die Kosten in einen Bereich zu liegen, der sich mit den Kosten einer oralen Behandlung mit einem retardierten Morphin-Präparat (MST®) vergleichen lässt.

Kommentar

Neben Fentanyl steht nun mit Buprenorphin ein weiteres starkes Opioid als Pflaster zur Verfügung. Man weiss um mögliche Vorteile von Schmerzmittel-Pflastern - zum Beispiel dass sie eine einfache Applikation bedeuten und konstantere Plasmaspiegel versprechen. Es stellt sich allerdings die Frage, ob Buprenorphin unter den Opioiden in die enge Wahl gehört: da man bei der Dosierung an obere Grenzen gebunden ist, vermag Buprenorphin bei Kranken mit starken tumorbedingten Schmerzen, die gelegentlich sehr hohe Opioiddosen benötigen, nicht als eine gute Option zu beeindrucken.

Die bisher mit dem Buprenorphin-Pflaster durchgeführten Studien sind wenig zahlreich, nicht sehr aussagekräftig und nur über die Herstellerfirma bzw. Abstracts von Kongressen zugänglich: ein Defizit, das unbedingt behoben werden sollte. Der Stellenwert dieses Präparates wird sich erst festlegen lassen, wenn kontrollierte Vergleiche mit anderen Schmerzmitteln vorliegen.

Literatur

  1. 1) Gysling E. pharma-kritik 1980; 2: 75
  2. 2) Heel RC et al. Drugs 1979; 17: 81-110
  3. 3) Gutstein HB, Akil H. In: Hardman JG, Limbird LE, eds. Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics. New York: McGraw-Hill, 2001: 569-619
  4. 4) Dollery C, ed. Therapeutic Drugs. Edinburgh: Churchill Livingstone, 1999: B102-6

Standpunkte und Meinungen

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Buprenorphin-Pflaster (21. Januar 2002)
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pharma-kritik, 23/No. 11
PK271
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