Pharmakotherapie bipolarer Störungen
- Autor(en): Thomas Koch
- Reviewer: Franco R. Gusberti, Erich Seifritz
- pharma-kritik-Jahrgang 22
, Nummer 10, PK342
Redaktionsschluss: 16. Januar 2001
DOI: https://doi.org/10.37667/pk.2000.342 - PDF-Download der Printversion dieser pharma-kritik Nummer
Übersicht
Unter bipolaren Affektstörungen versteht man psychische Erkrankungen, bei denen neben depressiven Episoden manische oder hypomanische Phasen vorkommen. Bei einer typischen sogen. Bipolar-I-Erkrankung (früher: manisch-depressive Psychose) sind sowohl depressive wie manische Phasen voll ausgeprägt. Daneben umfasst das bipolare Spektrum weitere Erkrankungstypen, insbesondere Depressionen mit hypomanischen Episoden sowie weitere Formen gemischter Störungen. Von "rapid cycling" spricht man, wenn es bei bipolaren Störungen zu einem raschen Phasenwechsel kommt (mehr als drei Episoden pro Jahr).
Etwa 1% aller Erwachsenen erkranken an einer Bipolar-I-Störung, die Lebenszeitprävalenz des breiteren bipolaren Spektrums wird auf 3 bis 6% geschätzt. Bipolar-I-Störungen beginnen häufig schon vor dem 25. Lebensjahr und rezidivieren meistens während vielen Jahren. Oft wird die Diagnose erst mit Verspätung gestellt, besonders wenn die Erkrankung mit einer depressiven Episode beginnt. Dies ist insofern problematisch, als der Verlauf von bipolaren Störungen durch den (alleinigen) Einsatz von Antidepressiva möglicherweise ungünstig beeinflusst werden kann.(1)
In der Behandlung bipolarer Störungen kommt der Pharmakotherapie grosse Bedeutung zu. Dabei muss zwischen der Behandlung akuter manischer oder depressiver Phasen und der längerfristigen Erhaltungsbehandlung (Rückfallprävention) unterschieden werden. Am wichtigsten sind die sogenannten Stabilisatoren, zu denen heute neben Lithium (z.B. Quilonorm®) in erster Linie die Antiepileptika Carbamazepin (z.B. Tegretol®), Valproinsäure (z.B. Convulex®) und neuerdings auch Lamotrigin (Lamictal®) gerechnet werden. Ergänzend kommen Neuroleptika, Benzodiazepine und Antidepressiva zum Einsatz, wobei in akuten Phasen praktisch immer kombiniert behandelt werden muss.
Lithium
Über Lithium wurde in einer früheren pharma-kritik-Nummer ausführlicher berichtet.(2) Lithium ist der weitaus am besten dokumentierte Stabilisator. Lithiumsalze besitzen Wirksamkeit sowohl in der Akuttherapie wie auch in der Prophylaxe bipolarer Episoden. Dabei ist allerdings mit Therapieresistenzen zu rechnen, insbesondere bei Kranken mit "rapid cycling" und bei gemischten Psychosen, bei denen depressive und manische Symptome gleichzeitig bestehen.
Manische Episoden
Eine neuere Metaanalyse kommt zum Schluss, die antimanische Wirksamkeit von Lithium sei bisher unübertroffen.(3) Es sprechen jedoch längst nicht alle Kranken auf Lithium an. In einer dreiwöchigen Doppelblindstudie mit 179 Personen, von denen etwa die Hälfte vorher ungenügend auf Lithium reagiert hatte, wurde Lithium mit Placebo und Divalproex (einem Valproinsäurederivat) verglichen. Eine mindestens 50%ige Besserung der klinischen Symptome ergab sich unter Placebo bei 25%, unter Lithium und Divalproex bei knapp 50%.(4)
In der Akutbehandlung sollen relativ hohe Plasmaspiegel im Bereich von 0,9 bis 1,1 mmol/l erreicht werden. Nachteilig wirkt sich aus, dass auch so mit einer Wirkungslatenz von 7 bis 14 Tagen zu rechnen ist. Bei erregten, aggressiven Kranken ist initial eine Zusatzmedikation (Neuroleptika, Benzodiazepine) unumgänglich.
Depressive Episoden
Ob sich bei bipolaren Störungen Lithium allein zur Akutbehandlung depressiver Phasen eignet, wird kontrovers beurteilt. Kontrollierte Studien, deren Resultate für eine Wirksamkeit von Lithium sprechen, umfassten nur wenige Personen, die zudem nicht immer an einer bipolaren Störung litten. Dennoch wird oft empfohlen, bei bipolarer Depression leichter bis mittelschwerer Ausprägung die Behandlung mit Lithium allein zu beginnen.(lit)
Prophylaxe
Probleme
Tremor, Durst, Polyurie, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Gewichtszunahme sowie eine gewisse geistige Trägheit sind die wichtigsten unerwünschten Wirkungen, die mindestens vorübergehend sehr viele Behandelte betreffen. Unter Lithium nehmen etwa 20% der Kranken mehr als 10 kg zu, was die Akzeptanz der Behandlung limitieren kann.
Während einer Langzeittherapie treten auch häufig Störungen der Schilddrüsenfunktion auf: Gemäss einer Untersuchung entwickelten mehr als 20% der über 40jährigen Frauen, die mit Lithium behandelt wurden, eine Hypothyreose.(7) Eine Hyperthyreose tritt dagegen selten auf. Ein Teil der Behandelten entwickelt eine Struma.
Lithium beeinträchtigt die tubuläre Nierenfunktion und verursacht so relativ häufig einen nephrogenen Diabetes insipidus; ob diese Auswirkung nach einer jahrelangen Behandlung noch reversibel ist, wird kontrovers beurteilt. Die glomeruläre Funktion wird dagegen nur selten wesentlich reduziert.(8) Vereinzelt sind unter Lithium Störungen des Kalziumstoffwechsels ähnlich wie bei einem Hyperparathyreoidismus aufgetreten.Eine Schwangerschaft ist keine absolute Kontraindikation für Lithium. Gemäss einer Analyse der bis 1994 publizerten Studien ist zwar bei einer Lithium-Verabreichung im ersten Trimenon mit einer gegenüber Unbehandelten leicht erhöhten Inzidenz von Herzmissbildungen zu rechnen.(9) Bei Frauen, die während des ersten Trimenons Lithium erhalten, soll deshalb in der 16. bis 18. Woche eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt werden. Schwangerschaftsbedingte Änderungen der renalen Lithiumclearance machen eine häufige Überprüfung der Plasmaspiegel während der Schwangerschaft und nach der Geburt notwendig. Da in der Muttermilch hohe Lithiumkonzentrationen erreicht werden, sollten mit Lithium behandelte Frauen nicht stillen.
Grobschlägiger Tremor, Dysarthrie und Verwirrtheit sind Zeichen einer beginnenden Intoxikation, welche sich bereits bei einer Plasmakonzentration von 1,2 bis 1,5 mmol/l manifestieren kann. Die Behandlung erfolgt symptomatisch; in schweren Fällen soll dialysiert werden.
Interaktionen: Vorwiegend über eine Hemmung der renalen Lithiumausscheidung können Diuretika, ACE-Hemmer, nicht-steroidale Antirheumatika und möglicherweise noch andere Medikamente zu einem Anstieg der Lithiumspiegel führen, eventuell bis in toxische Bereiche. Die gleichzeitige Verabreichung von Neuroleptika hat gelegentlich unerwartete neurologische Symptome verursacht. Lithium kann in Kombinationstherapien zu einem serotoninergen Syndrom beitragen.
Hinweise für die Praxis
Lithium kann sowohl in mehreren Tagesdosen als auch als tägliche Einmaldosis verordnet werden. Meistens wird die Behandlung mit etwa 10 mmol Lithium pro Tag begonnen. Personen über 65 und solche mit einer Niereninsuffizienz sollten initial nur die Hälfte der üblichen Dosis erhalten. Lithium hat eine individuell stark variable Halbwertszeit zwischen 12 und 36 Stunden. Die Dosis wird auf Grund der Plasmaspiegel (12 Stunden nach der Einnahme, jeweils einige Tage nach Dosisänderungen) festgelegt. Unter der Behandlung soll darauf geachtet werden, eine Dehydrierung zu vermeiden und die Natriumzufuhr konstant zu halten. Muss Lithium abgesetzt werden, so sollte die Dosis langsam ausschleichend - über 2 Monate hinweg - reduziert werden. Es hat sich gezeigt, dass so weniger Rezidive auftreten.(10)
Vor einer Lithiumtherapie und später jeweils nach etwa 6 Monaten sollten das Plasma-Kreatinin, die Elektrolyte und ein Schilddrüsenhormonstatus sowie bei älteren Leuten auch das EKG kontrolliert werden. Die Kosten einer Lithiumtherapie liegen zwischen 10 und 20 Franken monatlich.
Carbamazepin
Verschiedene, mehrheitlich kleinere Studien belegen die Wirksamkeit von Carbamazepin bei bipolaren Störungen. Es gibt Hinweise, wonach das Wirkungsprofil von Carbamazepin dasjenige von Lithium gewissermassen ergänzen würde, weshalb allenfalls auch eine Kombinationsbehandlung sinnvoll sein könnte.
Manische Episoden
Depressive Episoden
Prophylaxe
In einer randomisierten Studie wurde die prophylaktische Wirkung von Carbamazepin bei 144 Personen mit bipolarer Psychose mit derjenigen von Lithium verglichen. Während rund zweieinhalb Jahren erhielten 70 Kranke Carbamazepin; 74 erhielten Lithium. In den beiden Gruppen mussten ungefähr gleichviele Personen hospitalisiert werden. In der Carbamazepin-Gruppe traten beinahe doppelt so viele Rezidive auf wie in der Lithium-Gruppe (Unterschied knapp nicht signifikant). Unter Lithium mussten signifikant weniger zusätzliche Psychopharmaka als unter Carbamazepin gegeben werden. Lithium verursachte häufiger leichte bis mittelschwere, Carbamazepin häufiger schwerwiegende Nebenwirkungen.(13)
Eine Doppelblindstudie umfasste 52 Personen mit manisch-depressiver Erkrankung, die zuerst während einem Jahr prophylaktisch mit Carbamazepin oder Lithium behandelt wurden. Während einem weiteren Jahr wurden die Behandlungen in den beiden Gruppen gegeneinander ausgetauscht ("Crossover"). Im dritten Jahr schliesslich wurde kombiniert mit Lithium und Carbamazepin behandelt. Sowohl unter Carbamazepin als auch unter Lithium erreichte rund je ein Drittel der Behandelten eine Besserung; die Kombinationstherapie war gesamthaft besser, aber nicht signifikant überlegen. Unter der Kombination blieben 33%, unter Lithium 11% und unter Carbamazepin 4% frei von einer manischen Episode während der Beobachtungszeit. Personen mit anamnestischem "rapid cycling" profitierten signifikant mehr von einer Kombinationsbehandlung Carbamazepin/Lithium als von einer Monotherapie.(14)
Aufgrund weiterer Daten kann angenommen werden, dass Carbamazepin bei typischen Bipolar-I-Störungen weniger wirksam ist als Lithium.(15) Ob Carbamazepin allein bei speziellen Formen bipolarer Störungen - insbesondere bei "rapid cycling" - überlegen ist, kann nicht schlüssig beantwortet werden.
Probleme
Carbamazepin verursacht häufig eine zentralnervöse Dämpfung, Sehstörungen (Diplopie, Nystagmus), Brechreiz und Exantheme. Seltene, aber gefährliche Komplikationen sind vielfältig, zum Teil allergischer Natur und können die Blutbildung, die Leber, die Niere oder die Haut betreffen. Im Vergleich mit Lithium führt Carbamazepin zu einer geringeren Gewichtszunahme.
Eine Schwangerschaft stellt eine Kontraindikation dar. Einzelne Fälle von Spina bifida sind mit der Einnahme von Carbamazepin in Verbindung gebracht worden. Obwohl auch Carbamazepin mit der Muttermilch ausgeschieden wird, gilt Stillen als erlaubt.
Interaktionen: Carbamazepin ist ein Induktor der Zytochrom-Isoenzyme CYP1A2 und CYP3A4 und seinerseits Substrat dieser Zytochrome sowie von CYP2C9. Damit ist die Substanz Ursache von vielfältigen und komplexen Interaktionen, die hier nicht in den Einzelheiten dargestellt werden können.
Valproinsäure
Das Valproinsäure-Präparat, das bei bipolaren Störungen am häufigsten getestet wurde (Divalproex-Natrium), ist in der Schweiz nicht erhältlich. Die Wirkung verschiedener Valproinsäure-Präparate unterscheidet sich jedoch vermutlich nicht. Valproinsäure wird heute in den USA bei bipolaren Störungen häufiger verschrieben als Lithium, ist jedoch in der Schweiz bisher für diese Indikation offiziell nicht zugelassen.
Manische Episoden
In einer amerikanischen Doppelblindstudie wurden insgesamt 179 hospitalisierte Kranke mit einer akuten manischen Episode während 3 Wochen entweder mit Divalproex, Lithium oder Placebo behandelt. In beiden aktiven Behandlungsgruppen wurde in der Hälfte der Fälle eine Verbesserung der klinischen Symptome um mindestens 50% beobachtet (Placebogruppe: in einem Viertel der Fälle). Divalproex war bei Personen mit "rapid cycling" ebenso wirksam wie bei den übrigen Behandelten.(4)
Depressive Episoden
Prophylaxe
In einer 12 Monate dauernden Doppelblindstudie mit insgesamt 372 Kranken vermochte Divalproex das erneute Auftreten einer manischen oder depressiven Episode nicht signifikant länger zu verzögern als Placebo. Verschiedene sekundäre Endpunkte (z.B. die Zahl der Therapieabbrüche) wurden jedoch von Divalproex vorteilhafter beeinflusst als von Lithium oder Placebo.(lit)
Probleme
Valproinsäure ist häufig für gastrointestinale Nebenwirkungen (Brechreiz/Erbrechen, Magenbeschwerden, Durchfall oder Obstipation), Gewichtszunahme, Tremor, Ataxie, Müdigkeit und Transaminasenanstieg verantwortlich. Unter Valproinsäure haben Frauen polyzystische Ovarien und entsprechende Menstruationsstörungen entwickelt; der Zusammenhang mit Valproinsäure ist jedoch nicht eindeutig.(18) In Einzelfällen treten hepatotoxische Reaktionen auf, die wie die ebenfalls sehr seltenen akuten Pankreatitiden zum Tode führen können.
Eine Schwangerschaft stellt eine Kontraindikation dar, da unter Valproinsäure wiederholt Neuralrohrdefekte beobachtet wurden.
Interaktionen: Valproinsäure hemmt mehrere Zytochrom-Isoenzyme (CYP2C19, CYP2C9, CYP3A4). Bei gleichzeitiger Verabreichung anderer Medikamente (z.B. trizyklische Antidepressiva, Neuroleptika, einzelne Benzodiazepine) ist deshalb mit verstärkter Wirkung dieser Medikamente zu rechnen. Andere Interaktionen beruhen auf pharmakodynamischen Mechanismen (zentralnervöse Dämpfung, Plättchenhemmung).
Hinweise für die Praxis
Lamotrigin
Lamotrigin (Lamictal®), ein weiteres Antiepileptikum, ist bei depressiven Episoden wirksam: In einer Dosis von 50 oder 200 mg/Tag hatte es in einer Doppelblindstudie mit 195 Kranken eine im Vergleich zu Placebo signifikante antidepressive Wirkung.(19) In einer kleineren Doppelblindstudie bei Personen mit therapierefraktärer Depression war seine antidepressive Wirkung derjenigen von Placebo und von Gabapentin (Neurontin®) klar überlegen - etwa die Hälfte der mit Lamotrigin Behandelten erreichte eine deutliche Besserung.(20)
Lamotrigin oder Placebo wurde auch 182 Kranken mit "rapid cycling" doppelblind verabreicht. Unter Lamotrigin blieben 41% der Behandelten während 6 Monaten rezidivfrei, unter Placebo nur 26%.(21)
Lamotrigin verursacht bei rund 10% der Behandelten Hautreaktionen, die vereinzelt bedrohliche Formen annehmen können (Stevens-Johnson-Syndrom). Es kann auch Ataxie, Schwindel und Kopfschmerzen hervorrufen. Bei einer Tagesdosis von 200 mg betragen die monatlichen Kosten 184 Franken. Zur Wirksamkeit von weiteren Antiepileptika - Gabapentin (Neurontin®), Vigabatrin (Sabril®) und Topiramat (Topamax®) - in der Behandlung bipolarer Störungen liegen noch keine schlüssigen Resultate vor.
Weitere Medikamente
Die Wirksamkeit von Antidepressiva bei depressiven Phasen einer bipolaren Erkrankung ist kaum in kontrollierten Studien dokumentiert. Dennoch werden diese Medikamente bei bipolarer Depression oft eingesetzt, gelten aber insofern als riskant, als sie eventuell manische Episoden fördern und ein "rapid cycling" induzieren können. Ob dies für selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer im gleichen Ausmass wie für trizyklische Antidepressiva zutrifft, ist ungenügend bekannt. Mit der Ausnahme von Lamotrigin sind anderseits auch Lithium und andere Stabilisatoren bei depressiven Schüben in ihrer Wirksamkeit wenig dokumentiert. Eine auf 2 bis 6 Monate befristete Verabreichung von Antidepressiva ist deshalb - auch in Anbetracht des Suizidrisikos - in vielen akuten Fällen gerechtfertigt.(22) Heute werden in erster Linie Serotonin-Wiederaufnahmehemmer empfohlen; die Wirksamkeit trizyklischer Antidepressiva gerade bei schweren Depressionen ist jedoch unübertroffen.
In der Therapie akuter Krankheitsphasen sind Neuroleptika indiziert, wenn psychotische Symptome vorliegen, bei ausgeprägter Angetriebenheit oder Gewalttätigkeit sowie bei anamnestischer Resistenz gegenüber Stabilisatoren. Im Vergleich mit Lithium, das eine Latenzzeit von 2 bis 3 Wochen bis zum Eintritt der vollen Wirkung benötigt, haben Neuroleptika bei manischen Phasen den Vorteil, relativ rasch zu wirken. Personen mit einer bipolaren Störung weisen möglicherweise ein erhöhtes Risiko für extrapyramidale Nebenwirkungen auf. Zudem ist nicht auszuschliessen, dass Neuroleptika depressive Phasen verlängern oder verstärken. Auch diese Medikamente sollen daher im Laufe einiger Monate allmählich abgesetzt werden, wenn einmal eine Remission erreicht ist. Zur Wahl des bei bipolaren Störungen geeignetsten Neuroleptikums liegen keine kontrollierten Studien vor; häufig wird Haloperidol (Haldol® u.a.) verschrieben. Auch allfällige Vorteile atypischer Neuroleptika wie Cloazapin (Leponex®) sind nicht genügend dokumentiert.
Benzodiazepine - z.B. Lorazepam (Temesta® u.a.) - eignen sich als Ergänzung der Behandlung mit Stabilisatoren und/oder Neuroleptika in akuten manischen Phasen. Kontrollierte Studien zu dieser Indikation liegen jedoch kaum vor.
Zur Behandlung von therapieresistenten depressiven Episoden kann gemäss einer kleinen randomisierten Studie vereinzelt auch der Kalziumantagonist Nimodipin (Nimotop®) nützlich sein.(23) Eine weitere seit Jahren verwendete, aber bisher nicht überzeugend dokumentierte Möglichkeit ist die "Augmentation" der Behandlung mit Schilddrüsenhormon.
Schlussfolgerungen
Obwohl heute mehrere therapeutische Optionen zur Verfügung stehen, kann Lithium weiterhin als Medikament der ersten Wahl zur Behandlung von bipolaren Affektstörungen betrachtet werden. Die geringe therapeutische Breite erfordert jedoch eine konsequente klinische Nachkontrolle und regelmässige Plasmaspiegel-Kontrollen. Um ein optimales Resultat zu erreichen, ist eine gute Zusammenarbeit zwischen Arzt und Kranken notwendig. Carbamazepin und Valproinsäure kommen als Alternativen vor allem bei jenen Kranken zum Einsatz, die entweder eine Lithiumunverträglichkeit aufweisen oder auf eine frühere Lithiumtherapie nicht angesprochen haben. Bei Personen mit "rapid cycling", bei manisch-depressiven Mischzuständen und bei Alkoholkranken kann eine primäre Behandlung mit Carbamazepin oder Valproinsäure in Betracht gezogen werden. Lithium kann aber auch erfolgreich mit diesen beiden Medikamenten kombiniert werden. Lamotrigin, das auch bei bipolarer Depression wirksam ist, stellt eine weitere Option dar. In der Behandlung akuter Phasen einer bipolaren Erkrankung sind auch Neuroleptika, Antidepressiva und Benzodiazepine wichtige Medikamente. Viele manische Schübe lassen sich nur durch die zusätzliche Gabe von Neuroleptika beherrschen, und depressive Phasen erfordern nicht selten die zusätzliche Verabreichung eines Antidepressivums.
Literatur
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