Medikamentöse Therapie der erektilen Dysfunktion

Übersicht

Die erektile Dysfunktion ist die häufigste sexuelle Erkrankung des Mannes. Sie bezeichnet das Unvermögen, eine zur sexuellen Befriedigung notwendige Erektion zu erlangen oder zu erhalten und nimmt keinen Bezug auf andere männliche Sexualfunktionen wie Libido, Ejakulation und Orgasmus. In einer amerikanischen Untersuchung von 40- bis 70jährigen Männern betrug die kombinierte Prävalenz einer leichten bis vollständigen erektilen Dysfunktion etwa 50%. Die Häufigkeit nimmt mit dem Alter zu; von einer vollständigen Erektionsstörung sind bei den 40jährigen etwa 5% und bei den über 65jährigen zwischen 15 und 25% betroffen.(1,2) Die Erektion wird reflexogen (durch genitale Stimulierung) oder psychogen (Fantasie, audiovisuelle Reize) induziert. Stark vereinfacht kann dem Parasympathikus die Tumeszenz und die Erektion, dem somatischen Nervensystem die Kontrolle der Rigidität und dem Sympathikus die Ejakulation und die Detumeszenz zugeordnet werden.

Ursachen und kausale Therapien

Die Ursachen einer erektilen Dysfunktion sind psychologischer, neurologischer, endokriner oder vaskulärer Natur. Bei mehr als der Hälfte aller Patienten überwiegt eine primär organische Ätiologie. Eine genaue Zuordung ist jedoch schwierig, da die Moderation der Erektion letztendlich immer auch psychologischen Prozessen untersteht. Die Erkrankung kann ferner auch auf traumatische oder iatrogene Ereignisse oder Therapien zurückgeführt werden.

Medikamente und Genussmittel

Rund ein Viertel aller Erektionsstörungen wird durch Medikamente, am häufigsten durch Blutdruckmittel und Psychopharmaka verursacht.(2,3) Eine Zusammenstellung findet sich in Tabelle 1. Zigarettenrauchen ist mit atherosklerotischen Gefässveränderungen assoziiert, und Raucher leiden etwa doppelt so häufig an Erektionsstörungen wie Nichtraucher. Während mässiger Alkoholgenuss die Libido steigern kann, haben höhere Dosen und chronischer Missbrauch eine gegenteilige Wirkung. Chronischer Alkoholismus kann ferner zu einer Einschränkung der Leberfunktion, zu endokrinen Störungen und zu alkoholischer Polyneuropathie unter Einbezug peniler Nerven führen. Erektile Störungen werden auch bei Missbrauch von Cocain, Codein, Heroin, Methadon und Pethidin beobachtet.(3)

Chronische Erkrankungen
Die wichtigste chronische Erkrankung, die zu Erektionsstörungen führen kann, ist der Diabetes mellitus. Zwischen 30% und 50% der Diabetiker sind betroffen.(4) In erster Linie ist die erektile Dysfunktion dabei auf die vaskulären und die neurologischen Komplikationen der Stoffwechselkrankheit zurückzuführen. Da Libido und Ejakulationsfähigkeit der oft jungen Patienten vollständig erhalten sind, ist der Leidensdruck besonders gross, und häufig werden Angst und Depressionen beobachtet, also Faktoren, die als unabhängige Induktoren einer erektilen Dysfunktion gelten. Da Diabetes-bedinge Langzeitschädigungen irreversibel sind, ist die Prävention, eine optimale glykämische Kontrolle die beste therapeutische Option.(5) Als weitere chronische Erkrankungen, die mit einer höheren Inzidenz an Erektionsstörungen assoziiert sind, sind chronische Leber- und Nierenleiden, obstruktive Lungenerkrankungen, Fettsucht, essentielle Hypertonie und Folgen von Verbrennungen zu nennen.

Vaskuläre Ursachen
Eine erektile Dysfunktion kann auf einem verminderten arteriellen Blutzufluss in den Penis oder einem erhöhten venösen Abfluss aus dem Penis beruhen; oft sind beide Gefässsysteme betroffen. Arterielle Störungen werden vor allem im Zusammenhang mit atherosklerotischen oder traumatisch bedingten Gefässveränderungen beobachtet. Venöse Störungen treten dann auf, wenn die subtunikalen Venolen während der Erektion zuwenig zusammengepresst werden und das Blut aus den Schwellkörpern entweicht. Man spricht in diesem Fall von einem inadäquaten veno-okklusiven Mechanismus oder auch von einem «venösen Leck». Ein solches «Leck» kann durch einen reduzierten arteriellen Druck, durch Veränderungen der fibroelastischen Komponenten der Schwellkörper oder durch eine Induratio penis plastica bedingt sein.(6)
Die operative Behandlung der vaskulär bedingten erektilen Dysfunktion besteht in der chirurgischen Revaskularisierung und der veno-okklusiven Rekonstruktion. Fachleute betonen, dass eine chirurgische Intervention bei älteren Männern in Anbetracht der häufigen Misserfolge nur in Härtefällen und nach Versagen konservativer Massnahmen in Betracht gezogen werden sollte. Bei jüngeren, ansonsten gesunden Patienten wird die Gefässchirurgie bei kongenitalen vaskulären Defekten oder nach Becken- und Penisverletzungen empfohlen.(1,2)
Als spezifische medikamentöse Behandlungsoption ist Pentoxifyllin (Trental®), ein Methylxanthin, das die Fliess-Eigenschaften des Blutes verbessert, in Doppelblindstudien untersucht worden: In einer Studie hatten während einer dreimonatigen Behandlung mit Pentoxifyllin (3mal 400 mg/Tag) immerhin 4 von 8 Männern mindestens einen erfolgreichen Koitus, in der Placebogruppe niemand.(7) In einem gekreuzten Vergleich mit Yohimbin/Isoxsuprin (3mal 5,4 mg/10 mg) wurde dagegen unter keiner der beiden Behandlungen eine für die Penetration nötige Rigidität erzielt.(8) Ebenso ernüchternde Resultate brachte eine Behandlung mit Pentoxifyllin bei Diabetikern: Zwischen der aktiven und der Placebo-Behandlung ergaben sich keinerlei Unterschiede.(9)

Neurogene Ursachen
In rund 10% aller Fälle können neurologische Erkrankungen die primäre Ursache erektiler Störungen sein. Rückenmarkverletzungen führen bei etwa der Hälfte aller Patienten zu einer erektilen Dysfunktion. Ferner kommen Multiple Sklerose und Verletzungen pelvischer Nerven durch Rektum- , Blasen- oder Prostataoperationen in Frage. Eine spezifische Behandlung gibt es nicht.(2)

Endokrine Ursachen
Mit zunehmendem Alter nehmen das freie Plasma-Testosteron und – in Korrelation – die Muskel- und Knochenmasse, die Libido und die sexuelle Aktivität ab.(5) Endokrine Erkrankungen, die als Ursache niedriger Testosteronwerte in Frage kommen, sind Läsionen im Hypophysen-Hypothalamus-Bereich, primäre und sekundäre gonadale Störungen und eine Hyperprolaktinämie. Eine Abnahme des freien Testosterons kann auch unter systemischen Erkrankungen (z.B. AIDS, Leber- und Nierenkrankheiten, Sichelzellanämie, Ernährungsstörungen) beobachtet werden.(5) Libidoverlust und erektile Dysfunktion sind die wichtigsten klinischen Anzeichen einer Hyperprolaktinämie bei Männern. Werden bei der Abklärung erektiler Störungen Testosteronwerte unterhalb der Norm gefunden, muss deshalb immer auch zusätzlich das Prolaktin bestimmt werden. Zu hohe Prolaktinwerte erfordern eine genaue Medikamentenanamnese. Oft sind es nämlich die gleichen Medikamente, die für erektile Störungen und für eine Hyperprolaktinämie verantwortlich sein können (siehe auch Tabelle 1).
Bei Patienten mit Hypogonadismus und reduzierter Libido kann zur Behandlung der erektilen Dysfunktion emipirisch Testosteron substituiert werden(2), allerdings gilt die Substitution äusserst selten als sinnvoll. An Medikamenten stehen langwirkende intramuskuläre Depotpräparate (Testosteronenantat (Testoviron®-Depot) oder Testopropionat Streuli) zur Verfügung, orale Präparate (Testosteronundecylat, Andriol®) werden als weniger verlässlich beurteilt.(1,5) Beruht der Hypogonadismus auf einem Prolaktinom, verbessern sich unter der medikamentösen Behandlung mit einem Dopaminagonisten (z.B. Bromocriptin, Parlodel®) in der Regel auch Libido und erektile Funktion.(2)

Psychogene Ursachen
Als Indikatoren psychogen bedingter Erektionsstörungen bei gesunden Männern gelten normale Morgenerektionen und das Fehlen einer Medikation oder chronischer Krankheiten.(2) Die spezifische Behandlung beruht auf psychotherapeutischen Verfahren, Verhaltenstherapie oder intensiver symptomorientierter Sexualtherapie.

Unspezifische Therapie

Gemäss einem kürzlich veröffentlichten Konsens der American Urological Association können drei Therapievarianten empfohlen werden: neben der Anwendung von Vakuumpumpen und der Implantation von Penisprothesen gilt auch die lokale Injektion von vasoaktiven Medikamenten (intrakavernöse Therapie) als geeignete Behandlungsalternative.(10) Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf die medikamentösen Möglichkeiten.
Als vasoaktive Substanzen zur Selbstinjektion in die Schwellkörper haben sich besonders Papaverin (allein oder kombiniert mit dem Anti-Adrenergikum Phentolamin (Regitin®) und Alprostadil (Prostaglandin E1, PGE1, Caverject®). Die intrakavernöse Therapie soll sich grundsätzlich zur Behandlung erektiler Störungen jeglicher Ursache eignen, bei neuro- und psychogener Ätiologie genügen für einen Therapieerfolg jedoch offensichtlich niedrigere Dosen als bei vaskulären Ursachen, und Patienten mit venookklusiver Dysfunktion und schwerer arterieller Insuffizienz ist ein Erfolg oft versagt. Werden vasoaktive Substanzen trotz «venösem Leck» intrakavernös verabreicht, ist auch auf systemische Nebenwirkungen zu achten. Die intrakavernöse Therapie verursacht oft Priapismus und sollte deshalb vorzugsweise von Spezialisten festgelegt werden. Die Patienten müssen in mehreren Visiten sorgfältig und ohne Zeitdruck - eventuell durch speziell geschultes Pflegepersonal - mit der Methode vertraut gemacht werden. Dabei soll der Patient bei der Applikation überwacht, beraten und korrigiert werden und dahingendend instruiert sein, dass er zu Hause bei jeder ungewohnten Situation adäquat reagieren kann.(11)

Papaverin

Papaverin vermindert den Tonus der Penisgefässe durch seine Wirkung auf den Kalzium- und AMP-Haushalt der glatten Muskelzellen. Die Plasmahalbwertszeit beträgt 1 bis 2 Stunden, metabolisiert wird Papaverin in der Leber. Die Löslichkeit ist beschränkt: bei pH-Werten über 5 präzipitiert die Substanz. Diese Eigenschaft soll für fibrotische Veränderungen im Corpus cavernosum verantwortlich sein.
In klinischen Studien wurde Papaverinhydrochlorid in Dosen von 3 bis 60 mg verwendet, oft kombiniert mit Phentolamin. Ein gekreuzter Doppelblindvergleich, in dem Papaverin allein (40 mg) oder zusammen mit Phentolamin (20 mg/0,5 mg) verwendet worden war, ergab eine bessere Wirkung der Kombination: Von 40 Männern mit einer Dysfunktion verschiedener Ursache hatten unter Papaverin allein 27% eine volle Erektion, unter der Kombinationsbehandlung signifikant mehr, nämlich 48%.(12)
Weitere Studien: siehe unten (Vergleiche mit Alprostadil).
Lokale unerwünschte Wirkungen von Papaverin sind fibrotische Veränderungen (in einer 12monatigen Studie entwickelten 57% der Patienten kleine fibrotische Knoten), Priapismus (bis zu 9%), Hämatome, Kavernositis, Parästhesien und Penisverkrümmungen. Systemisch kann Papaverin einen Anstieg der Leberenzyme, tiefen Blutdruck, Schwindel und Flushing verursachen.

Alprostadil

Intrakavernös appliziert verursacht Alprostadil eine Erschlaffung der glatten Muskulatur der Gefässe und des Corpus cavernosum; der Blutzufluss in den Penis und in die kavernösen Sinusoide nimmt zu. Der erhöhte Druck führt zur Kompression des venösen Systems und zu einer anhaltenden Erektion. Systemisch appliziert wird Alprostadil schon bei der ersten Lungenpassage zu etwa 80% metabolisiert. Die Plasmahalbwertszeit betrug bei gesunden Probanden durchschnittlich etwa 8 Minuten. Alprostadil wird auch in der Leber und in den Nieren, bei der intrakavernösen Anwendung wahrscheinlich auch lokal metabolisiert. Die Ausscheidung der Metaboliten erfolgt mit dem Urin. Nach der Injektion von Alprostadil in die Schwellkörper können systemisch nur kleinste Mengen gemessen werden.

Placebokontrollierte Studien
In einer Doppelblindstudie wurden 296 durchschnittlich 54jährige Männer mit erektiler Dysfunktion vaskulärer (44%), psychogener (14%), neurogener (13%) oder gemischter Ätiologie in verschiedenen Spitälern untersucht. Unter Placebo wurde in keinem Fall eine Verbesserung der Erektionsfähigkeit festgestellt; Alprostadil war in allen Dosen (2,5 mg, 5 mg, 10 mg oder 20 mg) signifikant wirksamer als Placebo. Unter der aktiven Behandlung zeigte sich eine signifikante Dosis-Wirkungs-Beziehung: Während in der 2,5-mg-Gruppe rund 20% der Männer auf die Therapie ansprachen, waren es mit 5 mg rund 30% und mit 20 mg ungefähr 50%. Auch für die Dauer der Erektion konnte eine lineare Beziehung zur Dosis gefunden werden: nach der Applikation von 5 mg dauerte die Erektion durchschnittlich 12 Minuten, mit 20 mg 44 Minuten.(13)
Eine Dosisabhängigkeit der Wirkung wurde auch in einer gekreuzten Doppelblindstudie bei 20 Patienten mit psychogen bedingter erektiler Dysfunktion gezeigt. Mit der höheren Dosis (10 mg) wurde bei 17 Patienten eine vollständige Erektion erzielt, mit der kleineren (5 mg) nur bei 11. Mit Placebo wurde in keinem Fall eine Erektion erreicht. Zudem war die Latenzzeit bis zum Erreichen einer vollen Rigidität nach 5 mg deutlich länger als nach 10 mg Alprostadil. Die höhere Dosis ergab eine Erektion, die durchschnittlich 120 Minuten andauerte (niedrige Dosis: 40 Minuten).(14)
In einer kleinen Doppelblindstudie ist Alprostadil bei Erektionsstörungen neurogener und vaskulärer Ätiologie untersucht worden. 15 durchschnittlich 56jährige Männer erhielten Injektionen von 2,5 mg, 5 mg, 7,5 mg oder 10 mg Alprostadil oder Placebo. Mit einer Dosis ab 5 mg erreichten sechs Patienten vollständige Erektionen.(16)

Vergleiche mit Papaverin
In eine gekreuzte Einfachblindstudie wurden 205 Patienten mit Erektionsstörungen verschiedener Ursachen einbezogen. Die Patienten erhielten Einmaldosen von Alprostadil (5 mg) oder von Papaverin (18 mg). 76 Männer beendeten die Studie nach der ersten Injektion frühzeitig, mehrheitlich weil sie sofort mit der Therapie fortfahren wollten oder dann wegen Penisschmerzen. Bei den verbleibenden 129 Männern hatten unter Alprostadil signifikant mehr Patienten (26%) «vollständige» Erektionen als unter Papaverin (13%). Bei weiteren 16% führte Alprostadil und bei 11% Papaverin immerhin zu einer «für eine Penetration ausreichenden Erektion».(16)
In einer gekreuzten Doppelblindstudie mit 15 Männern fanden sich dagegen keine signifikanten Unterschiede zwischen einer Behandlung mit Alprostadil (10-20 mg) und Papaverin (30-60 mg). In dieser Studie waren Patienten mit psychogener Erektionsstörung ausgeschlossen worden. Interessanterweise reagierten einzelne Männer nur auf Papaverin, andere aber nur auf Alprostadil.(17)
Höhere von Dosen von Alprostadil sind vorwiegend in offenen Studien mit Papaverin verglichen worden. Ein Beispiel: 240 Männer mit Erektionsstörungen verschiedener Ursache erhielten randomisiert eine Behandlung mit Alprostadil (20 mg) oder mit Papaverin (60 mg). Unter Alprostadil wurde bei 70% der Männer eine vollständige Erektion erzielt, unter Papaverin bei 54%. Mit Papaverin stellte sich die Erektion schneller ein (6 Minuten) als unter Alprostadil (10 Minuten), unter Alprostadil dauerte die Erektion aber länger (64 Minuten) als unter Papaverin (50 Minuten).(18)
In kleinen Doppelblindstudien ist Alprostadil auch mit der Kombinationsbehandlung Papaverin/Phentolamin verglichen worden. Bei 25 Männern mit erektiler Dysfunktion vaskulärer und/oder neurogener Ursache waren die beiden Medikamente in relativ hohen Dosen (Alprostadil: 50 mg, Papaverin/Phentolamin: 30 mg/1 mg) ungefähr gleich gut wirksam. Ein Teil der Männer beurteilte allerdings die Rigidität unter Alprostadil als besser.(19)

Offene Langzeitstudien
577 Männer mit Erektionsstörungen verschiedener Ursachen applizierten sich, nachdem die optimale Dosis im Spital festgelegt worden war, Alprostadil über 6 Monate zu Hause. Etwa ein Drittel der Patienten beendete die Studie vorzeitig, meistens wegen Penisschmerzen oder ungenügender Wirksamkeit. 40% aller 577 Patienten erhöhten die im Spital festgelegte Dosis, 17% reduzierten diese. Gemäss der Beurteilung durch die betroffenen Männer und ihre Partnerinnen führten rund 85% der Injektionen zu einem sexuell befriedigenden Ergebnis bei Mann und Frau.(13)

Unerwünschte Wirkungen der intrakavernösen Injektion
In placebokontrollierten Studien sind Penis-Schmerzen die weitaus häufigste Nebenwirkung (bei 23 bis 70%).(14,15) Unabhängig von der Dosis wurde in den kontrollierten Studien ferner eine verlängerte Erektion (Erektionsdauer 4-6 Stunden) oder ein eigentlicher Priapismus (Erektionsdauer länger als 6 Stunden) beobachtet. In der oben erwähnten Langzeituntersuchung wurden neben Penis-Schmerzen (50%), verlängerter Erektion (5%) und Priapismus (1%) auch Hämatome oder Ecchymosis (8%), Ödeme (2%) und fibrotische Komplikationen (2%) vermeldet. Als möglicherweise systemische Nebenwirkungen wurden Hodenschmerzen und -schwellungen, Skrotalschmerzen und -ödeme, Harnverhaltung und vermehrter Harnfluss, Hämaturie und Beckenbodenschmerzen notiert. Bei 1% aller Männer traten Symptome auf, die eventuell durch eine Blutdrucksenkung erklärbar sind.(13)

Intraurethral appliziertes Alprostadil
Gute Resultate wurden in einer Doppelblindstudie, an der 1511 Männer mit einer erektilen Dysfunktion organischer Ursache beteiligt waren, auch mit intraurethral appliziertem Alprostadil erzielt: 65% der mit Alprostadil Behandelten hatten einen «erfolgreichen» Geschlechtsverkehr, unter Placebo nur gerade 19%. Alprostadil war unabhängig vom Alter der Patienten oder von der Ursache der Erkrankung (vaskuläre Ursachen, Diabetes, chirurgische Verletzungen oder Traumen) immer gleich gut wirksam und im Vergleich mit Placebo immer signifikant wirksamer. Nur 10% der Behandelten klagten über leichte Penisschmerzen.(20)

Orale Therapie mit Yohimbin

Yohimbin, ein aus der Rinde des afrikanischen Baumes Pausinystalia yohimbe gewonnenes Alkaloid, wirkt als selektiver, präsynaptischer Alpha-2-Blocker. Die orale Bioverfügbarkeit des gebräuchlichen Hydrochlorides variiert individuell sehr stark und beträgt durchschnittlich 33%. Maximale Plasmakonzentrationen werden nach 10 bis 45 Minuten erreicht; die Substanz wird rasch eliminiert.(21) Yohimbin ist marginal dokumentiert und gilt allenfalls bei einer erektilen Dysfunktion psychogener Ursache als therapeutische Option. Dazu liegt eine kleine placebokontrollierte Studie mit 48 Patienten vor, in der sich die Sexualfunktion unter Yohimbin (3mal 6 mg/Tag) nach 10 Wochen bei 31% der Männer, signifikant mehr als unter Placebo, befriedigend verbessert hatte.(22) Unerwünschte Wirkungen von Yohimbin sind Angstzustände und Nervosität, Übelkeit, Harndrang, Schwindel, Schlaflosigkeit und ein erhöhter Blutdruck.(21)

Weitere Medikamente

Zur lokalen Applikation sind noch verschiedene gefässerweiternde Substanzen untersucht worden. Nitroglycerin wurde als Salbe (2%) und in Form transdermaler Pflaster verwendet und sogar mit Placebo verglichen, aussagekräftige Studien fehlen jedoch weitgehend.
Dasselbe trifft für Minoxidil zu, das als 2prozentige Lösung eingesetzt worden ist. Sorgfältiger untersucht wurde hingegen die Kombination von Isosorbiddinitrat, Aminophyllin und Codergocrinmesylat . In einer gekreuzten Doppelblindstudie erhielten 36 Männer während je einer Woche einmal täglich eine Behandlung mit einer aktiven Crème (3% Aminophyllin, 0,05% Codergocrinmesylat und 0,25% Isosorbiddinitrat) oder eine Placebo-Crème. Während unter Laborbedingungen die aktive Behandlung bei 66% der Patienten eine Tumeszenz (aber keine vollständige Erektion) bewirkte, hatten zu Hause 21 Patienten eine vollständige Erektion (58%), unter der Placebo-Behandlung nur 3 Patienten. Das beste Resultat wurde bei den 9 Patienten mit psychogener Ätiologie erzielt: von ihnen hatten 8 eine vollständige Erektion.(23)

Schlussfolgerungen

Die erektile Dysfunktion ist ein häufiges medizinisches Problem. Da die Lebensqualität und das psychische Befinden der Betroffenen erheblich eingeschränkt sein können, sind eine offene Diskussion und die Aufklärung über Ursachen und therapeutische Möglichkeiten besonders wichtig. Eine spezifische medikamentöse Behandlung ist vorderhand meistens unmöglich. Wesentlich verbessert haben sich aber die Möglichkeiten einer unspezifischen Intervention. Mit der intrakavernösen Verabreichung vasoaktiver Substanzen kann heute vielen Patienten geholfen werden. Alprostadil hat sich dabei als mindestens so wirksam erwiesen wie Papaverin und verursacht offensichtlich weniger häufig Fibrosen. Die Zweifel, ob diese Substanz bei einer vaskulären Ätiologie einen ähnlich guten Erfolg zeitigt wie bei neurogener oder psychogener Ursache, konnten bisher allerdings nicht beseitigt werden. Da die Selbstinjektion von Alprostadil zum Teil mit starken Schmerzen verbunden ist und eine verlängerte Erektion verursachen kann, müssen in Zukunft vermehrt problemlosere Alternativen wie die intraurethrale Alprostadilapplikation in Betracht gezogen werden.

Kommentar

Die Strategie für die Behandlung einer erektilen Dysfunktion wird sich in absehbarer Zeit verändern. Die ersten Erfahrungen mit dem peroral verwendbaren Sildenafil (Phosphodiesterase-Hemmer Typ 5) sind vielversprechend.(24) So dürfte Sildenafil vor dem intraurethralen und dem intrakavernösen Alprostadil, der Vakuum-Erektionshilfe und den Penis-Prothesen zur initialen Behandlung werden.

Literatur

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Standpunkte und Meinungen

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Medikamentöse Therapie der erektilen Dysfunktion (21. Januar 1997)
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