Salmeterol

Synopsis

Salmeterol-Xinafoat (Serevent®) ist ein langwirkender, selektiver b2-Rezeptoragonist, der zur inhalativen Behandlung des Asthma bronchiale empfohlen wird.

Chemie/Pharmakologie

Die chemische Struktur von Salmeterol entspricht weitgehend derjenigen von Salbutamol (Ventolin® u.a.), weist aber zusätzlich eine lange, lipophile Seitenkette auf. Bei der Rezeptorbesetzung durch Salmeterol wird die Seitenkette an eine hydrophobe Region ausserhalb des b-Rezeptors gebunden. Die verlängerte Wirkungsdauer beruht vermutlich auf dieser «Exo-Bindung». Die b2-Selektivität entspricht derjenigen von Salbutamol. Auch die maximale Bronchodilatation, die mit üblichen Dosen dieser beiden Medikamente erreicht werden kann, ist vergleichbar.1
Für den Verlauf des Asthma bronchiale spielen nach heutigen Ansichten chronisch-entzündliche Veränderungen in der Wand der Atemwege eine wichtige Rolle. Deshalb wurde Salmeterol auch auf weitere antiasthmatische Eigenschaften geprüft: In vitro hemmt es die Freisetzung von Entzündungsmediatoren aus Mastzellen und Makrophagen. (1) Im Sinne einer Entzündungshemmung lassen sich auch die Resultate einer klinischen Studie interpretieren: bei acht Patienten hemmte eine Dosis von 50 mg Salmeterol über einen Zeitraum von 36 Stunden die allergeninduzierte Überempfindlichkeit der Bronchien.(2) Dennoch halten die meisten Experten eine entzündungshemmende Wirkung von Salmeterol für ungenügend dokumentiert.(1,3)

Pharmakokinetik

Die klinische Wirkung von Salmeterol setzt nach 10 bis 20 Minuten ein, wobei der Wirkungseintritt bei der Pulverinhalation schneller erfolgt als beim Dosieraerosol. Eine maximale Wirkung wird nach 3 bis 4 Stunden erreicht; die bronchodilatatorische Wirkung hält 12 bis 16 Stunden an. Im Vergleich dazu setzt die Wirkung von Salbutamol nach 5 bis 10 Minuten ein, erreicht ein Maximum nach 1 bis 2 Stunden und dauert 4 bis 6 Stunden an.
Nach oraler Verabreichung beträgt die Eliminationshalbwertszeit 3 bis 4 Stunden, vergleichbar mit derjenigen von Salbutamol. Salmeterol wird vorwiegend durch Hydroxylierung metabolisiert. Die Ausscheidung erfolgt vor allem mit dem Stuhl (57%), weniger mit dem Urin.(1)

Klinische Studien

Wenn auch bisher erst wenige klinische Studien in den Einzelheiten veröffentlicht sind, kann die langanhaltende bronchodilatatorische Wirkung von Salmeterol doch als gut dokumentiert gelten.
In einer vier Wochen dauernden Multizenterstudie wurden bei 692 Personen mit leichtem bis mittelschwerem Asthma verschiedene Salmeterol-Dosen (zweimal täglich 12,5, 50 oder 100 mg ) mit Placebo verglichen. Salmeterol ergab eine dosisabhängige Verbesserung des Peak-Flows morgens und abends, eine Verminderung der Schwankungen des Peak-Flows während des Tages und einen geringeren Bedarf an Salbutamol (das als Reserve-Bronchodilatator zur Verfügung stand). Unabhängig von der Dosis ergab Salmeterol auch eine signifikante Reduktion der Asthmasymptome tagsüber und des nächtlichen Erwachens. Die Verabreichung von täglich zweimal 50 mg Salmeterol wurde als optimal beurteilt.(4)
In einer Doppelblindstudie bei 20 Personen mit nächtlichem Asthma wurde die Wirkung von Salmeterol auf die Schlafqualität geprüft. Es zeigte sich, dass das Medikament in einer Dosis von täglich zweimal 50 mg zu mehr Tiefschlaf und zu einer kürzeren Einschlafzeit führte, wobei allerdings die Schlafqualität subjektiv nicht signifikant verbessert wurde. In höherer Dosis (zweimal täglich 100 mg) ergab sich keine positive Auswirkung auf den Tiefschlaf. (5)

In einer grossen Doppelblindstudie erwies sich Salmeterol (2mal 42 mg täglich) als besser wirksam als Salbutamol (4mal 180 mg täglich) oder als Placebo. Diese Studie, die 12 Wochen dauerte, umfasste 234 Patienten mit leichtem oder mittelschwerem Asthma, von denen knapp ein Drittel auch inhalative Steroide anwandte. Alle Patienten konnten bei Bedarf Salbutamol als Reserve-Bronchodilatator einsetzen. Salmeterol führte zu einer Verbesserung des Peak-Flows und der Sekundenkapazität («Forced Expiratory Volume in 1 second», FEV1), die nicht nur gegenüber der Placebogruppe, sondern zum Teil auch gegenüber der Salbutamolgruppe signifikant war. Auch die subjektiven Symptome wurden von Salmeterol signifikant günstiger beeinflusst.(6) Ähnliche Resultate hat eine noch grössere, europäische Studie ergeben, in der Salmeterol ebenfalls mit Salbutamol verglichen wurde. Diese Studie ist bisher erst in einem Kurzbericht veröffentlicht worden.(7)
In einer weiteren, noch unveröffentlichten Studie soll Salmeterol auch besser als Terbutalin (Bricanyl®) gewirkt haben.(1) Dagegen fehlt bisher ein Vergleich mit Formoterol (Foradil®), dem in der Schweiz schon seit 1990 erhältlichen langwirkenden Bronchodilatator.
Gemäss einem Kurzbericht von einer Crossover-Studie, die allerdings nur zwei Wochen dauerte, ist dagegen Salmeterol bei mittelschwerem Asthma auch wirksamer als ein individuell dosiertes Theophyllin-Retardpräparat.(8)
Mehrere kleine Studien zeugen von der langanhaltenden Wirksamkeit einer Salmeterol-Einzeldosis bei anstrengungsinduziertem Asthma. Im Gegensatz zu Placebo, Cromoglicinsäure (Lomudal®) und Salbutamol hatte Salmeterol noch sechseinhalb bis neun Stunden nach der Verabreichung eine Schutzwirkung gegen die anstrengungsinduzierte Verminderung des FEV1.(9-11)
Salmeterol ist auch Kindern mit Asthma gegebeu worden und hat sich dabei in Dosen von 25 oder 50 mg als wirksam erwiesen.(11,12)

Unerwünschte Wirkungen

Wie alle b2-Rezeptoragonisten kann Salmeterol Muskeltremor, Kopfschmerzen, eine erhöhte Herzfrequenz oder eine Hypokaliämie hervorrufen. Diese unerwünschten Wirkungen sind bei einer Dosis von zweimal täglich 50 mg selten und mit denjenigen von therapeutischen Salbutamol-Dosen vergleichbar. Höhere Dosen verursachen die erwähnten Nebenwirkungen häufiger.
In den bisher veröffentlichten Studien ist in bezug auf die bronchodilatatorische Wirkung von Salmeterol keine Toleranzentwicklung beobachtet worden, d.h. die initial wirksame Dosis bewirkte auch nach drei Monaten noch eine gleichwertige Bronchodilatation.(6,13) In einer Doppelblindstudie wurde aber auch die Wirkung von Salmeterol auf die Überempfindlichkeit der Atemwege auf Methacholin geprüft. Hier ergab Salmeterol anfänglich einen deutlichen Schutz gegen die Methacholin-Provokation; nach vier und acht Wochen regelmässiger Behandlung war dieser Schutzeffekt aber weitgehend verschwunden.(13)
Ein Rebound-Phänomen nach Absetzen von Salmeterol ist nicht beobachtet worden.(1)

Dosierung, Verabreichung, Kosten

Salmeterol (Serevent®) ist als Dosieraerosol (25 mg pro Sprühstoss) und als Pulverinhalation (mit Diskhaler, 50 mg pro Inhalation) erhältlich. Das Medikament ist bisher nicht kassenzulässig. Es wird empfohlen, zweimal täglich 50 mg zu inhalieren; in schweren Fällen kann die Dosis verdoppelt werden. Von der Verabreichung an Kinder wird vorläufig mangels genügender Daten abgeraten. Die Erfahrungen mit Salmeterol in der Schwangerschaft sind noch sehr begrenzt. Besondere Vorsicht ist bei kardiovaskulären Erkrankungen, bei Hyperthyreose und bei Diabetes mellitus angezeigt.
Die Tageskosten einer Salmeterolbehandlung sind sehr hoch: sie liegen zwischen Fr. 2.65 (übliche Dosis, grosse Packung) und Fr. 6.10 (doppelte Dosis, kleine Packung). Eine übliche Formoteroldosis (2mal 12 mg) kostet 1 Franken pro Tag, mit Salbutamol-Generika (z.B. Ecovent®, 4mal 200 mg) liegen die Tageskosten bei 65 Rappen.

Kommentar

Wie mit Formoterol ist mit Salmeterol die Möglichkeit gegeben, mittels einer Inhalation alle 12 Stunden eine praktisch kontinuierliche betamimetische Wirkung aufrechtzuerhalten. Die Vorteile -- insbesondere für Personen mit einem nächtlichen oder frühmorgendlichen Asthma -- erscheinen offensichtlich. Es ist schade, dass Salmeterol bisher nicht genauer mit dem wesentlich billigeren Formoterol verglichen worden ist. Im Gegensatz zu den kurzwirkenden Betamimetika (und zu Formoterol) zeichnet sich Salmeterol durch einen leicht verzögerten Wirkungseintritt aus. Zweifellos eignet sich das neue Medikament nur für eine regelmässige Anwendung und nicht für den Einsatz «nach Bedarf».
Salmeterol hat möglicherweise nicht nur bronchodilatatorische, sondern noch andere (entzündungshemmende?) Wirkungen. Diese sind aber bisher viel zu wenig identifiziert, als dass man deswegen eine echte entzündungshemmende Behandlung mit Kortikosteroiden vernachlässigen dürfte!
Die Frage, ob Betamimetika besser regelmässig oder «nach Bedarf» angewendet werden, ist auch heute noch nicht klar beantwortet. In diesem Zusammenhang verdient die Studie, die unter Salmeterol einen abnehmenden Schutz vor Bronchospasmen durch Methacholin-Provokation fand, besondere Beachtung. Sorgfältige Langzeitstudien sind unerlässlich,   um   einen   echten Nutzen   der   langwirkenden   Betamimetika sicherzustellen.

Literatur

  1. 1) Brogden RN, Faulds D. Drugs 1991; 42: 895-912
  2. 2) Twentyman OP et al. Lancet 1990; 336: 1338-42
  3. 3) Lipworth BJ. Drug Saf 1992; 7: 54-70
  4. 4) Dahl R et al. Eur Respir J 1991; 4: 1178-84
  5. 5) Fitzpatrick MF et al. Br Med J 1990; 301: 1365-8
  6. 6) Pearlman DS et al. N Engl J Med 1992; 327: 1420-5
  7. 7) Britton M. Eur Respir J 1990; 3: 226s
  8. 8) Fjellbirkeland L, Gulsvik A. Clin Exp Allergy 1990; 20 (Suppl 1): 94
  9. 9) Anderson SD et al. Chest 1991; 100: 1254-60
  10. 10) Guerin JC et al. Rev Mal Respir 1992; 9 (Suppl 1): R27-30
  11. 11) Green CP, Price JF. Arch Dis Child 1992; 67: 1014-7
  12. 12) Verberne A et al. Am Rev Respir Dis 1991; 4 (Suppl A): A20
  13. 13) Cheung D et al. N Engl J Med 1992; 327: 1198-203

Standpunkte und Meinungen

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Salmeterol (14. November 1992)
Copyright © 2024 Infomed-Verlags-AG
pharma-kritik, 14/No. 21
PK527
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