Behandlung des Vorhofflimmerns

Update

Mit zunehmendem Alter erkranken immer mehr Personen an einem Vorhofflimmern; die Prävalenz bei über 75jährigen überschreitet 10%. Damit ist es bei uns die häufigste behandelte Herzrhythmusstörung. Pathogenetisch spielen multiple «Reentry»-Kreise in der Vorhofwand eine wichtige Rolle. Ektope Foci vor allem im Bereich der Pulmonalvenen können an der Entstehung der Arrhythmie beteiligt sein. Die wichtigsten Ursachen sind die hypertensive und die koronare Herzkrankheit. Klappenvitien sind zahlenmässig in den Hintergrund getreten. Seltener sind extrakardiale Ursachen wie Hyperthyreose, übermässiger Alkoholkonsum oder Infekte. Diese sollten aber nicht vergessen werden, weil sie einer spezifischen Behandlung zugänglich sind.
Zur weiterführenden Diagnostik gehören in der Praxis nebst Anamnese, Klinik, Ruhe-EKG und Thorax-Röntgenbild die «Routine»-Laboruntersuchungen sowie ein basales TSH. Mit dem Belastungs-EKG und der Echokardiographie können Hinweise auf eine koronare Herzkrankheit gefunden und strukturelle Veränderungen dargestellt werden. Vor allem bei jüngeren Personen findet man oft keine Ursache und es wird dann von einem idiopathischen Vorhofflimmern («lone atrial fibrillation ») gesprochen.
Das Herz-Zeitvolumen wird durch das Flimmern der Vorhöfe und die unregelmässige und meistens verkürzte Ventrikelfüllung vermindert. Insbesondere bei vorbestehender kardialer Erkrankung kann ein tachykardes oder bradykardes Vorhofflimmern Herzinsuffizienz, Angina pectoris oder Synkopen verursachen. Bei einem Teil der Betroffenen bleiben Symptome aber gänzlich aus. Das Sterberisiko ist bei anhaltendem Vorhofflimmern um das 1,5- bis 1,9fache erhöht, die wichtigste Komplikation sind arterielle Embolien.(1-3)
Eine Kontrolle der Kammerfrequenz zur Verbesserung der hämodynamischen Situation und eine wirksame Thromboembolie- Prophylaxe sind die wichtigsten Elemente bei der Behandlung des Vorhofflimmerns. Das ideale Therapieziel, die Wiederherstellung eines Sinusrhythmus, lässt sich häufig nur vorübergehend erreichen. In neuen Studien konnte kein prognostischer Nutzen einer Rhythmuskontrolle mit elektrischer oder medikamentöser Konversion und antiarrhythmischer Rezidivprophylaxe dokumentiert werden: In einer randomisierten Studie (AFFIRM) bei ungefähr 4'000 Personen mit Vorhofflimmern und einem hohen Risiko für einen Schlaganfall wurde die Strategie «Rhythmuskontrolle» mit der Strategie «Frequenzkontrolle» verglichen. Nach einer durchschnittlichen Beobachtungszeit von 3,5 Jahren war kein signifikanter Mortalitätsunterschied festzustellen. Nach 18 bis 24 Monaten Behandlung nahmen die Todesfälle unter «Rhythmuskontrolle» gegenüber der Vergleichsgruppe zu.(4) In einer ähnlich angelegten Studie (RACE) bei etwa 500 Kranken fand sich nach 3 Jahren ein ähnliches Resultat: Herzinsuffizienz, thromboembolische Komplikationen und andere schwere Nebenwirkungen waren häufiger in der Gruppe, die mit Elektrokonversionen und Antiarrhythmika behandelt wurde; die Mortalität war in den beiden Gruppen praktisch gleich.(5)

Frequenzkontrolle

In einer Notfallsituation bei schlecht toleriertem Vorhofflimmern werden Medikamente zur Kontrolle der Kammerfrequenz in der Regel intravenös verabreicht. Dies setzt die Möglichkeit für eine engmaschige Kontrolle von Herzfrequenz und Blutdruck voraus.
Kalziumantagonisten wie Diltiazem (Dilzem® u.a.) und Verapamil (Isoptin® u.a.) oder Betablocker wie Metoprolol (Lopresor ®) und Esmolol (Brevibloc®) ermöglichen eine schnelle Frequenzsenkung. Alle diese Präparate können eine vorbestehende Herzinsuffizienz wegen der negativ-inotropen Wirkung verschlechtern, wobei vor allem bei intravenöser Applikation Vorsicht geboten ist. Esmolol hat eine Halbwertszeit von lediglich 10 Minuten, was den Vorteil hat, dass allfällige unerwünschte Wirkungen rasch wieder abklingen. Digoxin senkt die Kammerfrequenz zwar ebenfalls und ist nicht negativ-inotrop.(6)
Bei stabiler hämodynamischer Situation und beim chronischen Vorhofflimmern können die gleichen Medikamente (mit Ausnahme von Esmolol) oral verabreicht werden. Ein Vorteil der Betablocker ist der auch hinsichtlich Prognose gut dokumentierte Nutzen bei verschiedenen Herzkrankheiten. Heute werden meistens kardioselektive Betablocker wie Metoprolol (Beloc ZOK® u.a.), Atenolol (Tenormin® u.a.) oder Bisoprolol (Concor®) eingesetzt. Bei einer vorbestehenden Herzinsuffizienz soll mit einer niedrigen Dosis (z.B. täglich 12,5 bis 25 mg Metoprolol) begonnen und langsam hochtitriert werden. Wenn keine koronare Herzkrankheit und keine Herzinsuffizienz vorliegen, können Diltiazem und Verapamil als den Betablockern ebenbürtig angesehen werden. Digoxin war lange das Mittel zur Frequenzkontrolle beim Vorhofflimmern, denn die Ruhefrequenz kann damit häufig gut kontrolliert werden. Dagegen wird von Digoxin der Frequenzanstieg unter Belastung weniger gut beeinflusst. Ältere Leute, die wenig körperlich aktiv sind, empfinden dies weniger als aktivere. Digoxin kann mit Betablockern oder Kalziumantagonisten kombiniert werden. Zu beachten ist, dass die gleichzeitige Verabreichung von Verapamil (weniger auch von Diltiazem) zu einer Erhöhung des Digoxinspiegels führt.(2,3)
Ein Einsatz von Antiarrhythmika wie Sotalol (Sotalex® u.a.) oder Amiodaron (Cordarone® u.a.) zur Frequenzkontrolle wird von den meisten Fachleuten abgelehnt. Als «ultima ratio» bei ungenügender medikamentöser Kontrolle der Herzfrequenz kann eine Radiofrequenz-Ablation des AV-Knotens durchgeführt und ein Frequenz-adaptierender Schrittmacher implantiert werden.(2)

Konversion in Sinusrhythmus

In etwa zwei Dritteln der Fälle konvertiert ein Vorhofflimmern, das neu aufgetreten ist, innerhalb von 24 Stunden spontan wieder in einen Sinusrhythmus. Mit elektrischer Kardioversion und/oder antiarrhythmischer Medikation lässt sich die Konversionsrate erhöhen. Da ein längerfristiger Nutzen bezüglich Überleben oder Komplikationen nicht nachgewiesen werden konnte, müssen elektrische und medikamentöse Konversion heute als symptomatische Behandlungen gewertet werden. Indikationen sind vorwiegend Symptome einer Herzinsuffizienz oder einer koronaren Herzkrankheit, die ungenügend auf eine frequenzsenkende Therapie ansprechen.
Da eine Konversion das Risiko für eine Embolie erhöht, gelten folgende Richtlinien bezüglich einer Thromboembolie- Prophylaxe: Wenn das Vorhofflimmern seit weniger als 48 Stunden besteht, kann eine Antikoagulation mit Heparin begonnen und eine frühe Kardioversion durchgeführt werden. Bei unbekannter oder längerer Dauer gilt eine dreiwöchige orale Antikoagulation vor einem Konversionsversuch als Voraussetzung.
Eine frühe Kardioversion unter Heparin gilt heute als vertretbar, wenn sich mit einer transösophagealen Echokardiographie darstellen lässt, dass die Vorhöfe thrombenfrei sind. Dieses Vorgehen wurde in einer randomisierten Studie bei über 1000 Personen geprüft: dabei waren Embolien nur wenig häufiger als in der Kontrollgruppe (0,8% gegenüber 0,5%, Unterschied nicht signifikant) und schwerere Blutungen (meist im Magen-Darm-Trakt) seltener. Ein initialer Vorteil bezüglich Konversionsrate war allerdings nach acht Wochen nicht mehr nachweisbar und Todesfälle waren tendenziell häufiger (2,4% gegenüber 1,0%; p=0,06).(7)
Nach einer erfolgreichen Konversion soll die Antikoagulation für mindestens 4 Wochen weitergeführt werden. Eine neuere Studie zeigte allerdings, dass das Schlaganfallrisiko weiterhin erhöht ist, auch wenn diese Minimaldauer der Antikoagulation eingehalten wird. Deshalb wird gegenwärtig diskutiert, ob die Mindestdauer auf drei Monate erhöht werden soll.

Elektrische Konversion

Mit der Applikation eines zum QRS-Komplex synchronisierten Gleichstrom-Stosses zwischen 100 und 360 J lässt sich ein Vorhofflimmern in etwa 80% der Fälle zumindest vorübergehend in einen Sinusrhythmus konvertieren. Die Erfolgsaussichten für eine Konversion sind grösser und die Risiken besser kontrollierbar als bei einer medikamentösen Konversion. Die Durchführung verlangt eine Reanimations-Bereitschaft und eine Kurznarkose. Dringende Indikationen sind ein Vorhofflimmern, das zu einer hämodynamisch instabilen Situation geführt hat und ein Vorhofflimmern bei einem Präexzitationssyndrom, wo die Kammerfrequenz durch rasche Überleitung über das akzessorische Bündel sehr rasch sein kann.
Neuere Geräte ermöglichen neben dem monophasischen auch einen biphasischen Stromstoss. In einer Studie bei 200 Personen konnte so die durchschnittliche Anzahl benötigter Stromstösse, die benötigte Gesamtenergie und das Ausmass der Hautreaktionen reduziert werden.(8)

Medikamentöse Konversion

Verschiedene Antiarrhythmika erhöhen die Konversionsrate bei einem Vorhofflimmern. Dazu zählen Medikamente der Klasse Ia wie Chinidin (z.B. Kinidin-Duriles®) und Disopyramid (Norpace®), der Klasse Ic wie Propafenon (Rytmonorm®) und Flecainid (Tambocor®) und der Klasse III wie Amiodaron (z.B. Cordarone®). Bei Sotalol (z.B. Sotalex®) hingegen findet man bezüglich Konversionsrate überwiegend negative Resultate.(9)
Der Stellenwert der medikamentösen Konversion bei Vorhofflimmern ist heute insgesamt gering. Hauptproblem ist dabei die Proarrhythmie der Antiarrhythmika, d.h. sie können selbst gefährliche Rhythmusstörungen (z.B. «Torsades de pointes») verursachen. Für Mittel aus der Klasse Ic wurde gezeigt, dass sie in der Behandlung ventrikulärer Rhythmusstörungen bei Personen mit koronarer Herzkrankheit die Mortalität sogar erhöhen. Bei der Klasse Ia bestehen ebenfalls solche Hinweise, der Zusammenhang ist aber weniger gut belegt.
Neuere Studien konzentrierten sich deshalb auf Amiodaron. In eine Placebo-kontrollierte randomisierte Studie wurden über 200 Personen mit Vorhofflimmern unterschiedlicher Dauer aufgenommen. Amiodaron wurde initial als Infusion, anschliessend oral verabreicht (1 Woche Tagesdosis 600 mg, danach 400 mg). Innerhalb von 24 Stunden waren in der Amiodarongruppe 61% und in der Kontrollgruppe 40% in einen Sinusrhythmus konvertiert. Nach 30 Tagen hatten 81% der mit Amiodaron Behandelten einen Sinusrhythmus, aber weiterhin nur 40% der Placebo-Behandelten.(10) In einer kleineren Studie bei Personen mit neu aufgetretenem Vorhofflimmern konvertierten nach einer einmaligen hohen oralen Dosis (30 mg/kg p) 87% der Behandelten innerhalb von 24 Stunden gegenüber 35% in der Placebogruppe.(11)
In der Schweiz ist auch Ibutilid (Corvert®) erhältlich, ein neueres Antiarrhythmikum der Klasse III, das intravenös verabreicht werden muss. Es wird mit einer durchschnittlichen Halbwertszeit von 6 Stunden eliminiert und führt dosisabhängig zu einer Verlängerung des QT-Intervalls im EKG. In drei Studien wurde die Wirksamkeit bei der Konversion eines Vorhofflimmerns gegenüber Placebo gezeigt.(9) Im Vergleich mit Sotalol führte eine einmalige Gabe von 2 mg Ibutilid i.v. bei 44% innerhalb einer Stunde zu einer Konversion, signifikant mehr als nach 1 mg Ibutilid (20%) oder Sotalol 1,5 mg/kg (11%). Kammertachykardien wurden nach 2 mg Ibutilid bei 9% und nach 1 mg bei 5% registriert (gegenüber 4% unter Sotalol). In einem Fall musste wegen einer anhaltenden Kammertachykardie elektrisch konvertiert werden.(12) Ein Vorteil von Ibutilid gegenüber der besser dokumentierten elektrischen Konversion ist nicht belegt.

Rezidivprophylaxe

Ausser wenn ein äusserer Anlass wie beispielsweise eine Operation, ein Infekt oder ein Alkoholexzess das Vorhofflimmern ausgelöst hatte, ist auf die Dauer das Risiko für Rückfälle und einen Übergang in ein chronisches Vorhofflimmern hoch. Antiarrhythmika können das Risiko für einen Rückfall vermindern. Allerdings konnte nicht gezeigt werden, dass damit auch die Überlebens- oder Komplikationsrate gesenkt würde. Eine gute Behandlung einer kardialen Grundkrankheit reduziert das Rezidivrisiko ebenfalls.
In einer randomisierten Studie bei Personen mit einer linksventrikulären Dysfunktion nach einem Myokardinfarkt halbierte eine Behandlung mit einem ACE-Hemmer die Inzidenz des Vorhofflimmerns.(13) In einer weiteren randomisierten Studie bei rund 400 Personen wurde untersucht, ob auch Metoprolol das Rezidivrisiko verringert. Nach Konversion eines Vorhofflimmerns von mindestens 3 Tagen Dauer wurde Placebo oder retardiertes Metoprolol (einmal täglich 50 bis 200 mg) verabreicht. Nach 6 Monaten war in der Metoprololgruppe bei 49% ein Rezidiv eingetreten gegenüber 60% in der Kontrollgruppe (Unterschied signifikant).(14)
Sotalol weist neben Betablocker- auch antiarrhythmische Eigenschaften der Klasse III auf. In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass Sotalol das Rezidivrisiko nach einem Vorhofflimmern senkt. In einer Studie beispielsweise bei Personen mit mindestens 4 dokumentierten Episoden mit Vorhofflimmern waren Sotalol und Propafenon ähnlich wirksam. Während eines Jahres blieben unter Sotalol 73%, unter Propafenon 63%, unter Placebo aber nur 35% der Behandelten im Sinusrhythmus.(15)
Auch bei der Rezidivprophylaxe konzentrierte sich die Forschung in den letzten Jahren auf Amiodaron und neuere Antiarrhythmika der Klasse III. In einer randomisierten Studie erhielten 400 Personen, die eine mindestens 10-minütige Episode mit Vorhofflimmern gehabt hatten, Amiodaron oder Sotalol oder Propafenon. In den ersten 14 Tagen betrug die Tagesdosis von Amiodaron 10 mg/kg, dann für 4 Wochen 300 mg und schliesslich 200 mg. Nach durchschnittlich 16 Monaten hatten unter Amiodaron nur 35%, unter Sotalol oder Propafenon jedoch 63% einen Rückfall erlitten (Unterschied signifikant). Amiodaron musste aber häufiger wegen unerwünschten Wirkungen abgebrochen werden (18% gegenüber 11%).(16)
Dofetilid, ein weiteres, bisher in der Schweiz nicht erhältliches Antiarrhythmikum der Klasse III, erhöhte bei Personen mit Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz oder koronarer Herzkrankheit die Chance für eine Konversion und senkte das Risiko für einen Rückfall. Die Mortalität wurde zwar durch die Intervention nicht beeinflusst, die Behandelten mussten aber seltener wegen einer Herzinsuffizienz hospitalisiert werden.(17)
Auch Schrittmacher-Techniken können unter gewissen Umständen das Risiko für das Auftreten eines Vorhofflimmerns vermindern. Eine Schrittmacher-Implantation kommt aber nur in Frage, wenn die Indikation wegen bradykarder Phasen gegeben ist. Die Radiofrequenz-Ablation ektoper Foci im Vorhof, in den Lungenvenen oder in der Vena cava ist immer noch als experimentelles Verfahren anzusehen. Chirurgische und mittels Herzkatheter durchgeführte Eingriffe an den Vorhöfen zur Verhinderung von Rezidiven (sogenannte «Maze»-Techniken) kommen nur bei schwersten, therapieresistenten Erkrankungen in Frage.(2)

Antikoagulation/Plättchenhemmung

Ein Vorhofflimmern ist mit einem erhöhten Risiko für arterielle Embolien verbunden; Schlaganfälle sind dabei die wichtigste Manifestation. Sechs placebokontrollierte Studien aus den Jahren 1989 bis 1992 haben gezeigt, dass eine orale Dauerantikoagulation auch bei nicht-valvulärem Vorhofflimmern das Schlaganfall-Risiko signifikant reduziert. Zusammengenommen waren die «Odds» für einen Schlaganfall unter oraler Antikoagulation um etwa 66% niedriger als in den Kontrollgruppen. Behandelte mit intermittierendem Vorhofflimmern profitierten dabei in ähnlichem Ausmass wie solche mit andauerndem Vorhofflimmern. Je nach Studie wurde das Schlaganfall- Risiko absolut um 1,5% bis 14% reduziert. Unter der Antikoagulation war aber das Risiko für schwerere Blutungen insgesamt mehr als doppelt so hoch als bei den Kontrollen und betraf zwischen 0,3% und 5,8% der Behandelten. Die Mortalität war unter der Antikoagulation um 26% niedriger als in den Kontrollgruppen (Unterschied nicht signifikant).(18)
Weniger eindeutig sind die Ergebnisse einer plättchenhemmenden Behandlung mit Acetylsalicylsäure (ASS = Aspirin® u.a.). Die placebokontrollierten Studien zeigten heterogene Resultate, wohl teilweise wegen unterschiedlicher ASS-Dosierungen (zwischen 75 mg und 325 mg täglich). Zusammengenommen betrug die Reduktion der Schlaganfälle 20% (Unterschied nicht signifikant); das Blutungsrisiko war unter ASS jedoch kaum erhöht. Direkte Vergleiche zwischen verschiedenen ASSDosierungen fehlen, auf Grund der indirekten Vergleiche empfehlen die meisten Fachleute zur Thromboembolie-Prophylaxe beim Vorhofflimmern eine tägliche Dosis von 300 mg ASS. Beim direkten Vergleich von Antikoagulation und ASS war das Schlaganfall-Risiko zusammengenommen unter oraler Antikoagulation um 35% kleiner und das Blutungsrisiko nicht signifikant höher. Auch hier bleibt hinter der Aussage aber ein Fragezeichen wegen der Heterogenität der Studien.(18)
Ein erhebliches Problem besteht in der Übertragbarkeit dieser Studienresultate in den klinischen Praxis-Alltag, da sie an ausgewählten, «studientauglichen» Untersuchten gewonnen wurden. Einen Hinweis darauf, dass das Nutzen-Risiko-Verhältnis in der Praxis ungünstiger sein könnte, gibt eine Untersuchung aus Dänemark. Das Schlaganfall-Risiko bei Personen mit Vorhofflimmern wurde dort auf Grund systematisch erhobener Daten aus der Allgemeinbevölkerung berechnet. Für antikoagulierte Personen zeigte sich zwar ebenfalls ein niedrigeres Risiko als für nicht-antikoagulierte, die relative Risikoreduktion war mit 40% aber kleiner als in den randomisierten Studien. (19) Bei der Entscheidung für oder gegen eine antithrombotische Therapie sollen deshalb andere Risikofaktoren mitberücksichtigt werden (siehe Tabelle 1). Bei Personen im Alter unter 65 Jahren und fehlenden anderen Risikofaktoren ist der zu erwartende Nutzen einer Antikoagulation klein. Die meisten Fachleute halten in dieser Gruppe eine orale Antikoagulation für nicht angezeigt. In jedem Fall soll bei der Entscheidung das individuelle Blutungsrisiko berücksichtigt werden. Bei der oralen Antikoagulation gilt für Personen mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern ein INR-Wert zwischen 2,0 und 3,0 als Bereich mit dem günstigsten Nutzen-Risiko-Verhältnis.(2,3)

Schlussfolgerungen

Das Vorhofflimmern bleibt eine wichtige Herausforderung in der medizinischen Praxis. Wesentliche Elemente bei der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern sind die Kontrolle der Kammerfrequenz und die Thromboembolie- Prophylaxe mit Antikoagulantien oder Plättchenhemmern. Neue Studien stellen den prognostischen Nutzen von elektrischer oder medikamentöser Konversion und antiarrhythmischer Rezidivprophylaxe in Frage. Als Indikation für diese Therapien bleibt eine ungenügende Beeinflussung der Symptome durch eine medikamentöse Frequenzkontrolle. Amiodaron scheint momentan die wirksamste Option zur Verhinderung von Rückfällen zu sein. Da dieses Medikament aber vielfältige unerwünschte Wirkungen hervorrufen kann, muss es mit Zurückhaltung eingesetzt werden. Die Bedeutung der Antiarrhythmika der Klasse I hat angesichts ihrer heute besser bekannten Gefährlichkeit weiter abgenommen.
Der Nutzen der oralen Antikoagulation zur Verhinderung von Schlaganfällen ist bei entsprechender Risikokonstellation klar belegt. Im Einzelfall müssen die Risiken für eine Embolie und eine Blutung aber gegeneinander abgewägt werden. Die Acetylsalicylsäure verhindert Embolien weniger zuverlässig als eine orale Antikoagulation und stellt bei entsprechendem Risiko die Behandlung zweiter Wahl dar. Bei niedrigem Embolie- Risiko fehlen klare Daten, viele Fachleute befürworten aber auch bei diesen den Einsatz von Acetylsalicylsäure.

Standpunkte und Meinungen

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Behandlung des Vorhofflimmerns (11. Dezember 2002)
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pharma-kritik, 24/No. 11
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