Systemische Nebenwirkungen von Augentropfen

  • Autor(en): Urspeter Masche
  • Reviewer: Josef Flammer, Peter J. Meier-Abt, Hannes Wildberger
  • pharma-kritik-Jahrgang 11 , Nummer 05, PK614
    Redaktionsschluss: 14. März 1989

Übersicht

Sowohl diagnostisch als auch therapeutisch werden Augentropfen mit pharmakologisch aktiven Substanzen häufig verwendet. So ist eine eingehende Untersuchung der Retina oft nur bei weiten Pupillen möglich und erfordert deshalb den Einsatz von Mydriatika. In der Therapie spielen Augentropfen z.B. bei der Behandlung des Weitwinkelglaukoms (Glaucoma chronicum simplex) -- einer Erkrankung, die mehr als 1% der über Vierzigjährigen betrifft -- eine grosse Rolle.
Fast alle Augentropfen können systemische Nebenwirkungen verursachen. Berichte über solche Effekte sind schon vor Jahrzehnten publiziert worden und haben deutlich zugenommen, seit Betablocker in die Glaukomtherapie eingeführt worden sind.

Zur Pharmakokinetik von Augentropfen

Die Pharmakokinetik von Augentropfen wird zu einem namhaften Teil von der Anatomie und Physiologie des Tränensystems bestimmt. Das Volumen der Tränenflüssigkeit beträgt etwa 7 mcl pro Auge; davon wird in der Minute rund ein Sechstel ausgetauscht. Unter normalen Bedingungen hängt diese Rate in erster Linie von der Sekretion der Tränendrüsen ab; von seiten der ableitenden Tränenwege besteht eine Reserve, das heisst, auch grössere Flüssigkeitsvolumina können ohne Rückstau rasch abfliessen. Da ein Augentropfen üblicherweise mindestens 50 mcl misst, erhöht er das Tränenvolumen erheblich. Kurzfristig kann im Bindehautsack eine Flüssigkeitsmenge von 30 mcl behalten werden; innerhalb weniger Minuten wird aber das ursprüngliche Tränenvolumen wiederhergestellt, indem die überschüssige Flüssigkeit entweder gleich wieder nach aussen oder dann in die Tränenwege rinnt. Man schätzt, dass auf diese Art über 80% eines Augentropfens mit der entsprechenden Medikamentenmenge aus dem Auge wegfliessen.(1)
Ins Auge getropfte Medikamente gelangen über verschiedene Wege in den Blutkreislauf. Zum einen nehmen die konjunktivalen Gefässe einen Teil auf, zum andern läuft -- wie oben dargelegt -- eine beträchtliche Menge in die Tränenwege und kann auf diese Weise von den Schleimhäuten des Nasen-Rachen-Raumes und des Magen-Darm- Traktes aufgenommen werden. Diejenige Substanzmenge, die nicht erst im Magen-Darm-Trakt resorbiert wird, umgeht das portale Gefässystem und damit den hepatischen «First-pass»-Metabolismus. Wird ein Medikament in Form von Augentropfen verabreicht, so können sich Plasmakonzentrationen ergeben, die bei oraler Verabreichung nur mit weit höheren Dosen erreicht werden.
In zwei Studien wurden die Plasmakonzentration und die im Urin ausgeschiedene Substanzmenge nach Applikation von Timolol-Augentropfen (Timoptic®, 0,5%ige Lösung) untersucht. Sowohl nach Einzeldosen als auch nach einer mehrtägigen Therapie lag bei mehr als der Hälfte der Fälle die Konzentration unter der erfassbaren Grenze; bei einigen Untersuchten fand man aber maximale Plasmaspiegel von 1 bis 6 mcg/l. Im Urin konnte Timolol bei allen Analysen nachgewiesen werden.(2,3) (Zum Vergleich: Wenn Timolol oral verabreicht wird, liegt nach üblichen Dosen die Plasmakonzentration zwischen 15 und 20 mcg/l; erste Zeichen einer Betablocker-Wirkung können -- zum Beispiel am Herzen -- allerdings schon bei einer Konzentration von 3 bis 5 mcg/l festgestellt werden.(4))
Bei Kindern ist das Verhältnis zwischen den via Bindehautsack, Tränenabflussystem und Nasen-Rachen-Raum resorbierten Wirkstoffmengen und dem Körpergewicht be sonders ungünstig. So können auch niedrigkonzentrierte Augentropfen    hohe    Plasmaspiegel    verursachen. Fünf Säuglinge bzw. Kleinkinder erhielten während einer Allgemeinanästhesie in jedes Auge einen Tropfen einer 0,25%igen Timolol-Lösung. In drei Fällen fanden sich Plasmaspiegel zwischen 15 und 34 mcg/l.(4) Auch Atropintropfen, wie sie z.B. vor einer Skiaskopie appliziert werden, können zu eigentlichen Vergiftungserscheinungen führen.
Es besteht also kein Zweifel, dass Augentropfen bei einzelnen Patienten Plasmakonzentrationen erzeugen, die zu systemischen Wirkungen führen können.

Systemische Nebenwirkungen der einzelnen Substanzen


Betablocker


Der erste Betablocker, der -- Ende der siebziger Jahre -- zur lokalen Therapie des Weitwinkelglaukoms eingeführt wurde, war Timolol (Timoptic®). Klinische Studien belegen, dass Timolol-Augentropfen vor allem das kardiovaskuläre und das respiratorische System messbar beeinflussen. Sowohl in Ruhe wie unter Belastung können Herzfrequenz, mittlerer arterieller Blutdruck und Sauerstoffverbrauch signifikant reduziert werden.(5) Bei sieben Glaukompatienten, die unter einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung litten, führten Timolol-Augentropfen zu einer Zunahme der Bronchokonstriktion; zum Beispiel verringerte sich das maximale Atemsekundenvolumen (FEV1) um durchschnittlich 17%.(6)
In den USA wurden Timolol-Augentropfen zwischen 1978 und 1985 schätzungsweise 40 Millionen Mal verschrieben. In dieser Zeitspanne wurden 450 ernsthafte kardiovaskuläre oder respiratorische Nebenwirkungen sowie 32 Todesfälle registriert, die wahrscheinlich im Zusammenhang mit den Timolol-Augentropfen standen. Am häufigsten wurden kardiale Arrhythmien und Bronchospasmen, seltener Synkopen, zerebrovaskuläre Ereignisse (wahrscheinlich infolge einer zerebralen Minderperfusion), Herzinsuffizienz und Dyspnoe beobachtet. Von den 450 Patienten konnten 212 näher befragt werden; davon gaben 194 an, dass bei ihnen bereits eine kardiovaskuläre bzw. respiratorische Vorerkrankung bestanden hatte. Die Todesfälle waren in der Mehrzahl ebenfalls auf eine plötzliche kardiovaskuläre oder respiratorische Erkrankung zurückzuführen. Nach dieser retrospektiven Untersuchung scheint die Konzentration der Timolol-Lösung eine untergeordnete Rolle zu spielen; systemische Nebenwirkungen wurden durch die 0,5%ige Lösung nicht wesentlich häufiger verursacht als durch die 0,25%ige.(7)
Es sind Patienten bekannt, bei denen die Kombination von Timolol-Augentropfen mit oral eingenommenen Mitteln (Verapamil(8) oder Chinidin(9)) Bradykardien auslöste.
Eine andere retrospektive Untersuchung aus den USA fasst die neurologischen und psychiatrischen Nebenwirkungen zusammen, die, ebenfalls zwischen 1978 und 1985, nach der Gabe von Timolol-Augentropfen beobachtet wurden. Insgesamt gingen 369 Meldungen ein; unter anderem wurden Depressionen, Verwirrtheitszustände, Psychosen, Myalgien und periphere Neuropathien beobachtet. (10)
Unter Timolol-Augentropfen können auch sexuelle Störungen wie Impotenz und Libidoabnahme vorkommen.(11) Weitere systemische Nebenwirkungen, die gemäss den vorliegenden Daten bislang erst einzelne Patienten betroffen haben, sind: Abschwächung von Hypoglykämiesymptomen beim Diabetiker,(12) Hyperkaliämie,(13) Knieschmerzen, (14) Verschlechterung einer Myasthenia gravis(15) sowie eine reversible Braunpigmentierung von Finger- und Zehennägeln (Timolol-Metaboliten sollen die Melanozyten beeinflussen).(16)
Mittlerweile werden in der Schweiz weitere Betablocker zur lokalen Glaukomtherapie angeboten. Levobunolol (Vistagan®) und Metipranol (Turoptin®) sind wie Timolol nicht-selektive Betablocker. Carteolol (Arteoptic®) ist ein Betablocker mit sympathomimetischer Eigenaktivität («intrinsic sympathomimetic activity»); ob sich daraus zum Beispiel für Herzkranke ein klinischer Nutzen ergibt, ist zweifelhaft: In einer kleinen Doppelblindstudie mit sechs gesunden Personen, in der man 2%iges Carteolol mit 0,5%igem Timolol verglich, fand man in bezug auf Blutdruck und Herzfrequenz keinen nennenswerten Unterschied. (17)Betaxolol (Betoptic®) ist ein b1- bzw. kardioselektiver Betablocker. Es wurde gezeigt, dass eine 1%ige Betaxolol-Lösung die Luftwege signifikant weniger verengt als eine 0,5%ige Timolol-Lösung.18 Aber auch nach der Verabreichung von Betaxolol-Augentropfen traten vereinzelt Atembeschwerden auf, 19 so dass auch diese Substanz bei Patienten mit chronisch-obstruktiver Lungenkrankheit nur mit grosser Vorsicht angewendet werden soll. (In höherer Dosierung oder bei empfindlichen Patienten vermögen auch die b1-selektiven Antagonisten b2- Rezeptoren zu beeinflussen.)

Sympathomimetika

Phenylephrin
(z.B. Neo-Synephrine®), ein selektiver a-Rezeptoren- Agonist, wird als (kurzwirksames) Mydriatikum eingesetzt. Phenylephrin-Augentropfen können Kopfschmerzen, Zittern, Schweissausbrüche und, durch eine Konstriktion peripherer Gefässe, hypertensive Reaktionen verursachen. Wahrscheinlich kann ein von Phenylephrin ausgelöster Blutdruckanstieg sogar zu einem Myokardinfarkt oder zur Aneurysmenruptur eines zerebralen Gefässes führen.(20) Die Gefahr einer hypertensiven Reaktion scheint bei Diabetikern (mit einer autonomen Neuropathie des Sympathikus) und bei Patienten, die gleichzeitig Sympatholytika (Reserpin, Guanethidin) einnehmen, besonders gross zu sein.(21) Trizyklische Antidepressiva, Monoaminooxydase-Hemmer (MAO-Hemmer) und Atropin können die Wirkungen von Phenylephrin auf den Blutdruck ebenfalls verstärken.(20)
Adrenalin (Epinephrin, Eppy N®, Isopto-Epinal®) stimuliert sowohl a- als auch b-Rezeptoren und wird in der Ophthalmologie zur Glaukomtherapie verwendet. Systemische Effekte betreffen in erster Linie Herz und Kreislauf. Tachykardien, eine erhöhte Rate von Extrasystolen sowie Blutdruckanstieg wurden beobachtet, und man muss davon ausgehen, dass Adrenalin-Augentropfen auch gefährliche Arrhythmien zu induzieren vermögen. Bei herzkranken oder hyperthyreoten Patienten sollten Adrenalin- Augentropfen deshalb nicht verschrieben werden.(22)
Das Adrenalin-Derivat Dipivefrin (Diopine®) wird möglicherweise besser vertragen, da es niedriger dosiert werden kann.

Parasympatholytika

Parasympatholytika (Anticholinergika) benutzt man zur Mydriase und zur Zykloplegie (Lähmung der Akkommodation). Zur Zeit stehen in der Schweiz fünf Substanzen zur Verfügung: Atropin (z.B. Skiatropin®), Homatropin (Homatropine «Dispersa»), Scopolamin (Scopolamine «Dispersa»), Tropicamid (Mydriaticum «Dispersa») und Cyclopentolat (Cyclogyl®). Als systemische Nebenwirkungen parasympatholytischer Augentropfen treten allgemeine anticholinergische Effekte auf (z.B. trockene Schleimhäute, Tachykardie, Harnretention). Dazu sind auch zentralnervöse Symptome zu rechnen, die am häufigsten nach Verabreichung einer 2%igen Cyclopentolat-Lösung beobachtet wurden (Cyclopentolat wird in dieser Konzentration in der Schweiz nicht mehr angeboten); sie äussern sich als organische (toxische) Psychosen mit Bewusstseinsstörungen, Halluzinationen oder inadäquatem Verhalten oder als Kleinhirnstörungen mit Nystagmus oder Gleichgewichtsstörungen. Nach der Gabe von Cyclopentolat- Tropfen sind Grand-mal-Anfälle vorgekommen.(20,22)

Parasympathomimetika
Zu den Parasympathomimetika (Cholinergika) zählen Pilocarpin (z.B. Spersacarpine®), Carbachol (z.B. Spersacarbachol ®), Aceclidin (Glaucostat®) und die Cholinesterasehemmer (z.B. Ecothiopatiodid = Phospholine®). Vor allem Pilocarpin hat in der Glaukombehandlung noch einen festen Platz, während die anderen Parasympathomimetika eher in den Hintergrund getreten sind.
Nur wenige Publikationen beschreiben systemische Nebenwirkungen nach der Gabe von parasympathomimetischen Augentropfen. Ein älterer Mann, der innerhalb von 2 Stunden über 30 Tropfen Pilocarpin bekommen hatte, zeigte typische Symptome einer cholinergischen Vergiftung: Speichelfluss, Übelkeit, Tremor, starkes Schwitzen und Hypotonie.(23) Obwohl offenbar sehr selten, können als weitere Zeichen einer systemischen Wirkung von parasympathomimetischen Substanzen Erbrechen, Bauchkrämpfe, Diarrhoe, Bradykardien, Bronchospasmen und sogar Lungenödeme auftreten.(22,24)

Chloramphenicol
Chloramphenicol ist in verschiedenen Präparaten (Tropfen, Salben) zur Applikation am Auge enthalten. Neben Monopräparaten (z.B. Spersanicol®) sind Kombinationen mit Vitaminen oder entzündungshemmenden Mitteln erhältlich. Es sind mindestens vier Patienten bekannt, bei denen sich eine aplastische Anämie entwickelte, nachdem sie über Wochen, zum Teil gar über Monate am Auge Chloramphenicol (Tropfen und/oder Salbe) angewendet hatten; die geschätzten Gesamtdosen lagen zwischen 32 und 360 mg.(25) Da die aplastische Anämie eine allergische und im Prinzip dosisunabhängige Reaktion ist, kann sie wahrscheinlich auch bei kurzfristiger Anwendung ausgelöst werden.
Eine vor wenigen Jahren in China durchgeführte Fall- Kontroll-Studie ergab, dass an Leukämien erkrankte Kinder deutlich häufiger (oral) Chloramphenicol erhalten hatten als die entsprechenden Kontrollen.(26) Es ist anzunehmen, dass eine solche fatale Nebenwirkung auch nach der Verabreichung von Augentropfen möglich wäre. Gesamthaft muss bezweifelt werden, ob Chloramphenicol in der ophthalmologischen Therapie noch ein Platz zukommt.

Andere Substanzen
Aminoglykoside
(Gentamicin, Neomycin u.a.) gehören zu den wichtigsten ophthalmologisch verwendeten Antibiotika. Bis anhin sind keine systemischen Nebenwirkungen wie Nieren- oder Innenohrschäden beschrieben worden, die Aminoglykosid-Augentropfen zuzuschreiben wären. (Möglicherweise werden Aminoglykoside bei der Anwendung am Auge so schlecht resorbiert, dass die Plasmakonzentrationen nicht in den toxischen Bereich gelangen.)
Augentropfen, die Steroide enthalten, können theoretisch systemische Nebenwirkungen verursachen, denn es wurde nachgewiesen, dass die resorbierte Menge reicht, um die endogene Steroidproduktion herabzusetzen.(22) Da jedoch steroidhaltige Augenmittel -- allein schon wegen ihrer möglichen lokalen Nebenwirkungen -- meist nur kurzfristig verschrieben werden, scheinen sich kaum klinisch manifeste systemische Effekte ausbilden zu können.

Augentropfen während Schwangerschaft und Stillzeit

Über die Verwendung von Augentropfen während der Schwangerschaft und der Stillzeit liegen wenig konkrete Daten vor. Bei einer stillenden Frau, die wegen erhöhten Augendrucks Timolol-Augentropfen verwendete, wurden die Konzentrationen in Muttermilch und Plasma bestimmt; in der Muttermilch fand man einen rund sechsmal höheren Wert.(27) Im übrigen stützen sich die Empfehlungen auf Tierversuche oder orientieren sich an Erfahrungen, die man mit den entsprechenden oral verabreichten Medikamenten gewonnen hat. Gemäss einer aktuellen Übersicht kann eine Wirkung auf das Kind bei keiner der zur Zeit gebrauchten Substanzen ausgeschlossen werden, wenn sie in der Schwangerschaft oder Stillzeit ins mütterliche Auge getropft werden. (28) So müssen auch bei Augentropfen Risiko und Nutzen sorgfältig abgewogen werden.

Wie lässt sich das Risiko systemischer Nebenwirkungen reduzieren?

Abgesehen von den seltenen dosisunabhängigen Reaktionen gilt der folgende, einleuchtende Grundsatz: Je mehr von einer ins Auge getropften Substanz resorbiert werden kann, um so wahrscheinlicher treten systemische Effekte auf. Wie oben erläutert wurde, gelangt vor allem diejenige Portion eines Augentropfens in den systemischen Kreislauf, die über die Tränenwege abströmt.
Es sind diverse Massnahmen vorgeschlagen worden, die den Abfluss via Tränenwege reduzieren und gleichzeitig die Wirkstoffkonzentration im Auge erhöhen sollen:
-- Augenmittel sollten in den Konjunktivalsack und nicht auf den Bulbus getropft werden, damit sich ein kleines Flüssigkeitsreservoir bilden kann.
-- Mechanische oder psychische Reize, welche die Tränensekretion stimulieren - direkt auf die Kornea tropfen, an Wimpern zerren, die Lidhaut kneifen usw. -, sollten möglichst vermieden werden.
-- Wenn man nach dem Eintropfen des Medikamentes während 1 bis 2 Minuten im nasalen Augenwinkel mit dem Finger auf die Tränenwege drückt («nasolakrimale Okklusion ») und gleichzeitig das Lid schliesst, wird einerseits der Abfluss erschwert und andererseits wegen der fehlenden Lidschläge weniger Flüssigkeit in die Tränenwege befördert. (Am Beispiel von Timolol wies man nach, dass beides die durchschnittlichen Plasmakonzentrationen um je etwa zwei Drittel reduziert.(29) )
-- Falls verschiedene Medikamente verabreicht werden müssen, ist es vorteilhaft, sie nicht gleich nacheinander ins Auge zu tropfen.
-- Das Tropfenvolumen, das von den üblichen Augentropfen- Fläschchen freigesetzt wird, ist zu gross; es könnte wahrscheinlich verkleinert werden, ohne dass die gewünschte Wirkung abnähme.(30) Diese Änderung liegt aber weder in der Hand des Arztes noch in der des Patienten.
-- Viele Augentropfen sind in unterschiedlichen Konzentrationen erhältlich. In den meisten Fällen ist es ratsam, eine möglichst niedrige Konzentration zu verwenden. Sofern der Patient schlecht anspricht und keine Zeichen einer systemischen Wirkung aufgetreten sind, kann man immer noch nachtropfen oder auf eine höherkonzentrierte Lösung wechseln.

Schlussfolgerungen

Bei fast allen Augentropfen -- namentlich bei Mydriatika und den Medikamenten zur Glaukomtherapie (Betablockern u.a.) -- sind systemische Nebenwirkungen beobachtet worden. Prinzipiell können bei lokaler Verabreichung am Auge dieselben unerwünschten Wirkungen auftreten wie nach oraler Gabe. Vielfach lassen sich Augentropfen einer langsamen, niedrigdosierten intravenösen Verabreichung gleichsetzen. Die am häufigsten betroffenen Organe sind das zentrale Nervensystem sowie das kardiovaskuläre und das respiratorische System. Gefährdet sind besonders Kinder sowie alle Personen mit prädisponierenden Vorerkrankungen (ältere Leute!). Bei schwangeren und stillenden Frauen dürfen Augentropfen nur sehr zurückhaltend verschrieben werden.
Das Risiko unerwünschter systemischer Effekte lässt sich mit einfachen Massnahmen (Fingerdruck im nasalen Augenwinkel, Schliessen der Lider, Verabreichung einer möglichst niedrigen Konzentration) beträchtlich verkleinern.

Literatur

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