Fluconazol

Synopsis

Fluconazol (Diflucan®) wird als oral und parenteral verabreichbares Breitspektrum-Antimykotikum empfohlen.

Chemie/Pharmakologie

Fluconazol gehört wie Ketoconazol (Nizoral®) zur Gruppe der Azol-Derivate. Die fungistatische Wirkung entsteht hauptsächlich durch Enzymhemmung infolge der Bindung an Cytochrom P-450. Dadurch wird die Biosynthese von Ergosterol, einem Pilzwandbestandteil, gehemmt. Bei Ratten hemmt Fluconazol die P-450-Enzyme deutlich weniger als Ketoconazol; möglicherweise hat deshalb Fluconazol beim Menschen ein geringeres Nebenwirkungs- und Interaktions-Potential.

Antimykotisches Wirkspektrum

Die Bestimmung des Wirkspektrums ist bei den Azol-Derivaten schwierig, weil die Wirksamkeit in vitro und in vivo stark abweichen kann. Im Tierversuch zeigte Fluconazol eine Verlängerung der Überlebenszeit bei Infektionen mit Blastomyces dermatitidis, Candida sp., Cryptococcus neoformans, Histoplasma capsulatum und Paracoccidioides brasiliensis. Für Aspergillus sp. liegen widersprüchliche Untersuchungen vor: in mehreren Studien blieben die Kulturen positiv.(1)

Pharmakokinetik

Fluconazol ist gut wasserlöslich. Es kann parenteral verabreicht werden und wird nach oraler Gabe nahrungsmittelunabhängig und fast vollständig resorbiert. Im Liquor cerebrospinalis werden bereits bei nicht entzündeten Meningen Konzentrationen von 50 bis 60% der Plasmakonzentration erreicht.(2) 80% einer Dosis werden renal unverändert ausgeschieden. Die Plasmahalbwertszeit beträgt rund 25 Stunden; «Steady-State»-Plasmaspiegel werden nach 5 Dosen erreicht. Bei Niereninsuffizienz muss mit Kumulation gerechnet werden.

Klinische Studien

Die Wirkung von Fluconazol wurde bei oropharyngealem Soor (Candidiasis, Candidamykose, Moniliasis), vaginalem Soor sowie als Prophylaxe nach zerebraler bzw. disseminierter Cryptococcosis untersucht. Insgesamt liegen wenige aussagekräftige Studien vor.

Candida-Mykosen

Die Wirksamkeit von Fluconazol (50 mg/Tag) bei oropharyngealer Candidiasis wurde vorwiegend in offenen Studien untersucht.
In einer doppelblinden Studie wurde die Wirkung von Fluconazol (50 mg/Tag) mit derjenigen von Ketoconazol (200 mg/Tag) bei 37 Patienten mit oropharyngealer Candidiasis verglichen. Die Patienten litten an AIDS bzw. «AIDS-related complex». Mit den Medikamenten wurden je 20 Soorepisoden behandelt, wovon nur 16 bzw. 17 ausgewertet wurden. Alle 17 mit Fluconazol behandelten und 12 der 16 Patienten unter Ketoconazol erreichten eine klinische Heilung. Die Kulturen blieben bei 2 Patienten unter Fluconazol und bei 5 unter Ketoconazol positiv.(3) Die Studie ist kritisiert worden, weil sich in der Ketoconazol- Gruppe mehr Patienten mit manifestem AIDS befanden; (4) die verabreichte Ketoconazol-Dosis (200 mg/Tag) soll bei AIDS-Patienten zu niedrig sein, da Ketoconazol bei diesen wegen der reduzierten Magensäureproduktion schlecht resorbiert wird.(5)
In einer anderen Doppelblindstudie mit 183 an vaginalem Soor leidenden Patientinnen wurde Fluconazol (Einmaldosis, 150 mg) mit Ketoconazol (2 mal täglich 200 mg während 5 Tagen) verglichen. Klinische Besserung nach 5 bis 16 Tagen wurde in 92% der Fälle mit Fluconazol und in 89% der Fälle mit Ketoconazol erreicht (kein signifikanter Unterschied). Negative Vaginal-Kulturen wurden in 77% der Fälle mit beiden Therapieschemata erreicht. In der Rezidivrate (4-8%) ergab sich ebenfalls kein Unterschied. Von den 160 Patientinnen, die bei Studienbeginn positive rektale Candida-Kulturen aufwiesen, blieben 132 weiter positiv.(6)
In einer randomisierten Studie bei 369 Patientinnen mit vaginalem Soor wurde die Wirkung von Fluconazol (Einmaldosis, 150 mg per os) mit der von Clotrimazol (z.B. Canesten®, 200 mg/Tag intravaginal, an 3 sich folgenden Tagen) verglichen. Die beiden Medikamente ergaben nach 5 bis 16 Tagen gleichwertige klinische Resultate (Heilung oder Besserung bei mehr als 95%). Gemäss einer späteren Beurteilung (27 bis 62 Tage nach der Behandlung) war Fluconazol etwas wirksamer als Clotrimazol. Fluconazol führte bei 72%, Clotrimazol bei 62% der Frauen zu negativen vaginalen Candida-Kulturen.(7)
Ausserdem liegen einzelne Fallberichte über die erfolgreiche Behandlung von renaler, mediastinaler und peritonealer Candidiasis sowie bei Candidiasis einer künstlichen Herzklappe vor.

Cryptococcosis

Zerebrale Cryptococcosis kommt bei ungefähr 10% der Patienten mit AIDS vor. Bisher wird initial mit Amphotericin- B (Fungizone®), eventuell zusätzlich mit Flucytosin (Ancotil®) behandelt. Anschliessend ist eine lebenslange Rezidiv-Prophylaxe mit Amphotericin-B notwendig. Diese ist problematisch, weil das Präparat toxisch ist und parenteral verabreicht werden muss.
20 AIDS-Patienten (19 mit Cryptococcen-Meningitis, einer mit disseminierter Cryptococcosis) wurden initial mit Amphotericin- B (plus Flucytosin bei 8 Patienten) behandelt. Anschliessend erhielten diese Patienten Fluconazol statt der üblichen Amphotericin-Prophylaxe. Die Dosis betrug 50 bis 200 mg/Tag. Die Tagesdosis von 50 mg erwies sich als ungenügend. 15 Patienten erhielten 200 mg/Tag. Bei 9 Patienten war die Fluconazol-Therapie erfolgreich. Zu Rückfällen unter Therapie kam es bei 2 Patienten. 7 Patienten starben, wobei der Zusammenhang mit der Cryptococcosis nicht vollständig geklärt ist. 2 Patienten beendeten die Studie nicht.(8)
Ein anderer Bericht betrifft 22 an Cryptococcosis leidende AIDS-Patienten, die zum Teil von Anfang an nur mit Fluconazol behandelt wurden. Die verwendete Dosis betrug 50 bis 200 mg/Tag (in einem Fall 400 mg/Tag). Bei 4 von 7 Patienten mit aktiver Infektion war Fluconazol erfolgreich (3 mit Meningitis, 1 mit extraneuraler Cryptococcosis). 15 Patienten erhielten Fluconazol als Rezidiv-Prophylaxe nach initialer Amphotericin-B-Behandlung. Nur ein Patient erlitt erneut eine Meningitis, die aber mit Verdoppelung der Dosis auf 200 mg/Tag unter Kontrolle gebracht werden konnte.(9)
Es liegen auch Berichte über Behandlung von anderen systemischen Mykosen (Histoplasmose, Sporotrichose, Blastomycosis, Coccidioidomycosis) vor. In einer Tagesdosis von 50 bis 100 mg war Fluconazol in vielen Fällen ungenügend wirksam.(10)

Unerwünschte Wirkungen

Im Vordergrund stehen gastrointestinale Symptome, die nach Firmenangaben 5,3% der Patienten betreffen. Auch nach einer Einmaldosis von 150 mg hatten 9 von 92 Patientinnen entsprechende Beschwerden.(6) Bei 22 Patienten mit Cryptococcosis kam es bei 4 zu Übelkeit und Blähungen, bei 3 zu einem Hautausschlag und bei einem zu einem Grand-Mal-Anfall. In diesem Patientenkollektiv fanden sich 4 mit erhöhten Leberenzymwerten.(9)
In der einen Studie bei Patientinnen mit vaginaler Candidiasis fanden sich bei 10 Patientinnen unter Fluconazol und bei 6 unter Ketoconazol abnorme Laborwerte.(6)
Allgemein erlauben die bisherigen, limitierten Daten noch keine Aussage, ob Fluconazol nicht auch (wie Ketoconazol) selten einmal eine schwere Leberschädigung hervorrufen kann.
Nach heutigem Wissen müssen Interaktionen mit Sulfonylharnstoffen, Cumarinderivaten, Phenytoin, Ciclosporin und Hydrochlorothiazid erwartet werden.

Verabreichung, Dosierung und Kosten

Fluconazol (Diflucan®) ist als Kapseln zu 50 mg, zu 150 mg und zu 200 mg sowie als Infusionslösung (2 mg/ml) erhältlich. Das Präparat ist zur Zeit nicht kassenzulässig.
Die bei oropharyngealer Candidiasis empfohlene Dosis beträgt 50 mg/Tag für 7 bis 14 Tage und kostet Fr. 10.75 pro Tag. Die entsprechende 200 mg-Dosis Ketoconazol kostet Fr. 4.10 pro Tag.
Die Einmaldosis von 150 mg, wie sie bei vaginaler Candidiasis angewendet wird, kostet Fr. 32.50. Clotrimazol intravaginal (200 mg/Tag für 3 Tage) kostet nur Fr. 15.--, Ketoconazol (2mal 200 mg/Tag für 5 Tage) dagegen Fr. 40.90. Bei Cryptococcosis wird nach einer initialen Dosis von 400 mg die weitere Therapie mit 200 bis 400 mg/Tag empfohlen; die Kapsel zu 200 mg kostet Fr. 33.70.
Für die Anwendung in der Schwangerschaft und bei Kindern liegen bisher keine genügenden Daten vor.

Kommentar

Fluconazol hat den Vorteil, dass es oral und parenteral verabreicht werden kann; das Medikament hat eine lange Plasmahalbwertszeit. Zudem zeichnet es sich durch eine gute Penetration in den Liquor cerebrospinalis aus.
Für eine Soorbehandlung stehen zwar deutlich kostengünstigere Alternativen zur Verfügung. Dennoch könnte sich die bequeme orale Einmaldosis zur Behandlung des vaginalen Soors durchsetzen. Die Wirksamkeit von Fluconazol bei oropharyngealem Soor sollte durch weitere, aussagekräftige Studien bestätigt werden. Die Therapie von Cryptococcosis bei Patienten mit AIDS ist noch sehr experimentell.
Ob Fluconazol tatsächlich weniger unerwünschte Wirkungen aufweist als Ketoconazol, kann wohl erst entschieden werden, wenn mehr Erfahrungen mit dem neuen Präparat vorliegen.

Literatur

  1. 1) J.R. Graybill in R.A. Fromtling (Herausgeber): Recent Trends in the Discovery, Development and Evaluation of Antifungal Agents, p. 113, J.R. Prous Science Publishers 1987
  2. 2) G. Foulds et al.: J. Clin. Pharmacol. 28: 363, 1988
  3. 3) S. de Witt et al.: Lancet 1: 746, 1989
  4. 4) C.C. Kibbler & F.C. Odds: Lancet 1: 1130, 1989
  5. 5) D.E. Smith & B.G. Gazzard: Lancet 1: 1131, 1989
  6. 6) E. Kutzer et al.: Eur. J. Obstet. Gynecol. Reprod. Biol. 29: 305, 1988
  7. 7) K.W. Brammer et al.: Br. J. Obstet. Gynaecol. 96: 226, 1989
  8. 8) A.M. Sugar & C. Saunders: Am. J. Med. 85: 481, 1988
  9. 9) J.J. Stern et al.: Am. J. Med. 85: 477, 1988
  10. 10) M.S. Saag & W.E. Dismukes: Antimicrob. Agents Chemother. 32: 1, 1988

Standpunkte und Meinungen

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Fluconazol (28. September 1989)
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pharma-kritik, 11/No. 18
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