Nebenwirkungen aktuell

MEFLOQUIN

Mefloquin ist ein Malariamittel mit sehr langer Halbwertszeit (durchschnittlich drei Wochen). Da Mefloquin heute auch regelmässig in der Malariaprophylaxe Anwendung findet, verdienen unerwünschte Wirkungen vermehrte Aufmerksamkeit. In einem früheren pharma-kritik-Artikel ist ausführlich über Mefloquin berichtet worden:
B. Holzer: pharma-kritik 7: 69, 1985

Markennamen:
Mefloquin = Lariam®, Mephaquin®. Mefloquin ist auch Bestandteil von Fansimef®.

Akute Psychose

Eine 34jährige Patientin erhielt wegen Malariaverdacht in Afrika innerhalb von 16 Stunden 1500 mg Mefloquin. Sie reiste nach Europa zurück; drei Tage nach der Mefloquin- Einnahme musste sie wegen einer akuten Psychose in ein Spital aufgenommen werden. Bei Eintritt hatte sie Wahnvorstellungen und optische Halluzinationen, zeigte ein aggressives Verhalten und war verwirrt. Zwei Tage später war sie wieder in normaler psychischer Verfassung.
Ein weiterer, 56jähriger Patient erhielt wegen einer chloroquinresistenten Malaria Mefloquin. Auch er entwickelte zwei Tage später eine Psychose, die sich nach zwei weiteren Tagen spontan wieder besserte. Die Autoren vermuten, dass bei beiden Patienten Mefloquin die Ursache der Psychose war. Vor allem bei der ersten Patientin ist eine Malaria als Ursache praktisch ausgeschlossen, da bei ihr keine Plasmodien nachgewiesen werden konnten. P. C. Stuiver et al.: Lancet 2: 282, 1989

Eine 45jährige Frau musste nach ihrer Rückkehr aus einem Gebiet mit endemischer Malaria in eine psychiatrische Klinik aufgenommen werden. Sie litt unter einer akuten Depression mit Verwirrtheit. Zuvor hatte sie sieben Wochen lang Mefloquin eingenommen (250 mg/Woche). Bei Spitaleintritt lag ihre letzte Mefloquineinnahme vier Tage zurück. Die Plasmakonzentration von Mefloquin fand sich -- im Gegensatz zu derjenigen des wichtigsten Metaboliten -- nicht erhöht. Während des Klinikaufenthaltes war der Zustand der Patientin wechselhaft. Bei ihrer Entlassung, zwei Wochen später, hatte sie sich noch nicht vollständig erholt. Später verschwanden die Symptome; während weiteren sechs Monaten Beobachtungszeit ereignete sich kein Rückfall.
A. Björkman: Lancet 2: 865, 1989

Akutes Hirnsyndrom

Fünf Afrika-Rückkehrer, vier Männer und ein fünfjähriges Mädchen, wurden wegen einer chloroquinresistenten Falciparum-Malaria mit Mefloquin behandelt. Zwei bis 17 Tage nach der Medikamenteneinnahme entwickelten sie ein akutes Hirnsyndrom. Die vier Männer erhielten insgesamt 1500 mg Mefloquin; das Mädchen wurde zuerst während fünf Tagen mit Chinin, nachher mit Mefloquin
(50 mg pro Woche) behandelt. Das akute Hirnsyndrom äusserte sich bei allen Patienten in generalisierten Krämpfen; zwei Patienten waren komatös und zwei Patienten hatten einen stark erhöhten Proteingehalt im Liquor. Das EEG zeigte bei zwei Patienten eine diffuse Enzephalopathie. Die Symptome besserten sich innerhalb weniger Tage. Bei drei Patienten bestand der Verdacht auf eine schwere Malaria. Sie erhielten deshalb noch eine weitere Therapie mit Chinin (25 mg/kg/Tag). Wenige Tage später hatten diese Patienten nochmals einen Krampfanfall.
B. Rouveix et al.: Annals of Internal Medicine 110: 577, 1989

Ob die toxischen Mefloquinwirkungen auf das Zentralnervensystem letztlich von Mefloquin selbst oder von einem seiner Metaboliten verursacht werden, ist kaum von praktischer Bedeutung. Wesentlich ist aber, dass an die Möglichkeit solcher Wirkungen gedacht wird, wenn in kurzer Zeit höhere Mefloquindosen verabreicht werden oder wenn bei langfristiger Prophylaxe mit kumulativen Effekten gerechnet werden muss. Weder das Schema «1 Tablette einmal wöchentlich» noch die Regel «Nach Rückkehr aus dem Endemiegebiet Prophylaxe immer noch während 6 Wochen weiterführen» dürfen unbesehen auf Mefloquin angewendet werden. Bei einer Malariatherapie ist besonders auch zu beachten, dass eine gleichzeitige Verabreichung von Chinin und Mefloquin das Toxizitätsrisiko erhöht und deshalb vermieden werden soll.

ENALAPRIL Anwendung

Wie Captopril wird auch Enalapril in den letzten Jahren mehr und mehr zur Behandlung von Hypertonie und Herzinsuffizienz verwendet. Über die zunehmende Bedeutung der ACE-Hemmer gibt z.B. die folgende Arbeit eine gute Übersicht:
A. Breckenridge: British Medical Journal 296: 618, 1988.
Ein ausführlicher Bericht über die Nebenwirkungen dieser Medikamente kann in einem «SANZ-Streiflicht » nachgelesen werden:
K. Hartmann & J. Gartmann: Schweiz. Ärztezeitg. 70: 1531, 1989.

Markennamen:
Captopril = Lopirin®, Tensobon®
Enalapril = Reniten®

Anwendung in der Schwangerschaft: Anurie beim Neugeborenen

Eine 34jährige Frau hatte bei ihrer zweiten Schwangerschaft bis zur 26. Woche einen normalen Blutdruck. In der Folge kam es (wie schon in der ersten Schwangerschaft) zu einem Blutdruck-Anstieg. Trotz kombinierter Therapie mit Methyldopa und Verapamil betrug ihr Blutdruck in der 32. Woche 190/115 mm Hg, worauf Methyldopa durch Enalapril (2mal täglich 10 mg) ersetzt wurde. Der Blutdruck normalisierte sich wieder. Ultraschall- und kardiotokographische Untersuchungen ergaben keine Anhaltspunkte für fötale Probleme. Siebzehn Tage später wurde die Schwangerschaft durch einen Kaiserschnitt beendet, 13 Stunden nach der letzten Enalapril-Einnahme. Das Fruchtwasser war spärlich und leicht mekoniumhaltig. Das Kind, ein 2,1 kg schweres Mädchen, war von Geburt an anurisch.
Seine Nieren waren in der Ultraschall-Untersuchung unauffällig, die Urographie zeigte eine fehlende Exkretion. Im Zystourethrogramm konnte keine Obstruktion gesehen werden. Eine Nierenbiopsie ergab eine Hyperplasie des juxtaglomerulären Apparates. Laboruntersuchungen zeigten eine starke Erhöhung des Plasmakreatinins und der Plasma-Renin-Aktivität. Das Angiotensin-Converting- Enzyme (ACE) und das Angiotensin II waren dagegen stark vermindert.
Sechzig Stunden nach der Geburt wurde eine Peritonealdialyse begonnen. Während der ersten Dialysewoche setzte die Diurese ein, die Aktivität des ACE nahm zu und die Plasma-Renin-Aktivität ab. Die Dialyse wurde nach 8 Tagen beendet, als eine Diurese von mehr als 1 ml/kg/Std erreicht war. Drei Monate nach der Geburt waren sowohl Kreatinin- als auch Reninwerte im Normbereich. Nachkontrollen bis zum Alter von 1 Jahr ergaben normale Befunde.
G. Schubiger et al.: Annals of Internal Medicine 108: 215, 1988

Eine schwangere Frau mit einem systemischen Lupus erythematodes wurde wegen einer schweren Hypertonie in der 22. Schwangerschaftswoche hospitalisiert. Trotz intensiver Therapie mit Enalapril, Hydralazin, Clonidin, Nitroprussid-Natrium, Nifedipin, und Propranolol hatte sie während des Spitalaufenthaltes hypertensive Krisen mit Blutdruckwerten bis 220/118 mm Hg. In der 26. Woche wurde durch Kaiserschnitt ein 600 g schwerer Knabe entbunden, der sogleich beatmet werden musste. Während der ersten 24 Stunden hatte er eine schwere, therapieresistente Hypotonie (18 bis 23 mm Hg). Eine Ultraschalluntersuchung am 4. Tag zeigte normale Nieren, aber eine leere Blase. Trotz Infusionen, Dopamin-und intermittierenden Furosemidgaben blieb die Oligurie bestehen. Schliesslich wurde das Neugeborene anurisch, entwickelte Ödeme und eine Hyperkaliämie. Der Knabe starb am 7. Tag. A. A. Scott & D. M. Purohit: American Journal of Obstetrics and Gynecology 160: 1223, 1989

Eine 27jährige Frau, bei der zwei Jahre zuvor eine Nierentransplantation durchgeführt worden war, nahm Enalapril, Azathioprin, Atenolol und Prednisolon. Unter dieser Therapie wurde sie schwanger. Da die Ultraschall- Untersuchung in der 32. Woche ein Anhydramnion und eine asymmetrische Wachstumsverzögerung zeigten, wurde die Schwangerschaft durch Kaiserschnitt beendet. Das Neugeborene wog 1,28 kg, hatte ein zusammengedrücktes Gesicht und Kontrakturen im Bereich mehrerer Gelenke; der okziptale Teil seiner Schädelkalotte war nicht verknöchert. Der Knabe musste von Geburt an beatmet werden, blieb trotz Therapie hypoton und während der ersten 72 Stunden anurisch. Am 8. Tag entschloss man sich bei anhaltend ungenügender Diurese zur Peritonealdialyse. Zu diesem Zeitpunkt zeigte eine Ultraschalluntersuchung periventrikuläre Blutungen, eine Ventrikelvergrösserung und Subarachnoidalblutungen. Das Kind starb am 10. Tag. Bei der Autopsie fanden sich hypoplastische Lungen und ausgedehnte intrakranielle Blutungen. Die histologische Untersuchung der Nieren zeigte gestaute Glomeruli und hypertrophe Nierenarteriolen.
N. Mehta & N. Modi: Lancet 2: 96, 1989

Heute sind über 50 Schwangerschaften unter ACE-Hemmern dokumentiert.1 Rund 20% der lebend geborenen Kinder sind von verschiedenen Problemen (Anurie, persistierendem Ductus Botalli, Atemnotsyndrom) betroffen. Von diesen Problemen ist aber wohl nur die Anurie sicher durch die ACEHemmer- Behandlung bedingt. Ein Anurie-Risiko besteht offenbar besonders dann, wenn die Behandlung mit dem ACE-Hemmer bis zur Geburt weitergeführt wird. ACE-Hemmer sind während der Schwangerschaft kontraindiziert.

FLECAINID

Flecainid, Propafenon und das nahe verwandte (in der Schweiz nicht erhältliche) Encainid sind chinidinähnliche Medikamente, die zur Klasse Ic der Antiarrhythmika gezählt werden. Sie haben eine starke verlangsamende Wirkung auf die Reizleitung im Myokard und werden in erster Linie zur Behandlung ventrikulärer Arrhythmien eingesetzt. Eine ausführliche Übersicht zum Thema der neueren Antiarrhythmika vermittelt z.B. die folgende Arbeit:
P.F. Nestico et al.: Drugs 35: 286, 1988.

Markennamen:
Encainid = Enkaid® (USA)
Flecainid = Tambocor®
Propafenon = Rytmonorm®

Erhöhte kardiale Mortalität

Eine randomisierte Multizenterstudie sollte die Frage prüfen, ob die medikamentöse Behandlung von wenig oder gar nicht symptomatischen Arrhythmien nach einem Herzinfarkt das Risiko eines plötzlichen Herztodes senke («Cardiac Arrhythmia Suppression Trial» = CAST). Patienten mit mindestens sechs ventrikulären Extrasystolen pro Stunde, deren Infarkt 6 Tage bis 2 Jahre zurücklag und die eine messbare Beeinträchtigung der ventrikulären Funktion hatten, wurden in die Studie aufgenommen. Als Antiarrhythmika wurden Encainid, Flecainid oder Moricizin verwendet. Vor der eigentlichen Studie wurde die antiarrhythmische Wirksamkeit dieser Medikamente bei jedem Patienten untersucht. Nur diejenigen Patienten, bei denen die Extrasystolen unter einem Medikament um mindestens 80% abgenommen hatten, wurden dann nach dem Zufall entweder mit dem wirksamen Antiarrhythmikum oder mit Placebo behandelt.
Von den 2309 Patienten, die an der Vorstudie teilgenommen hatten, fanden sich bei 1727 (75%) behandelbare Arrhythmien. Von diesen erhielten 1455 Encainid, Flecainid oder Placebo und 272 Patienten Moricizin oder Placebo. Anlässlich einer Zwischenbilanz wurden die bis Ende März 1989 gewonnenen Resultate beurteilt. Dabei zeigte sich, dass die mit Encainid oder Flecainid behandelten Patienten eine erhöhte Mortalität hatten. Es wurde entschieden, den Teil der Studie, der Encainid und Flecainid prüfen sollte, nicht mehr weiterzuführen.
Der Vergleich zwischen der Encainid/Flecainid-Gruppe und der Placebo-Gruppe ergibt signifikante Unterschiede: Von den 730 Patienten, die Encainid oder Flecainid erhalten hatten, starben 33 (4,5%) an Arrhythmien oder Herzstillstand, 14 starben an einer anderen kardialen und 9 starben an einer nicht-kardialen oder an einer nicht klassifizierten Ursache. Von den 725 Patienten unter Placebo starben nur 9 (1,2%) an einer Arrhythmie oder an einem Herzstillstand, 6 an einer anderen kardialen und 7 an einer nicht-kardialen oder nicht klassifizierten Ursache. Die Gesamtmortalität unter den beiden Antiarrhythmika war also mehr als doppelt so hoch wie unter Placebo (7,7% gegen 3,0%).
Cardiac Arrhythmia Suppression Trial: New England Journal of Medicine 321: 406, 1989

Kammerflimmern
Bei einem 44jährigen Mann mit Vorhofflimmern und einer normalen Kammerfunktion wurde Digoxin durch Flecainid (2mal täglich 100 mg) ersetzt. Zwei Wochen später wurde ein Belastungstest durchgeführt; unmittelbar nach der maximalen Belastung entwickelte sich ein Kammerflimmern, welches mittels Defibrillation behoben werden konnte.
Ein 35jähriger Mann mit einer Mitralklappenprothese und Vorhofflimmern, aber normaler ventrikulärer Funktion erhielt zusätzlich zu Digoxin (0,375 mg/Tag) Flecainid (2mal 150 mg/Tag). Kurz nach einem Belastungstest trat auch bei diesem Patienten ein Kammerflimmern auf, das nach 2 Minuten spontan wieder zu Vorhofflimmern konvertierte.
Eine 29jährige Frau wurde wegen eines paroxysmalen Vorhofflimmerns mit Flecainid (2mal 150 mg/Tag) behandelt. Wenige Tage nach Therapiebeginn hatte sie eine 30 Minuten dauernde Visusstörung. Nach einer weiteren Woche (und weiterer Behandlung mit Flecainid, 3mal 100 mg/Tag) brach sie auf der Strasse zusammen und starb.
R.H. Falk: Annals of Internal Medicine 111: 107, 1989

Im «Cardiac Arrhythmia Suppression Trial» wird zum ersten Mal in grösserem Rahmen untersucht, ob eine langfristige antiarrhythmische Medikation den Patienten auch wirklich nützt, d.h. ob letale Arrhythmien verhindert werden. Das (vorläufige) Resultat ist alarmierend: Unter Flecainid oder Encainid war das Sterberisiko gegenüber den Patienten der Placebogruppe mehr als verdoppelt. Dass arrhythmogene Wirkungen zu den Risiken der Antiarrhythmika gehören, ist zwar längstens bekannt.1 Niemand hätte aber bisher damit gerechnet, dass solche Medikamente gesamthaft eine negative Wirkung haben könnten. Wie die Fallberichte von Kammerflimmern zeigen, kann Flecainid auch bei Individuen mit guter ventrikulärer Funktion letale Arrhythmien auslösen. Viele Fragen sind aber noch offen: Wie erklärt sich eine arrhythmogene Wirkung dieses Ausmasses? Sind Flecainid und Encainid gefährlicher als andere Antiarrhythmika? Welche Patienten sind gefährdet? Bei Patienten, die schon längere Zeit scheinbar erfolgreich mit Flecainid behandelt werden, besteht ein therapeutisches Dilemma. Es kann nämlich nicht bezweifelt werden, dass auch das Absetzen eines Antiarrhythmikums mit erheblichen Risiken verbunden ist.

HEPARIN

Heparin wird zur Thromboseprophylaxe nach Traumen oder Operationen eingesetzt. Das Medikament besitzt deshalb einen ungewöhnlich hohen Stellenwert. Eine Übersicht über den Nutzen von Heparin vermittelt z.B. die folgende «Metanalyse»:
R. Collins et al.: New England Journal of Medicine 318: 1162, 1988.

Thrombozytopenie: ein Fall

Eine 36jährige Patientin musste wegen einer myastheniebedingten, akuten Ateminsuffizienz in die Intensivstation aufgenommen werden. Es wurden vier Plasma-Austauschtransfusionen vorgenommen, wobei Heparin als Antikoagulans verwendet wurde. Neun Tage später traten eine Sepsis, eine Thrombozytopenie und eine intravasale Gerinnung auf. Die nun ausgeführte Phlebokavographie zeigte einen flottierenden Ileofemoral-Thrombus. Am 11. Tag wurde deshalb eine Thrombolyse durchgeführt und anschliessend noch Heparin verabreicht. Vierundzwanzig Stunden nach Beginn der Heparin-Therapie erfolgte ein plötzlicher Abfall der Thrombozyten. Die Patientin verlor das Bewusstsein, hatte Krampfanfälle und eine Parese aller vier Extremitäten. Die Ursache für diese neurologischen Störungen war eine venöse Hirnblutung. Im Blut fand sich ein erhöhter Antikörpertiter gegen Thrombozytenmembranen. Das Heparin wurde abgesetzt. Die Patientin erholte sich innerhalb von zwei Monaten vollständig.
F. Fournier et al.: La Presse Médicale 18: 359, 1989

Thrombozytopenie: eine Übersicht

Im Laufe der letzten 15 Jahre sind zahlreiche Berichte über schwere Thrombozytopenien veröffentlicht worden. Man unterscheidet heute zwei Formen von heparininduzierter Thrombozytopenie: (1) Kurz nach Therapiebeginn können leichte, spontan reversible Thrombozytopenien auftreten, die auf einer direkten Wirkung von Heparin auf die Plättchen beruhen. (2) Schwere, später auftretende Thrombozytopenien sind oft von thromboembolischen Komplikationen begleitet. Es handelt sich um periphere Thrombozytopenien, die zwischen dem 5. und dem 20. Behandlungstag manifest werden. Gleichzeitig können venöse oder arterielle Thromboembolien, seltener ein hämorrhagisches Syndrom auftreten. Die Diagnose beruht auf dem Nachweis eines heparinabhängigen plasmatischen Aggregationsfaktors (meistens ein Immunglobulin vom Typ IgG, seltener ein IgM). Thrombozytopenie und Begleitsymptome verschlimmern sich solange, als das Heparin nicht abgesetzt wird, bessern sich aber rasch beim Absetzen des Medikaments. Erneute Heparinverabreichung kann rasch zu einem Rezidiv führen. Die Häufigkeit der heparininduzierten Thrombozytopenie wird auf 2 bis 6% geschätzt; das (in Europa kaum verwendete) bovine Heparin soll diese Komplikation deutlich häufiger auslösen. In einzelnen Fällen kann die Therapie durch ein niedermolekulares Heparin weitergeführt werden, ohne dass wieder eine Thrombozytopenie auftritt.
A. Derlon et al.: Thérapie 43: 199, 1988

Es ist erstaunlich, wie viele Fälle von heparininduzierter Thrombozytopenie in den letzten Jahren beschrieben worden sind. Sicher handelt es sich um ein Problem, das auch mit dem in der Schweiz verwendeten porcinen Heparin vorkommt. Eine regelmässige Überwachung der Thrombozytenzahl erlaubt, diese gefährliche Komplikation rechtzeitig zu erkennen.

Literatur

  1. 1) 1 C. Kreft-Jais & E. Elefant: La Revue Prescrire 9: 258, 1989
  2. 2) 1 F. Follath: pharma-kritik 6: 21, 1984

Standpunkte und Meinungen

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Nebenwirkungen aktuell (14. Oktober 1989)
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pharma-kritik, 11/No. 19
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