Ciprofloxacin und Ofloxacin

Synopsis

Ciprofloxacin (Ciproxin®) und Ofloxacin (Tarivid®) sind neue synthetische Chemotherapeutika. Sie gehören wie Norfloxacin (Noroxin®) zu den fluorierten Chinolonen; im Vergleich mit der Nalidixinsäure (Negram®), dem ersten bekannten Chinolon, zeichnen sie sich durch ein wesentlich breiteres antimikrobielles Spektrum aus. Da Ciprofloxacin und Ofloxacin in vielen Geweben bakterizide Konzentrationen erreichen, werden sie nicht nur für Harnwegsinfektionen, sondern auch für Infektionen der Atemwege, des Bauchraums und anderer Lokalisationen empfohlen.

Wirkungsmechanismus

Der genaue Wirkungsmechanismus der fluorierten Chinolone ist nicht vollständig bekannt. Alle Chinolone hemmen in der Bakterienzelle die Gyrase (Topoisomerase), ein Enyzm, das bei der DNS-Synthese eine wichtige Rolle spielt. Wird die Gyrase gehemmt, so kann das bakterielle Chromosom nicht mehr aufgespalten, neu zusammengefügt und aufgewickelt werden. Einige Chinolone schädigen Bakterienzellen noch über andere Mechanismen.(1)

Antibakterielles Wirkspektrum

Ciprofloxacin und Ofloxacin besitzen ein fast identisches antibakterielles Wirkspektrum. Bereits bei Konzentrationen unter 2 mg/l werden mehr als 95% der empfindlichen Bakterienisolate im Wachstum gehemmt. Ciprofloxacin ist in vitro in 2- bis 8mal geringeren Konzentrationen als Ofloxacin noch wirksam, was jedoch unter klinischen Bedingungen kaum relevant sein dürfte.(2)
Beide Medikamente wirken ausgezeichnet gegen gramnegative Bakterien wie z.B. E. coli, Klebsiellen, Proteus sp., Salmonellen, Shigellen, Yersinien, Vibrionen, jedoch auch gegen Ampicillin-resistente Stämme von Haemophilus influenzae und penicillinasebildende Gonokokken. Gegenüber Pseudomonas aeruginosa sind Ciprofloxacin und besonders Ofloxacin deutlich weniger aktiv.
Methicillin-resistente Staphylokokken werden durch Chinolone im Wachstum gut gehemmt. Gegen andere  gram-positive   Bakterien -- insbesondere   gegen Streptokokken (auch gegen Pneumokokken) -- sind Chinolone weniger wirksam als Penicilline. Gegen anaerobe Bakterien sind sie unwirksam. Intrazellulär liegende Bakterien wie Legionellen, Brucellen, Chlamydien, Mykoplasmen und Mykobakterien werden in sehr unterschiedlichem Ausmass gehemmt.
Die Resistenzbildung gegen fluorierte Chinolone erfolgt vorwiegend durch Mutation. Plasmid-bedingte Resistenzbildung ist bisher nicht bekannt. Meistens besteht eine Kreuzresistenz unter den Chinolonen, nicht jedoch gegenüber anderen Antibiotika. Seit fluorierte Chinolone in grösserem Ausmass klinisch eingesetzt werden, sind u.a. resistente Stämme von Pseudomonas aeruginosa, Staph. aureus und epidermidis gefunden worden.

Pharmakokinetik

Ciprofloxacin und Ofloxacin weisen mehrere Unterschiede im pharmakokinetischen Verhalten auf:
Ciprofloxacin wird nach oraler Verabreichung rasch, aber nicht immer vollständig resorbiert; nach einzelnen Autoren beträgt die gastrointestinale Resorption nur 50 bis 70%.(3) Gleichzeitige Nahrungsaufnahme oder Gabe von H2-Blockern verzögert die Resorption, aluminium- oder magnesiumhaltige Antazida verunmöglichen sie weitgehend. Maximale Plasmakonzentrationen sind nach 1 bis 2 Stunden erreicht. Die Plasmahalbwertszeit beträgt etwa 4 Stunden. Ciprofloxacin wird teilweise in der Leber metabolisiert (Q0 = 0,5); vier der Metaboliten weisen eine (geringere) antimikrobielle Aktivität auf. Die Exkretion über die Nieren -- etwa zur Hälfte in unveränderter Form -- erfolgt durch glomeruläre Filtration und tubuläre Sekretion. Ciprofloxacin findet sich in besonders hohen Konzentrationen in der Galle, im Stuhl, in den Lungen, in den Nieren und in der Prostata sowie im Knochen.(4)
Ofloxacin wird rasch und praktisch vollständig resorbiert; maximale Plasmakonzentrationen sind ebenfalls nach 1 bis 2 Stunden erreicht. Auch für Ofloxacin gilt, dass die Resorption von Al- und Mg-haltigen Antazida gehemmt wird. Es hat eine Plasmahalbwertszeit von etwa 7 Stunden. Ofloxacin wird nur zu einem geringen Teil hepatisch metabolisiert (Q0 = 0,1) und im übrigen unverändert über die Nieren ausgeschieden.
Bei terminaler Niereninsuffizienz ist die Eliminationshalbwertszeit von Ciprofloxacin auf 5 bis 10 Stunden, diejenige von Ofloxacin auf 30 bis 50 Stunden verlängert. Insbesondere für Ofloxacin ist daher eine Dosisanpassung notwendig. Beide Mittel sind schlecht dialysierbar und finden sich nach Peritonealdialyse nur in niedriger Konzentration in der Spülflüssigkeit. Leichte bis mittelschwere Leberfunktionsstörungen beeinflussen die Pharmakokinetik der beiden Medikamente nur gering, so dass auf eine Dosisanpassung verzichtet werden kann. Die Pharmakokinetik bei Patienten mit zystischer Fibrose unterscheidet sich nicht von derjenigen bei gesunden Personen.

Klinische Erfahrungen

Ciprofloxacin und Ofloxacin sind in mehreren kontrollierten Studien, die meistens 40 bis 60 Personen umfassten, geprüft worden. Daneben wurden Erfahrungen in offenen Studien an mehreren tausend Patienten gesammelt.(5,6)

Infektionen der ableitenden Harnwege

Sowohl Ciprofloxacin als auch Ofloxacin haben in offenen Studien bei Patienten mit vorwiegend unkomplizierten Harnwegsinfekten bakteriologische Heilungsraten zwischen 60 und 100% erzielt.(5,6) In kontrollierten Studien bei Patientinnen mit unkompliziertem Harnwegsinfekt waren Ciprofloxacin (2mal 250 mg/Tag) und Ofloxacin (2mal 100 mg/Tag) ebenso wirksam wie Cotrimoxazol (z.B. Bactrim®, 2 Forte-Tabletten täglich).(7,8) Ciprofloxacin kann auch bei chronischen Harnwegsinfekten mit Pseudomonas aeruginosa, die auf andere Chemotherapeutika resistent sind, erfolgreich sein. So wurden z.B. 7 von 16 Patienten, die an einer solchen Infektion erkrankt waren, mit einer zweiwöchigen Ciprofloxacin-Behandlung geheilt.(9)
Bei Prostatitis ergab eine zweiwöchige Ciprofloxacin-Behandlung (2mal 500 mg/Tag) bei 5 von 12 Patienten mit E. coli-Infekten eine bleibende Besserung (kein Rückfall nach einem Jahr); unwirksam war diese Therapie dagegen bei drei Patienten mit Streptococcus faecalis- und einem mit Pseudomonas aeruginosa-bedingter Prostatitis.(10)

Gonorrhoe und Postgonokokken-Urethritis

Mit einer Einmaldosis von 100 bis 500 mg Ciprofloxacin oder 300 mg Ofloxacin wurden in der Behandlung der Gonokokken-Urethritis des Mannes Heilungsraten von 100% erzielt.(6,11) Beide Medikamente wirken auch gegen penicillinasebildende Gonokokken und erwiesen sich teilweise als wirksamer als Cotrimoxazol, Spectinomycin (Trobicin®) oder Ampicillin (z.B. Penbritin®). Die bisherigen Erfahrungen bei Patienten mit oropharyngealer oder analer Gonorrhoe sowie bei Frauen sind noch gering.
Zur Verhinderung einer Postgonokokken-Urethritis ist eine Einmaldosis ungenügend. Eine neuntägige Behandlung mit Ofloxacin (400 mg/Tag) war ebenso wirksam wie eine solche mit Doxycyclin (z.B. Vibramycin®, initial 200 mg, dann 100 mg/Tag).(6) In einer 7 Tage dauernden Studie wurde Ciprofloxacin hochdosiert (2mal 750 mg/Tag) mit Doxycyclin (2mal 100 mg/Tag) verglichen: Ciprofloxacin war gegen Chlamydia trachomatis signifikant weniger wirksam als Doxycyclin, dagegen etwas wirksamer als Doxycyclin gegen Ureaplasma urealyticum.(12) Chinolone sind eine wirksame Alternative in der Behandlung des durch Haemophilus ducreyi bedingten Ulcus molle.(13)


Gastrointestinale Erkrankungen

Ciprofloxacin und Ofloxacin sind wirksam in der Behandlung des Abdominaltyphus. Mit einer vierwöchigen Ciprofloxacin- Behandlung liessen sich auch Dauerausscheider von Salmonella typhi sanieren.(14) Die Erfahrungen mit Salmonella typhi- Infekten sind aber noch zu gering, um den Stellenwert dieser Mittel richtig einschätzen zu können.
Dank der hohen Konzentrationen, welche die Chinolone im Darm erreichen, vermögen sie die meisten Durchfallerregenden Bakterien innerhalb von 48 Stunden zu eradizieren. In einer Doppelblindstudie bei Patienten mit Salmonellen- oder Campylobacter-Enteritis verschwanden unter Ciprofloxacin die Symptome signifikant rascher als unter Placebo.(15) Bei Patienten mit Reisedurchfällen, die vorwiegend durch E. coli verursacht waren, war Ciprofloxacin annähernd so rasch wie Cotrimoxazol und signifikant rascher als ein Placebo wirksam.(16) Nach japanischen Erfahrungen hat Ofloxacin in einer Dosis von 600 mg/Tag bei Enteritis nur in 45% zur klinischen Heilung geführt.(6)
Ofloxacin wurde bei Campylobacter pylori-positiven Ulcera duodeni zusätzlich zu Ranitidin (Zantic®) verabreicht. In einer Studie ergab sich so im Vergleich mit Patienten, die nur Ranitidin erhielten, eine signifikante Verkürzung der Heilungszeit, (17) eine andere Studie ergab dagegen einen Misserfolg mit Auftreten von resistenten Campylobacter pylori.(18)

Infektionen der Luftwege

Gemäss offenen japanischen und europäischen Studien eignen sich Ciprofloxacin (600 mg/Tag) und Ofloxacin (300 bis 600 mg/Tag) zur Behandlung von Infekten der oberen Luftwege und einer Otitis media;(5,19) der Stellenwert dieser Therapie ist aber nicht festgelegt. Die nekrotisierende, durch Pseudomonas aeruginosa verursachte Otitis externa, die bisher parenteral mit einer Antibiotika- Kombination behandelt werden musste, kann erfolgreich mit Chinolonen behandelt werden.
Ciprofloxacin und Ofloxacin sind in mehreren Studien zur Behandlung von Bronchitis und Pneumonie eingesetzt worden. (5,6) Infektionen mit Haemophilus influenzae und Branhamella catarrhalis konnten erfolgreich behandelt werden, solche mit Pneumokokken jedoch nicht immer. Bei 14% der mit Ofloxacin und bei 27% der mit Ciprofloxacin behandelten Patienten liessen sich nach der Behandlung immer noch Pneumokokken im Sputum nachweisen. Da Pneumokokken und Streptokokken weiterhin die wichtigsten bakteriellen Erreger von Infektionen der oberen Luftwege sind, bleiben für diese Indikation Aminopenicilline (bzw. Erythromycin oder Clindamycin) die Antibiotika der ersten Wahl.
Bei Patienten mit zystischer Fibrose, die an Pseudomonas aeruginosa-Infektionen der Luftwege erkranken, könnte eine orale, ambulante Chinolon-Therapie (Ciprofloxacin 1,5 g/Tag oder auch Ofloxacin 800 mg/Tag) gegenüber der parenteralen Therapie z.B. mit Azlocillin (Securopen®) + Gentamicin (Garamycin® u.a.) einen Fortschritt darstellen. Nicht alle Autoren fanden aber eine der parenteralen Therapie gleichwertige Besserung;(20) problematisch ist auch das rasche Auftreten von temporär oder permanent resistenten Stämmen von Pseudomonas aeruginosa.

Andere Infektionen

Chinolone sind auch bei der Behandlung von Hautinfektionen, Ulzera und Abszessen eingesetzt worden(21) und erwiesen sich gegen Staphylokokken als ebenso wirksam wie parenteral verabreichtes Cefotaxim (Claforan®). Ciprofloxacin und Ofloxacin wurden ferner in mehreren kleinen Studien erfolgreich gegen Osteomyelitiden, die durch Methicillin-resistente Staphylokokken, Serratia oder Pseudomonas aeruginosa verursacht waren, verwendet. Vereinzelt sind Chinolone auch bei postoperativen Wundinfektionen, Infektionen der Gallenwege sowie gegen Brucellen oder atypische Mykobakterien eingesetzt worden. Geringe Erfahrungen sind bisher mit der prophylaktischen Verabreichung von Chinolonen bei neutropenischen Patienten oder bei Trägern von pathogenen Keimen (Neisseria   meningitidis,   Methicillin-resistenten Staphylokokken, Salmonella typhi) gewonnen worden.

Unerwünschte Wirkungen

Die bisherigen Erfahrungen lassen annehmen, dass 5 bis 10% der mit Ciprofloxacin oder Ofloxacin behandelten Patienten unerwünschte Wirkungen erleiden.(22,23) Gastrointestinale Beschwerden (Nausea, Erbrechen, Durchfall, Bauchschmerzen) wurden bei 2 bis 8% der Patienten beobachtet. Obwohl die Chinolone die anaerobe Darmflora weitgehend schonen, sind einzelne Fälle von pseudomembranöser Kolitis beschrieben worden.
Fluorierte Chinolone wirken als Hemmstoffe der g -Aminobuttersäure (GABA); sie können selten einmal einen Krampfanfall auslösen. Andere zentralnervöse Störungen -- Kopfschmerzen, Ruhelosigkeit, Schlafstörungen, Tremor, Geschmackstörungen, selten psychotische Reaktionen -- sind weniger in den Studien als in den Monaten nach der Einführung auf den Markt beschrieben worden.
Chinolone schädigen bei jungen Tieren den Gelenkknorpel; auch wurden bei drei Mädchen, die wegen zystischer Fibrose mit Ciprofloxacin behandelt wurden, Arthropathien beobachtet.(24) Diese Medikamente sind bei schwangeren Frauen, Kindern und Jugendlichen kontraindiziert.
Einzelne Anomalien des Blutbildes oder der Blutsenkungsreaktionen sind beschrieben worden. Im Urin kann es zur Kristallbildung kommen; reichliche Flüssigkeitszufuhr wird empfohlen.
Interaktionen: Ciprofloxacin kann durch Hemmung mikrosoamler Leberenzyme zu einem Anstieg der Theophyllin- Plasmakonzentration führen. Durch eine analoge Interaktion kann auch die Coffeinwirkung, eventuell auch diejenige von oralen Antikoagulantien verstärkt werden. Mit Ausnahme von Ofloxacin wird diese Interaktion auch von anderen Fluorochinolonen hervorgerufen. Wie bereits erwähnt, reduziert die gleichzeitige Verabreichung von aluminium- oder magnesiumhaltigen Antazida die gastro- intestinale Resorption von Chinolonen.

Dosierung, Verabreichung und Kosten

Ciprofloxacin (Ciproxin®) ist als Tabletten zu 250 und zu 500 mg sowie als 100 ml-Ampullenflaschen zu 2 mg/ml erhältlich. Die Herstellerfirma empfiehlt, einfache Harnwegsinfekte mit 2mal 125 mg täglich, «schwere» Harnwegsinfekte und Atemwegsinfekte mit 2mal täglich 250 bis 500 mg und besonders hartnäckige Infekte (z.B. Osteomyelitiden) mit Tagesdosen von 1,5 g zu behandeln.
Ofloxacin (Tarivid®) ist als Filmtabletten zu 200 mg erhältlich. Die Dosierungsempfehlungen reichen von 2mal 100 mg/Tag (für Infektionen der unteren Harnwege) bis zu 2mal 400 mg/Tag (für schwere Infektionen z.B. der Luftwege).
Eine unkomplizierte akute Gonorrhoe des Mannes kann mit einer Einzeldosis (z.B. 250 mg Ciprofloxacin oder 400 mg Ofloxacin) behandelt werden.
Die oralen Formen von Ciprofloxacin und Ofloxacin sind kassenzulässig. Eine übliche Tagesdosis (zwei 250 mg-Tabletten Ciproxin® oder zwei 200 mg-Tabletten Tarivid®) kostet Fr. 7.- bis 7.90 (je nach Packungsgrösse). Cotrimoxazol (zwei Forte-Tabletten Bactrim®: Fr. 3.90) und Norfloxacin (zwei 400 mg-Tabletten Noroxin®: Fr. 4.60) sind wesentlich billiger.

Beurteilung

Fluorierte Chinolone zeichnen sich durch ein breites antibakterielles Spektrum mit Schwerpunkt vor allem im gramnegativen Bereich aus. Chinolone sind relativ atoxische Medikamente und haben eine grosse therapeutische Breite. In der Behandlung von einfachen Infekten der Harnwege, der Luftwege, des Darmes oder der Gonorrhoe bieten diese Medikamente nur Patienten mit einer Polyallergie gegenüber herkömmlichen Antibiotika Vorteile. Wenn aber Infekte mit multiresistenten Problemkeimen zu behandeln sind, besitzen die neuen Chinolone den grossen Vorteil einer oralen, eventuell ambulant durchführbaren Therapie. Wichtigste Nachteile dieser Medikamente sind in der möglicherweise raschen Entwicklung von resisten- ten Keimen (Staph. aureus und epidermidis; gramnegative Keime) sowie in einer relativ geringen antibiotischen Aktivität gegen Pneumokokken und andere Streptokokken zu sehen. Anaerobier sind grösstenteils resistent gegen Chinolone.
Im Gegensatz zu den Empfehlungen der Hersteller sind Ciprofloxacin und Ofloxacin im allgemeinen nicht zur Behandlung von einfachen Infektionen der Harn- oder Atemwege indiziert, auch nicht für eine ausserhalb des Spitals akquirierte Pneumonie (Pneumokokken-, Aspirationspneumonie). Zur Therapie dieser Erkrankungen stehen kostengünstigere, ebenso wirksame oder besser dokumentierte Antibiotika zur Verfügung.
Diese Medikamente sollen vor allem für Infektionen mit multiresistenten Keimen in Reserve gehalten werden, welche sonst nur parenteral behandelt werden können. Norfloxacin ist das älteste, für die Therapie von Harnwegsinfektionen am besten dokumentierte fluorierte Chinolon. Ciprofloxacin und Ofloxacin bieten gegenüber Norfloxacin den Vorteil einer besseren antibiotischen Aktivität und einer besseren Resorption nach oraler Gabe. Die beiden neueren Substanzen können deshalb auch für tiefer liegende    Infekte    (Prostatitis,    Weichteilinfektionen, Osteomyelitis) oder sogar zur Therapie systemischer Infektionen eingesetzt werden. Ein wesentlicher -- vorläufig noch theoretischer -- Vorteil der Chinolone gegenüber zahlreichen anderen Antibiotika ist ihre gute Verteilung in sämtliche Körperkompartimente und -sekrete sowie ihr Penetrationsvermögen in phagozytierende Zellen. Klinische Studien sind nötig, um die Relevanz dieser Eigenschaften für die Behandlung von schwer zugänglichen Infektionen und von intrazellulär persistierenden Keimen zu dokumentieren.

Kommentar

Das antibakterielle Spektrum der Chinolone ist breit; besonders nützlich ist die Aktivität gegen Methicillin-resistente Staphylokokken und Penicillin-resistente Gonokokken. Bei Pseudomonas aeruginosa können unter Monotherapie Resistenzen auftreten. Eine gewisse Vorsicht drängt sich bei Pneumokokken und Enterokokken auf. Die Kombination Chinolon + Ethambutol könnte sich gegen Mycobacterium avium intracellulare wirksam erweisen.
Da die Chinolone gut diffundieren und in Zellen (z.B. Makrophagen) eindringen, bieten sie bei Abdominaltyphus, chronischen Salmonellen-Ausscheidern, resistenten Brucellosen, gram-negativen Osteomyelitiden und chronischer Prostatitis neue Therapiemöglichkeiten, besonders bei resistenten Stämmen oder bei Penicillin-allergischen Patienten.
Diese Antibiotika werden bei neutropenischen Patienten zur Prophylaxe verschrieben: sie können Infektionen mit opportunistischen gram-negativen Keimen verhindern, wobei die anaerobe Darmflora nicht gestört wird.
In eigenen Studien konnten wir zeigen, dass diese Antibiotika in der Behandlung komplizierter Harnwegsinfektionen, bei Patienten mit Dauerkathetern oder als Prophylaxe beim Katheterisieren besser waren als Cotrimoxazol (Sulfamethoxazol- Trimethoprim, Bactrim® u.a.).
Neuere Studien zeigen die Wirksamkeit dieser Antibiotika bei Reisedurchfällen und Shigellosen (Einzeldosis-Behandlung mit klinischem Erfolg in über 80% der Fälle, nach 36 Stunden).
In einer prospektiven Schweizer Studie mit mehr als 100 Patienten mit Pneumonien, febrilen Bronchitiden und infizierten Bronchiektasien konnten wir zeigen, dass Ofloxacin so gut wirksam war wie Amoxicillin. Chinolone sind aktiv gegen Haemophilus influenzae und Branhamella catarrhalis-Stämme, die Penicillinase bilden, und bei atypischen Pneumonien. Sie sollten aber nicht verschrieben werden, wenn der Verdacht auf eine Pneumokokken-Pneumonie besteht.
C. Regamey

Literatur

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  5. 5) D.M. Campoli-Richards et al.: Drugs 35: 373, 1988
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  7. 7) N.K. Henry et al.: J. Antimicrob. Chemother. 18: Suppl. D, 103, 1986
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  24. 24) M. Alfaham et al.: Br. Med. J. 295: 699, 1987

Standpunkte und Meinungen

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Ciprofloxacin und Ofloxacin (14. Juli 1988)
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