Nebenwirkungen aktuell

OMEPRAZOL

Omeprazol blockiert die in der Magenschleimhaut gelegene Protonenpumpe, welche für den letzten Schritt der Magensäuresekretion verantwortlich ist. Omeprazol ist ein wichtiges Medikament bei H2- Blocker-refraktären peptischen Ulzera; es ist das Mittel der Wahl zur Behandlung einer Refluxösophagitis und des Zollinger-Ellison-Syndroms.

Die folgenden Artikel geben eine gute Übersicht zu Omeprazol:
Maton PN. Lancet 1991; 324: 965-75
McTavish D et al. Drugs 1991; 42: 138-70
Ebert R. Internist 1992; 33: 622-6 Markenname: Antra®

Gynäkomastie und Impotenz
Ein 53jähriger Mann mit einem therapieresistenten Duodenalulkus wurde mit 20 mg Omeprazol täglich behandelt. Andere Medikamente nahm der Patient nicht ein. Nach achtwöchiger Therapie war das Ulkus abgeheilt. Während der Behandlung entwickelte der Mann beidseits eine schmerzhafte Gynäkomastie. Die Plasmaspiegel der Hormone waren normal und die Funktion der Leber war unauffällig. Innerhalb von vier Wochen nach Therapieende bildete sich die Gynäkomastie zurück. Nach einer Pause von vier Monaten wurde im Einverständnis mit dem Patienten erneut 20 mg Omeprazol täglich gegeben. Nach sechswöchiger Behandlung zeigte sich erneut eine beidseitige Gynäkomasie, worauf die Behandlung abgesetzt wurde. Die Blutwerte blieben auch diesmal unauffällig.
Santucci L et al. N Engl J Med 1991; 324: 635

Ein 68jähriger Mann erhielt wegen Refluxösophagitis Omeprazol (20 mg/Tag). Wegen Arthrosebeschwerden wurde der Patient mit Methylprednisolon (Urbason® u.a., 4 mg/Tag) sowie Indometacin (Indocid® u.a., 50 mg/Tag) behandelt. Eine Hypertonie wurde mit Indapamid (Fludex ®, 2,5 mg/Tag) behandelt und wegen Harnsäure-Nierensteinen nahm der Patient auch noch Allopurinol (Zyloric ® u.a., 300 mg/Tag). Nach dreimonatiger Einnahme von Omeprazol entwickelte er eine schmerzhafte Gynäkomastie auf der linken Seite. Bei der Untersuchung wurde auch auf der rechten Seite eine Gynäkomastie diagnostiziert, die allerdings weniger ausgeprägt war. Eine Mammographie bestätigte den klinischen Befund. Die Hoden waren unauffällig; die Plasmaspiegel der Hormone lagen überwiegend im Normbereich; einzig Kortisol und ACTH waren wegen der Behandlung mit Methylprednisolon erniedrigt. Die Funktion von Schilddrüse, Leber und Nieren war im Normbereich. Omeprazol wurde abgesetzt und die Gynäkomastie bildete sich innerhalb von etwa drei Wochen zurück.
Convens C et al. Lancet 1991; 338: 1153

Stichwortverzeichnis zu dieser Ausgabe
Anaphylaktische Reaktionen (Protamin)
Angioödem (Omeprazol)
Angioödem (Protamin)
AV-Block (Flumazenil)
Blutdruckabfall (Protamin)
Flumazenil
Gynäkomastie (Omeprazol)
Hautnekrose (Omeprazol)
Herzstillstand (Flumazenil)
Impotenz (Omeprazol)
Leberversagen (Omeprazol)
Magenpolypen (Omeprazol)
Omeprazol
Protamin Psychotische
Zustände (Flumazenil)
Urtikaria (Omeprazol)

Texte dieser Ausgabe
zusammengestellt von K. Tobler,
kommentiert von E. Gysling

Seit der Einführung von Omeprazol bis Dezember 1991 wurden der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 13 Fälle von Gynäkomastie gemeldet, die im Zusammenhang mit einer Omeprazolbehandlung aufgetreten waren. Acht Männer hatten Tagesdosen von 20 mg erhalten, bei zwei Männern betrug die Dosis 40 mg/Tag, bei einem 60 mg/Tag und zwei wurden intermittierend behandelt. Die Mehrzahl nahm Omeprazol wegen Magen- oder Duodenalulzera ein. Das Durchschnittsalter lag bei 57 Jahren. Im Mittel dauerte es knapp drei Monate, bis die Gynäkomastie auftrat.
Bei zwei Frauen im Alter von 41 und 77 Jahren vergrösserte sich unter Omeprazol die Brust. In diesen beiden Fällen ist die Indikation für die Omeprazolbehandlung nicht bekannt.
Impotenz trat bei 15 Männern auf, welche -- meistens wegen Refluxösophagitis -- mit 20 bis 40 mg Omeprazol täglich behandelt wurden. Das Durchschnittsalter dieser Männer betrug 53 Jahre. Elf Männer nahmen keine anderen Medikamente. Die Impotenz trat durchschnittlich nach vier Tagen auf. Lindquist M, Edwards IR. Br Med J 1992; 305: 451-2

Akutes Leberversagen
Ein 62jähriger Mann verstarb an einem akuten Leberversagen, nachdem er 17 Tage lang Omeprazol (20 mg/Tag) eingenommen hatte. Die Vorgeschichte war folgendermassen verlaufen: Der Patient klagte über zunehmende Oberbauchschmerzen, Appetitlosigkeit, Schwäche, Schwindel, Übelkeit und Erbrechen. Eine psychische Verlangsamung, ein Ikterus und ein «Flapping»-Tremor traten auf. Das Abdomen war leicht druckdolent, die Darmgeräusche vermindert. Es wurden abnorme hämatologische und Leberenzymwerte festgestellt. Trotz intensivmedizinischer Betreuung verschlechterte sich der Zustand des Patienten. Er entwickelte eine Ateminsuffizienz, ein oligurisches Nierenversagen und Krampfanfälle. Fünf Tage nach Beginn der ersten Symptome verstarb der Patient.
Jochem V et al. Am J Gastroenterol 1992; 87: 523-5

Akute disseminierte Hautnekrose
Eine 72jährige Frau wurde wegen dyspeptischen Beschwerden, welche auf Antazida nicht ansprachen, mit 20 mg Omeprazol täglich behandelt. Zwei Wochen nach Therapiebeginn entwickelte sie ein Exanthem an den Armen. Da die Patientin sehr gut auf Omeprazol angesprochen hatte, wurde das Medikament nicht abgesetzt. Innerhalb der nächsten zwei Wochen breitete sich das Exanthem über den Rumpf und die proximalen Extremitäten aus. Die klinische Untersuchung zeigte erythematöse, zum Teil konfluierende Plaques mit Krustenbildung und Erosionen; vereinzelt waren pemphigoide Hautblasen nachweisbar. Die Schleimhaut war nicht mitbeteiligt. Die histologische Untersuchung einer Hautbiopsie zeigte ein geringes Infiltrat von mononukleären Zellen in der Dermis sowie nekrotische Keratinozyten.
Omeprazol musste abgesetzt und eine orale Kortikosteroid- Behandlung durchgeführt werden. Nach dem Autor des Berichtes handelt es sich um eine ungewöhnlich schwere Hautreaktion auf Omeprazol. Das Krankheitsbild lässt sich weder mit der Diagnose einer toxischen epidermalen Nekrolyse (Lyell-Syndrom) noch der eines Erythema multiforme befriedigend umschreiben.
Cox NH. Lancet 1992; 340: 857

Magenpolypen
Bei zwei Frauen und einem Mann liessen sich ein Jahr nach einer Langzeittherapie mit Omeprazol (20 mg/Tag) gastroskopisch Polypen nachweisen. Bei einer 74jährigen Frau hatten sich etwa 50 Magenpolypen entwickelt. Es fanden sich keine Hinweise auf Dysplasie oder Malignität. Sie war wegen Ösophagitis mit Ulzera und Strikturen mit Omeprazol behandelt worden. Eine 66jährige Patientin wies nach einem Jahr 10 plaqueartige Magenpolypen auf. Ein Magenulkus war der Grund für die Omeprazolbehandlung gewesen. Die dritte Person, ein 52jähriger Mann, litt unter Ösophagitis mit Ulzera und Spasmen. Bei ihm wurden 3 Polypen nachgewiesen, zwei davon ausgehend von den Drüsen des Magenfundus. Histologisch war die Schleimhaut unauffällig.
Graham JR. Med J Austr 1992; 157: 287-8

Angioödem und Urtikaria
Ein 44jähriger Mann mit Barrett-Ösophagitis entwickelte zwei Stunden, nachdem er die erste Kapsel Omeprazol eingenommen hatte, eine generalisierte Urtikaria, ein Angioödem und Bronchospasmen. Wegen des bedrohlichen Krankheitsbildes musste der Patient ins Spital aufgenommen werden, wo er mit Hydrocortison intravenös behandelt wurde. Zwei Tage später nahm er erneut eine Kapsel Omeprazol ein. Innerhalb von drei Stunden entwickelte er wieder die gleichen Symptome. Die Ösophagitis wurde daraufhin mit Cimetidin (Tagamet® u.a.) behandelt.
Später erhielt der Patient, mit seinem Einverständnis, nur den Inhalt einer Omeprazol-Kapsel. Da keine Reaktion auftrat, konnte so eine längere Omeprazol-Behandlung ohne weitere Komplikationen durchgeführt werden. Die Kapseln enthalten Gelatine, Eisenoxid, Titandioxid und Druckfarbe. Der Autor des Berichtes vermutet, dieser Patient sei auf einen der Kapselbestandteile allergisch.
Haeney MR. Br Med J 1992; 305: 870

Omeprazol ist eine hochwirksame Substanz, die in den letzten Jahren mehr und mehr eingesetzt worden ist. Es wundert deshalb nicht, dass jetzt auch einige Berichte über seltene oder ungewöhnliche Nebenwirkungen auftauchen. Wie immer ist es nicht einfach, einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Medikament und unerwünschtem Ereignis festzulegen. Da offensichtlich auch Omeprazol -- wie Cimetidin -- vereinzelt eine Gynäkomastie verursachen kann, ergibt sich die (bisher ungelöste) Frage nach einer gemeinsamen Wirkungskomponente der beiden sonst so unterschiedlichen Medikamente.

PROTAMIN

Protamin ist ein Heparinantagonist. Es bildet mit Heparin einen Komplex, der keine blutgerinnungshemmenden Eigenschaften mehr hat. Protamin wird eingesetzt, wenn unter Heparintherapie eine stärkere Blutung auftritt oder um eine zeitlich limitierte Gerinnungshemmung zu beenden. Dies ist zum Beispiel in der Herzchirurgie oder bei bestimmten Eingriffen in der Gefässchirurgie von Bedeutung. Übersichten zu Protamin finden sich in den Pharmakologie- Lehrbüchern sowie in:
Jaques LB. Can Med Ass J 1973; 108: 1291-7

Markenname: Protamin Roche®

Anaphylaktische Reaktionen
Einer 50jährigen Frau wurde nach einer offenen Herzoperation Protamin verabreicht. Sogleich sank der mittlere arterielle Blutdruck auf 40 mm Hg, der Puls stieg von 100 auf 130 Schläge pro Minute. Im Gesicht und am Rumpf entwickelte die Frau ein schweres angioneurotisches Ödem. Die Behandlung mit Vasopressoren, Steroiden und Volumenersatz verlief erfolgreich. Die Anamnese ergab, dass diese Frau 7 Jahre zuvor -- ebenfalls nach einer Herzoperation -- bereits mit Protamin behandelt worden war.

Roelofse JA, van der Bijl P. Anesth Prog 1991; 38: 99-100

Einem 64jährigen Mann war nach einer erfolglosen perkutanen transluminalen Koronarangioplastie 200 mg Protamin intravenös gegeben worden. Etwa zwei Minuten später entwickelte sich eine generalisierte Hautrötung und eine ausgeprägte Hypotonie. Trotz intensivmedizinischer Behandlung sank der Blutdruck weiter, der Patient klagte über präkordiale Schmerzen und im EKG zeigte sich eine ST-Hebung. Der Beatmungsdruck war als Hinweis auf einen Bronchospasmus oder ein akutes Lungenödem erhöht. Mehrmals musste wegen eines Kammerflimmerns defibrilliert werden. Schliesslich verstarb der Patient an einem Herzversagen infolge einer irreversiblen elekromechanischen Dissoziation. Der Patient war nie zuvor mit Protamin behandelt worden. Neidhart PP et al. Eur Heart J 1992; 13: 856-8

Allergische Reaktionen auf Protamin: eine Übersicht
Die allergischen Reaktionen auf Protamin reichen von Exanthem und Urtikaria über Bronchospasmus und massiven Blutdruckabfall bis hin zu Todesfällen. Wie diese Nebenwirkungen zustande kommen, ist nicht ganz klar. Anaphylaktische und anaphylaktoide Reaktionen werden dafür verantwortlich gemacht. Gegen Protamin gerichtete Antikörper der IgE- und der IgG-Gruppe werden im Zusammenhang mit diesen Nebenwirkungen gefunden. Schwere Protaminreaktionen werden aber auch beschrieben, ohne dass diese Antikörper nachweisbar sind. Ausgelöst wird die Reaktion dann wahrscheinlich durch die Heparin-Protaminkomplexe, welche -- wie die IgG-Immunkomplexe -- das Komplementsystem aktivieren können. Über eine Reihe von Schritten werden in der Folge Thromboxane freigesetzt, welche für die pulmonale Vasokonstriktion und möglicherweise auch für den Bronchospasmus verantwortlich sind. Die Inzidenz schwerer Nebenwirkungen wird in prospektiven Studien mit 1,6 bis 4% angegeben.
Es gibt mehrere mögliche Risikogruppen: Gefährdet sind z.B. insulinabhängige Diabetiker. Vielen Depotinsulinen wird zur Resorptionsverzögerung Protamin zugesetzt. Bei 53% dieser Diabetiker werden gegen Protamin gerichtete IgE-Antikörper gefunden, in 38 bis 91% IgG-Antikörper. Wahrscheinlich aufgrund dieser Antikörper ist das Risiko einer Nebenwirkungsreaktion bei dieser Gruppe um das 40- bis 50fache erhöht. Etwa die Hälfte aller lebensbedrohlichen Reaktionen auf Protamin entfallen auf dieses Kollektiv.
Drei Fallberichte lassen einen Zusammenhang zwischen Fisch- und Protaminallegie vermuten (Protamin wird aus Fischsperma, vor allem vom Lachs, gewonnen). Sechs Personen, die anamnestisch eine Fischallergie angaben, reagierten in einer prospektiven Studie allerdings nicht auf Protamin. Es ist fraglich, ob Fischallergiker tatsächlich eine Risikogruppe darstellen.
Von der Pubertät an besteht bei Männern eine «Blut-Hoden- Schranke». Nach einer Vasektomie werden die Spermien jedoch in den Kreislauf resorbiert. Vasektomierte Männer entwickeln in etwa 65% Autoantikörper gegen Sperma, in 22 bis 30% gegen Protamin-ähnliche Eiweisse. Bei 35% konnten gegen Protamin gerichtete IgE-Antikörper nachgewiesen werden (Kontrollgruppe 0%). Von neun Männern mit Status nach Vasektomie reagierte in einer prospektiven Studie einer massiv auf Protamin; in einer weiteren Studie trat aber bei keinem der untersuchten 16 Männer eine Reaktion auf.
Gefährdet sind sodann grundsätzlich alle Personen, die schon einmal Protamin intravenös erhalten haben. Mehrere Berichte über lebensbedrohliche Reaktionen nach Reexposition liegen vor.
Hobbhahn J et al. Anästhesist 1991; 40: 365-74
Weiss ME, Adkinson NF. Clin Rev Allergy 1991; 9: 339-55

In der Literatur finden sich recht zahlreiche Berichte über schwere Reaktionen auf Protamin. Dennoch denkt man kaum an diese Möglichkeit, wenn man einen Patienten zu einer Herzoperation anmeldet.
Auch einer meiner Patienten ist vor kurzem nach einer Herzoperation an den Folgen einer Protamin-Allergie gestorben. Dieser Mann hätte eigentlich gute Chancen gehabt, dank der Bypass-Operation seinen Lebensabend noch mit soviel Aktivität zu erfüllen, wie er es wünschte. Sein plötzlicher Tod war für die Familie ein Schock und auch für mich, der ich seit Jahren sein Hausarzt war, ein schmerzlicher Verlust. So beeindruckt die brutale Realität einer schweren oder tödlichen Nebenwirkung doch immer wieder ganz anders als die ausführlichste Schilderung.

FLUMAZENIlL

Flumazenil ist ein spezifischer Benzodiazepin-Antagonist, der in der Anästhesie und zur Diagnose und Behandlung von Benzodiazepin-Intoxikationen verwendet wird. Das Medikament verbessert ausserdem die Hirnfunktion bei hepatischer Enzephalopathie. Neuere Übersichten zu Flumazenil sind zum Beispiel:
Brogden RN, Goa KL. Drugs 1991; 42: 1061-89
Kretz FJ et al. Med Klin 1990; 85: 156-62

Markenname: Anexate®

Totaler AV-Block
Eine 79jährige Frau wurde an einem Morgen bewusstlos aufgefunden. Sie hatte offensichtlich am Vorabend Überdosen von Paracetamol (Panadol® u.a.) und Temazepam (Normison® u.a.) eingenommen. Um der Temazepamwirkung entgegenzuwirken, erhielt die Frau im Spital 0,5 mg Flumazenil injiziert. Eine Minute nach der Injektion wurde auf dem Monitor ein AV-Block dritten Grades mit einer Herzfrequenz zwischen 15 und 20/min beobachtet. Als die Patientin kurz darauf erbrach, stieg der Puls wieder auf 30 bis 50 Schläge pro Minute und das EKG zeigte noch einen AV-Block ersten Grades. Nach intravenöser Gabe von Atropin erfolgte die Konversion zum Sinusrhythmus. Später stellte sich heraus, dass die Patientin auch hohe Dosen von Atenolol (Tenormin® u.a.) und Nifedipin (Adalat® u.a.) genommen hatte. Die Autorinnen des Berichtes weisen darauf hin, dass Flumazenil nicht ohne genaue kardiovaskuläre Überwachung gegeben werden soll.
Herd B, Clarke F. Hum Exp Toxicol 1991; 10: 289

Herzstillstand
Ein 60jähriger Mann wurde wegen eines ausgedehnten Vorderwandinfarkts ins Spital eingewiesen. Am zweiten Tag der Hospitalisation entwickelte er ein Lungenödem, welches eine Beatmung nötig machte. Neben einem Muskelrelaxans wurde dem Patienten Morphin und Diazepam (Valium® u.a.) verabreicht. Am fünften Tag stabilisierte sich der kardiorespiratorische Zustand des Patienten, er wurde wacher und begann sich gegen die Beatmung zu wehren. Noch immer war er aber schläfrig und wenig kooperativ, ein Verhalten, das auf die Wirkung von Diazepam zurückgeführt wurde. Um die Entwöhnung von der Beatmung zu erleichtern, wurde dem Patienten langsam intravenös Flumazenil verabreicht. Nach einer Dosis von 0,4 mg entwickelte er plötzlich eine anhaltende ventrikuläre Tachykardie, danach ein Kammerflimmern und schliesslich eine Asystolie. Die Reanimation blieb erfolglos und der Patient verstarb 20 Minuten später.
Katz Y et al. Br Med J 1992; 304: 1415

Psychotischer Zustand
Aus dem Zürcher Universitätsspital wird über eine 38jährige Patientin mit einer fortgeschrittenen primären Leberzirrhose berichtet. Trotz Prophylaxe mit Lactulose, Kaliumsubstitution und Eiweissrestriktion musste diese Frau wiederholt wegen hepatischer Enzephalopathie hospitalisiert werden. Mittels intensivierter Therapie gelang es jeweils, die schwere Hyperammoniämie wieder zu reduzieren. Anlässlich einer Hospitalisation hatte auch die intravenöse Gabe von Flumazenil eine gute Wirkung gezeigt. Deshalb wurde bei einer weiteren Spitalaufenthalt eine Prophylaxe mit Flumazenil (2mal 25 mg/Tag) begonnen. Nach 48 Stunden wurde die Patientin zunehmend ängstlich und unruhig. Sie konnte nicht mehr schlafen, hatte Schreianfälle, wurde aggressiv gegenüber Mitpatientinnen, entwickelte Angstzustände und Halluzinationen. Nach 90 Stunden wurde Flumazenil gestoppt. Der Zustand der Patientin normalisierte sich innerhalb von 12 Stunden. Der Ammoniakspiegel blieb normal, das EEG zeigte keine Veränderung gegenüber einer früheren Kontrolle.
Seebach J, Jost R. Lancet 1992; 339: 488-9

Flumazenil ist zweifellos ein sehr nützliches Antidot bei Benzodiazepinvergiftungen. Wie die hier zusammengefassten Berichte zeigen, gestaltet sich die Anwendung der Substanz aber nicht ganz problemlos. Vor unbesonnener oder ungenügend überwachter Verabreichung muss daher gewarnt werden.

Standpunkte und Meinungen

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Nebenwirkungen aktuell (14. Oktober 1992)
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