Nebenwirkungen aktuell

HEPATITIS-B-IMPFSTOFFE

Hepatitis-B-Impfstoffe enthalten das Hepatitis-BOberflächenantigen (HBsAg). In der Schweiz ist nur noch ein Impfstoff (Hevac B Pasteur®) erhältlich, der aus dem Plasma von HBsAg-Trägern gewonnen wird. Das HBsAg der übrigen Impfstoffe wird gentechnologisch hergestellt («rekombinante» Impfstoffe). In einem früheren Artikel wurde ausführlich über die Hepatitis-B-Prophylaxe berichtet:
T. Häberli: pharma-kritik 1984; 6: 25-8.

Markennamen rekombinanter Impfstoffe:
Engerix-B®, Gen H-B-Vax®, Heprecomp®

Reaktionen auf rekombinante Impfstoffe
Die australische Kommission für unerwünschte Arzneimittelwirkungen hat 203 Fälle von unerwünschten Wirkungen zusammengestellt, die nach Applikation rekombinanter Hepatitis-B-Impfstoffe auftraten. Neben lokalen Reaktionen an der Injektionsstelle wurden Allgemeinsymptome wie Hautausschlag und/oder Juckreiz, Glieder- und Kopfschmerzen, Fieber, Müdigkeit und Brechreiz am häufigsten beobachtet. Bei vielen der Betroffenen traten die Symptome kombiniert auf und ergaben das Blid einer grippeähnlichen Erkrankung. Bei 28 Betroffenen traten ähnliche Symptome nach weiteren Injektionen erneut auf.

Bei einer kleinen Anzahl der Betroffenen wurden neurologische Störungen beobachtet. Am schwerwiegendsten waren zwei Fälle von Optikusneuritis und ein Fall von Guillain-Barré-Syndrom. Auch diese Personen erholten sich aber vollständig innerhalb von drei Monaten. Ein neuer Bericht beschreibe zudem, dass bei einem jungen Mann mit Schwindel und Diplopie kernspintomographisch nachweisbare Veränderungen im Gehirn (Demyelinisierung) über acht Monate bestehen blieben. Neurologische Störungen wurden wiederholt nach Impfung mit HBsAg aus Spenderseren beschrieben, waren aber nach rekombinanten Hepatitis-B-Vakzinen bisher weniger bekannt.
Die unerwünschten Wirkungen, die nach der Anwendung rekombinanter und aus Spenderseren gewonnener Hepatitis- B-Impfstoffe auftreten können, scheinen sich in ihrer Art nicht gross zu unterscheiden.
Austr Adverse Drug Reactions Bulletin; August 1990

Am Nutzen der Hepatitis-B-Impfung ist nicht zu zweifeln, zumal die Impfung im allgemeinen sehr gut verträglich ist. Dennoch muss beachtet werden, dass ein gewisses Nebenwirkungsrisiko besteht. Bemerkenswert ist das Auftreten von neurologischen Erkrankungen wie eines Guillain-Barré-Syndroms im Zusammenhang mit rekombinanten Impfstoffen, da bei diesen eine Kontamination mit einem unbekannten Virus als Ursache kaum in Frage kommt.

Stichwortverzeichnis zu dieser Ausgabe

Chinin
Cocain
Crack
Grippeähnliche Erkrankung (Hepatitis-B-Impfstoffe)
Guillain-Barré-Syndrom (Hepatitis-B-Impfstoffe)
Hepatitis-B-Impfstoffe
Hepatitis, granulomatöse (Chinin)
Hirsutismus
Hypertrichose (Ciclosporin, Minoxidil)
Nierenversagen, akutes (Chinin)
Sucht (Cocain)
Zerebrovaskuläre Insulte (Cocain)

Texte dieser Ausgabe
zusammengestellt von M. Beutler und P. Ritzmann
kommentiert von (E. Gysling)

CHININ

Chinin, das heute in der Malariatherapie nur noch für die chloroquinresistente Malaria tropica verwendet wird, ist in einigen Spezialitäten zur Behandlung von Muskelkrämpfen (Limptar®, Circonyl®), zur Behandlung von Schwindel (Monotrean®) und zur Fiebersenkung bei Angina (Bismorectal®) enthalten. Ausserdem wird es in geringen Mengen Getränken wie Tonic Water oder Bitter Lemon als Bitterstoff beigefügt.

Akutes Nierenversagen
Bei einer 63jährigen Frau trat nach Genuss eines chininhaltigen Getränks Schüttelfrost und Unwohlsein auf. Innerhalb von 36 Stunden entwickelten sich Anurie, Juckreiz und spontane Blutergüsse. Zur Behandlung des akuten Nierenversagens (Plasmakreatinin 1540 mmol/L, Harnstoff 40 mmol/L) wurde sie 72 Stunden danach in das Spital aufgenommen. Vor neun Jahren schon hatte sich nach Genuss eines anderen chininhaltigen Getränkes und weitere 16 Jahre zuvor nach Einnahme eines chininhaltigen Schlafmittels ein akutes Nierenversagen entwickelt.
Blutuntersuchungen zeigten einen Abfall des Hämoglobinwertes auf 54 g/L und eine Verminderung der Thrombozytenzahl auf 64×109/L; die Konzentration der Fibrinspaltprodukte war erhöht. Die linke Niere war verkleinert, wahrscheinlich als Folge der früheren Ereignisse. Die Nierenbiopsie zeigte kortikale Nekrosen sowie Fibrin in den Glomeruli und Arteriolenwänden. Nach Hämodialyse besserte sich der Zustand der Patientin allmählich.
Interpretiert wurde dieser Fall als wiederholte allergische Reaktion auf Chinin mit disseminierter intravasaler Gerinnung und nachfolgender Thrombozytopenie. Die Autorinnen erheben die Forderung, dass chininhaltige Produkte besser gekennzeichnet sein sollten und dass eine möglichst vollständige Liste dieser Produkte zur Verfügung stehen sollte. Barr E et al. Br Med J 1990; 301: 323

Hepatitis
Ein 67jähriger Mann nahm gegen Muskelkrämpfe täglich 300 mg Chininsulfat ein. Daneben wurde er wegen eines Glaukoms mit Carbachol behandelt. Nach zwei Monaten traten Polyarthralgien auf, die nach einigen Tagen unbehandelt wieder aufhörten. Dazu kam intermittierendes Fieber bis 38,5°C, ein durch eine Vaskulitis bedingtes Exanthem an den Schienbeinen und Ödeme an den Füssen. Die Laboruntersuchungen zeigten ein leicht verändertes Blutbild (Hb 125 g/L, Thrombozyten 438×109/L), eine Erhöhung der Blutsenkung (75 mm/h) und der leberabhängigen Werte (SGOT 100 U/L, alkalische Phosphatase 1668 U/L, g GT 1140 U/L). In der Leberbiopsie fand man kleine Herde von Leberzellnekrosen, kleine epitheloide Zellgranulome und Infiltrate von Lymphozyten und Eosinophilen. Eine Hautbiopsie zeigte eine leukoklastische Vaskulitis. Nach Absetzen aller Medikamente verschwanden die Symptome innerhalb von wenigen Tagen, das Blutbild erholte sich rasch und die Leberwerte waren nach vier bis sechs Monaten alle wieder normal.
Dieses Krankheitsbild einer granulomatösen Hepatitis kann auch von anderen Medikamenten verursacht werden. Besser bekannt als unter Chinin-Behandlung ist das Auftreten einer granulomatösen Hepatitis unter Chinidin, dem D-Isomeren von Chinin.
Mathur S et al. Br Med J 1990; 300: 613

Nicht vergebens ist Chinin seit Jahren als Fiebermittel obsolet geworden. Die vorliegenden Berichte weisen uns darauf hin, dass die Anwendung von Chinin bei «gutartigen» Problemen vereinzelt zu recht «bösartigen» Nebenwirkungen führen kann.

COCAIN

Cocain kann heute kaum mehr zu den Medikamenten gerechnet werden. Trotzdem drängt es sich auf, an dieser Stelle einmal auf die medizinischen Komplikationen hinzuweisen, die durch den Konsum von Cocain verursacht werden können. Das Aufkommen von Crack hat Cocain in den USA zu einer billigen und leicht zugänglichen Droge gemacht. Die Berichte über Fälle von Komplikationen, die durch Cocain verursacht wurden, haben sich in der letzten Zeit entsprechend vermehrt. Die Wahrscheinlichkeit, mit solchen Notfällen konfrontiert zu werden, wird möglicherweise auch bei uns zunehmen.

Illegal gehandelt als: Cocain-Hydrochlorid (Pulver), ungereinigtes Alkaloid («Crack»), gereinigtes Alkaloid («Freebase»).

Missbrauch: eine Übersicht
Cocain ist ein Alkaloid, das aus den Blättern des Coca- Strauches (Erythroxylum coca) gewonnen wird. Bis Cocain durch synthetische Substanzen verdrängt wurde, wurde es als Lokal- und Leitungsanästhetikum eingesetzt. Um die euphorisierende Wirkung zu erreichen, wurde Cocain traditionellerweise als Pulver geschnupft. In den Achtzigerjahren stellte der Strassenhandel in den USA auf Crack um. Die so verkauften Bröckel enthalten die freie Alkaloid-Base in ungereinigter Form und ermöglichen eine Cocaineinnahme durch Rauchen. Auf diese Weise werden schneller hohe Spitzenkonzentrationen im Plasma erreicht. Diese Ähnlichkeit mit der intravenösen Applikation, die ebenfalls praktiziert wird, macht Crack zu einer Droge mit hohem Abhängigkeitspotential.

Wirkungen
Cocain hat eine stark stimulierende Wirkung. Subjektiv wird diese Stimulation als Gefühl von Wohlbefinden und Stärke erlebt. Erklärt wird die euphorisierende Wirkung mit der Blockade der Wiederaufnahme verschiedener biogener Amine an der präsynaptischen Membran durch Cocain. Gemäss neueren Theorien soll die Verstärkung der Dopaminwirkung für das Auftreten der Euphorie verantwortlich sein. Die peripheren Wirkungen und die meisten medizinischen Komplikationen werden der potenzierten Noradrenalinwirkung zugeschrieben. Diese bewirkt eine Sympathikusstimulation mit Vasokonstriktion, Tachykardie, Pupillenerweiterung usw.

Abhängigkeit
Scheinbar können die Bewohner der Andenregionen jahrelang Coca-Blätter kauen, ohne davon abhängig zu werden. Das Abhängigkeitsrisiko von Cocain steigt mit der Intensität, mit welcher die Euphorie und die darauffolgende Depression («rush and crash») erlebt werden. Damit wird die Gefährlichkeit von Crack und der intravenösen Applikation erklärt.
Obwohl körperliche Symptome kaum auftreten, ist das Verlangen nach Cocain in den ersten Tagen einer Abstinenzphase besonders stark. Meist wird es begleitet von einer gedrückten Stimmung. Die oft ausgeprägten Stimmungsschwankungen werden durch Veränderungen der Dopamin-Rezeptorendichte erklärt, die nach wiederholter Cocaineinnahme auftreten können.
Zusätzliche individuelle Auslöser für das Verlangen nach Cocain und für einen Rückfall sind oft bestimmte Schlüsselereignisse wie das Treffen von Bekannten, der Besuch bestimmter Orte und der Konsum von anderen stimmungsverändernden Drogen (meist Alkohol).

Therapie
Unter den Therapiemöglichkeiten der Cocainabhängigkeit wird den Psychotherapien auch heute noch die grösste Bedeutung eingeräumt. Es kommen verschiedene Verfahren zur Anwendung. Je nach Schwere der Abhängigkeit können verhaltenstherapeutische, aufdeckende und stützende Psychotherapieformen allein oder auch in Kombination eingesetzt werden.
Die Beobachtung, dass das Verlangen nach Cocain häufig in Phasen von gedrückter Stimmung auftritt, hat zum Einsatz von Antidepressiva zur Unterstützung einer Cocain-Abstinenz geführt. In einer kontrollierten Studie konnte ein positiver Effekt von Desipramin (Pertofran®) nach zwei bis drei Wochen Behandlungsdauer zumindest auf die depressiven Symptome von Cocain-Abhängigen gezeigt werden. Möglicherweise wird auch die Intensität des Verlangens nach Cocain durch trizyklische Antidepressiva vermindert. Eine Bestätigung dieser Wirkung, die durch eine Beeinflussung der Dopaminrezeptoren erklärt werden könnte, wurde bisher von kontrollierten Studien noch nicht erbracht.
Durch ihre Beeinflussung der Dopaminwirkungen bieten sich auch Dopaminagonisten wie Bromocriptin (z.B. Parlodel ®) und verwandte Substanzen (Amantadin = z.B. Symmetrel®) zur Erleichterung des Cocain-Entzuges an. In mehreren kontrollierten Studien konnte mit der einen oder der anderen Substanz eine Verminderung des Verlangens nach Cocain oder der Entzugssymptome nachgewiesen werden. Unter Bromocriptin soll zudem die euphorisierende Wirkung von Cocain und damit die Motivation zur Einnahme vermindert sein.
Carey Hall W et al. Pharmacotherapy 1990; 10: 47-65

Medizinische Komplikationen
Angaben über die Häufigkeit und die Art von medizinischen Problemen, welche nach Einnahme von Cocain auftreten können, macht eine Studie, die über 200 Fälle analysierte, die während einem halben Jahr in einem Grossstadt-Spital registriert wurden.
Meist gaben die betroffenen Cocain-Konsumenten unspezifische Beschwerden an. Am häufigsten waren Schmerzen im Thorax, Kurzatmigkeit, Herzklopfen, Angst, Verwirrtheit, Schwindel, Kopfschmerzen und Nausea. Nach kurzer Zeit verschwanden die meisten dieser Beschwerden spontan wieder. Sie dürften eine direkte Folge der vegetativen Überstimulation sein.
Nur etwa ein Viertel der betroffenen Personen musste medikamentös behandelt und knapp ein Zehntel stationär weiterbetreut werden. Die Mortalität betrug etwa 1%: zwei Personen konnten nach Kreislaufstillstand nicht mehr wiederbelebt werden.
Unter den stationär Behandelten waren die meisten Abhängige, die Cocain intravenös anwendeten. Sie wurden entweder zur Behandlung von Infekten (Abszessen, Endokarditiden u.a.), wegen Symptomen einer Cocain-Überdosierung oder zum Ausschluss einer gefährlicheren Komplikation zurückbehalten. Lebensbedrohliche Komplikationen sind zwar selten, gehören aber mit in die Differentialdiagnose.
So kann die Ursache für Thoraxschmerzen eine Myokardischämie sein. In der Literatur ist mehrfach das Auftreten von Myokardinfarkten sogar bei unveränderten Koronarien beschrieben worden. Tachykardien und ventrikuläre Extrasystolie sind relativ häufig, auch Kammertachykardien und Kammerflimmern wurden schon beobachtet.
Andere klinisch relevante Ursachen für thorakale Beschwerden sind Pneumothorax und Pneumomediastinum, die nach Rauchen von Crack vermehrt auftreten sollen. Seltener berichtet wurde auch schon von Asthmaanfällen und allergischen Lungenentzündungen nach Konsum von Cocain.
Unter den neurologischen Komplikationen sind die epileptischen Anfälle am häufigsten. Doch auch zerebrovaskuläre Insulte (siehe unten) können durch die Einnahme von Cocain verursacht werden.
Nicht selten stellen auch psychiatrische Störungen das Hauptproblem dar. Genannt werden in diesem Zusammenhang vor allem Verwirrtheit und psychotische Zustände, die mit Wahnvorstellungen, Suizidalität oder aggressivem Verhalten einhergehen können.
Brody SL et al. Am J Med 1990; 88: 325-31

Zerebrovaskuläre Insulte
An 28 Personen, die einen Schlaganfall nach Cocain-Einnahme erlitten hatten, wurde der Zusammenhang von Cocain-Wirkung und dem Auftreten von zerebrovaskulären Insulten untersucht.
Die Betroffenen waren meist jung (Durchschnittsalter 34 Jahre). Nur bei einem Teil von ihnen konnten zusätzliche Risikofaktoren wie Nikotinkonsum, Hypertonie oder Hyperglykämie gefunden werden. Bei der Mehrheit traten neurologische Symptome innerhalb einer Stunde nach Cocain-Einnahme auf. Ischämische Insulte wurden bei 64% der Untersuchten diagnostiziert, sie betrafen in der Mehrzahl das Versorgungsgebiet der A. cerebri media, aber auch andere Lokalisationen wurden beobachtet. Bei den übrigen Untersuchten wurden hämorrhagische Insulte gefunden, wobei intrazerebrale und subarachnoidale Blutungen etwa gleich häufig waren. Nur in je einem Fall wurde angiographisch eine arteriovenöse Missbildung oder ein Aneurysma gefunden.
Als mögliche pathophysiologische Mechanismen werden angegeben: Vasokonstriktion der zerebralen Gefässe mit Bildung von Gerinnseln, kardiale Embolisierung nach Rhythmusstörungen und schliesslich Blutdruckspitzen mit Ruptur von zerebralen Gefässen. Eine mögliche Mitursache könnte auch eine durch Cocain veränderte Thrombozyten-Funktion sein.
Die Autoren empfehlen, an Cocain als mögliche Ursache für einen Schlaganfall bei jüngeren Personen zu denken und nach der Droge und ihren Metaboliten in Plasma und Urin zu suchen.
Levine SR et al. N Engl J Med 1990; 323: 699-704

Verstärkte Körperbehaarung als unerwünschte Wirkung von Medikamenten

Verstärkte Körperbehaarung ohne besondere Vermehrung der Sexualbehaarung nennt man Hypertrichose. Ihre Pathophysiologie ist unklar, verschiedene Ursachen werden diskutiert. Die verstärkte androgenabhängige Körperund Gesichtsbehaarung bei Frauen wird als Hirsutismus bezeichnet. Die Ursache dafür ist eine erhöhte Androgenaktivität. Diese kann bedingt sein durch exogene Zufuhr von Androgenen oder durch verstärkte endogene Androgenproduktion. Auch eine Verminderung der Konzentration des sexualhormonbindenden Globulins (SHBG) erhöht die freie Androgenkonzentration im Blut und damit die Androgenaktivität.
Anabolika, orale Kontrazeptiva sowie Kortikosteroide können Hirsutismus verursachen. Orale Kontrazeptiva sollen bei etwa 0,1% der Frauen verstärkten Gesichtshaarwuchs erzeugen. Nach Langzeitbehandlung mit Neuroleptika der Phenothiazingruppe wurde verstärktes Haarwachstum beobachtet, als deren Ursache eine Erhöhung der endogenen Androgenaktivität diskutiert wird.
Bei den nachstehend beschriebenen Medikamenten hat man bisher noch keinen Zusammenhang zwischen verstärktem Haarwachstum und Androgenaktivität gefunden. Häufige und starke Hypertrichosen verursacht Minoxidil, das als Antihypertensivum (Loniten®) und als Haarwuchsmittel (Regaine®) angeboten wird. Bei 24 bis 100% der Behandelten macht sich nach zwei bis drei Wochen systemischer Anwendung verstärktes Haarwachstum vor allem an Gesicht, Armen und Beinen bemerkbar. Dieser Effekt ist nicht dosisabhängig und bei Therapieabbruch reversibel.
Ebenfalls sehr häufig, nach einer Studie bei 95% der Patienten, tritt verstärkter Haarwuchs bei Behandlung mit Ciclosporin (Sandimmun®) auf. Gesicht, behaarter Kopf, Schultern, Rücken sowie die Extremitäten können betroffen sein. Dieser Effekt ist bei Kindern offenbar häufiger als bei Erwachsenen; er kann etwa einen Monat nach Therapiebeginn auftreten und bis mehrere Monate nach Absetzen von Ciclosporin andauern. Die Kombination von Ciclosporin und Minoxidil scheint zu besonders starkem Haarwachstum zu führen, wie ein Fallbeispiel eines achtjährigen Knaben zeigt. Dieser erhielt nach einer Lebertransplantation nebst anderen Medikamenten Ciclosporin und Minoxidil. Nach drei Monaten waren sowohl das Gesicht an Wangen, Schläfen und Stirn, als auch die Extremitäten und der Rumpf stark mit Terminalhaar bewachsen. Nachdem Minoxidil durch Captopril ersetzt und die Haare abrasiert worden waren, trat kein übermässiger Haarwuchs mehr auf.
Eine PUVA-Therapie mit Methoxsalen (Meladinine®) kann nach sechs bis zwölf Wochen verstärkten Haarwuchs an Gesicht und Extremitäten auslösen. Angaben über die Häufigkeit variieren zwischen 2 und 65%. Auch bei chronischer Phenytointherapie (z.B. mit Epanutin®) kann sich nach zwei bis drei Monaten eine Hypertrichose an Armen und Beinen, manchmal auch an Rumpf und Gesicht entwickeln. In einer Untersuchung waren 35% der behandelten Kinder betroffen. Diazoxid (Proglicem®) führt bei weniger als 1% der Erwachsenen und etwas häufiger bei Kindern, an Gesicht, Rumpf und Extremitäten zu einer Hypertrichose, die bis zu zwei Jahre nach Therapieende andauern kann.
Weitere Arzneimittel, bei denen man Hyertrichosen beobachtet hat, sind Acetazolamid (z.B. Diamox®), Penicillamin (Mercaptyl®), Streptomycin, Tamoxifen (z.B. Nolvadex®), L-Thyroxin (Eltroxin®) und vereinzelte Impfstoffe.
Miwa LJ et al. Ann Pharmacother 1990; 24: 365-8

Standpunkte und Meinungen

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Nebenwirkungen aktuell (28. September 1990)
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