Therapie häufiger Probleme in der Schwangerschaft

Zu Recht zögert man, eine schwangere Frau medikamentös zu behandeln. Aber auch in der Schwangerschaft treten Erkrankungen oder Beschwerden auf, die eine Behandlung erfordern. Dabei ist es nützlich, sich der unterschiedlichen Risiken einer Pharmakotherapie in den verschiedenen Schwangerschaftsabschnitten bewusst zu sein: Das Risiko für Fehlbildungen ist im ersten Trimenon am grössten; aber auch später können Medikamente das Gedeihen des ungeborenen Kindes beeinträchtigen. Am Ende der Schwangerschaft ist an die Möglichkeit von Blutungen, an den Verschluss des Ductus arteriosus Botalli sowie an postpartale Probleme zu denken.

Mit der Ausnahme von Substanzen mit hohem Molekulargewicht (z.B. Heparine) gelangen Arzneimittel aus dem mütterlichen Kreislauf obligat via Plazenta auch in den Kreislauf des Kindes. Im Tierversuch lässt sich eine Beziehung zwischen der verabreichten Dosis und der fruchtschädigenden Wirkung (Teratogenität) zeigen. Dosis und Blutspiegel spielen somit wahrscheinlich eine Rolle. Auf der Basis zahlreicher Tierexperimente und einiger Fallbeispiele beim Menschen kann vermutet werden, dass der Genotyp des Embryos darüber bestimmt, ob ein Teratogen die Entwicklung stören kann oder nicht.

Aussagen zur Pharmakotherapie in der Schwangerschaft sind fast immer unsicher, weil unerwünschte Wirkungen noch zu wenig konsequent (z.B. in Registern, mittels prospektiv angelegten Beobachtungsstudien, bei denen der Ausgang der Schwangerschaft noch nicht bekannt ist) erfasst werden und randomisiert-kontrollierte Studien ausser Betracht fallen. Fall-Kontroll-Studien und Beobachtungen von Einzelfällen ermöglichen jedoch keine ganz zuverlässigen Aussagen. Immerhin kann festgestellt werden, dass teratogene Wirkungen, die einen Schwangerschaftsabbruch rechtfertigen, nur für eine sehr kleine Zahl von Medikamenten bekannt sind. Informationen zur Risikobeurteilung finden sich in den einschlägigen Standardwerken.(1,2) Der folgende Text befasst sich nur mit besonders häufigen Problemen und stellt ein «Update» zu der vor etwa 10 Jahren in dieser Zeitschrift veröffentlichten Übersicht dar.(3)

Brechreiz & Erbrechen

Über schwangerschaftsbedingte Übelkeit oder Erbrechen klagen bis zu 80% der Schwangeren. In den meisten Fällen klingt die Übelkeit – vor allem der morgendliche Brechreiz – bis zur 16. Schwangerschaftswoche ab, bei einigen Frauen bleibt er jedoch während der ganzen Schwangerschaft bestehen.

Vielen Frauen ist es in Anbetracht der Perspektive, dass diese Symptome in der Regel nach 3 bis 4 Monaten aufhören, möglich, ohne Medikamente auszukommen. Diätetische Massnahmen und Anpassungen der Lebensweise können helfen, die Übelkeit zu lindern. Der Nutzen dieser Massnahmen ist allerdings kaum objektiviert. Empfohlen werden häufige kleine, fettarme und kohlenhydratreiche Mahlzeiten und die regelmässige Zufuhr von Flüssigkeit in kleinen Mengen. Das Getränk kann den individuellen Vorlieben entsprechend gewählt werden (z.B. Fruchtsaft, klare Suppen, isotonische Getränke).

Akupressur im Bereich des P6-Punktes am Handgelenk ist eine nicht-medikamentöse Therapieform, deren Wirksamkeit aber nicht überzeugend gesichert ist.(4)

Oft wird Ingwer als gutartiges Antiemetikum in der Schwangerschaft empfohlen; einige Studien zeigten eine gute Wirkung.(5) In der Schweiz ist jedoch kein «medizinisches » Ingwer-Präparat mehr erhältlich. In welchem Ausmass Ingwer in anderer Form wirksam und verträglich sein kann, ist ungenügend bekannt.

Wenn eine medikamentöse Therapie erforderlich erscheint, wird meistens eines der beiden H1-Antihistaminika Doxylamin und Meclozin empfohlen. Für diese beiden Substanzen ist eine Wirksamkeit dokumentiert und es gibt keine Anhaltspunkte für teratogene Wirkungen. Doxylamin ist in der Schweiz nicht offiziell als Antiemetikum und nur als Tropfen mit 24% Alkohol erhältlich (Sanalepsi® N; abendliche Dosis 25 Tropfen, entsprechend 1 ml mit 10 mg Doxylamin). Anderseits ist Meclozin nur in einer Kombination mit Pyridoxin und Coffein verfügbar (Itinerol® B6) . Dieses letztere Präparat kann in Form von Dragees, Kapseln oder Suppositoren mit 20 bis 50 mg Meclozin gegeben werden. Fragwürdig ist die (offiziell empfohlene) abendliche Verabreichung eines Coffein-haltigen Mittels. Ein weiteres, weniger dokumentiertes Antihistaminikum ist Dimenhydrinat (z.B. Trawell®). Pyridoxin als Monopräparat (z.B. Vitamin B6 Streuli®, 1- bis 2-mal täglich 20 bis 40 mg) ist zwar in niedriger Dosierung gut verträglich, kann jedoch ein Erbrechen nicht sicher verhüten.(4)

Etwa 1% der Schwangeren leidet an sehr starkem Erbrechen (fünfmal oder häufiger täglich), der sogenannten Hyperemesis gravidarum. Diese Frauen müssen oft wegen des bedeutenden Flüssigkeits- und Elektrolytverlustes, der Gewichtsabnahme und/oder der metabolischen Komplikationen hospitalisiert werden. Neben der intravenösen Flüssigkeitssubstitution benötigen diese Patientinnen meistens auch parenterale Antiemetika. In Frage kommen Metoclopramid (z.B. Paspertin®) und Ondansetron (Zofran®). Metoclopramid führt allerdings bei jungen Frauen nicht selten zu extrapyramidalen Bewegungsstörungen. In angelsächsischen Ländern werden auch Phenothiazinderivate wie Promethazin empfohlen; in der Schweiz ist nur noch das bezüglich Hyperemesis wenig untersuchte Chlorpromazin (Chlorazin®) erhältlich. Wenn alles nichts nützt, werden Kortikosteroide verabreicht; in der Frühschwangerschaft sind diese jedoch wegen eines erhöhten Risikos von Kiefer-Gaumenspalten kontraindiziert. Einige Autoren empfehlen, Frauen, die in früheren Schwangerschaften an Hyperemesis gravidarum gelitten haben, in einer erneuten Schwangerschaft bereits präventiv mit einem Antiemetikum zu behandeln.

Sodbrennen

Unter Sodbrennen oder gastro-ösophagealem Reflux leiden bis zu 80% der Schwangeren.(6) Dabei spielt die in der Schwangerschaft verlangsamte Magenmotilität eine wichtige Rolle. Als nicht-medikamentöse Massnahmen werden empfohlen: häufige kleine, kohlenhydratreiche Mahlzeiten; die Einnahme von Milch, Mandeln oder Kartoffelsaft; das Weglassen von Speisen oder Getränken, die das Magenbrennen auslösen; der Verzicht auf eine Mahlzeit am Abend; das Höherstellen des Kopfendes des Bettes.

Diese Beschwerden können die schwangerschaftsbedingte Übelkeit verstärken oder starke Oberbauchschmerzen auslösen, so dass eventuell eine medikamentöse Behandlung nötig wird. Einmal mehr beruhen die entsprechenden Empfehlungen auf unkontrollierten Erfahrungen und kaum auf randomisiert- kontrollierten Studien. Gemäss einer neueren Cochrane-Analyse ist deshalb keine zuverlässige Aussage zur Sicherheit und Wirksamkeit der Magen-Darmmittel in der Schwangerschaft möglich.(7) Mit Antazida oder Sucralfat (Ulcogant®) existieren zwar jahrzehntelange Erfahrungen. Auf eine längerfristige Einnahme aluminiumhaltiger Arzneimittel (z.B. Alucol®) sollte in der Schwangerschaft aber verzichtet werden, weil im Tierversuch neurotoxische Wirkungen nachgewiesen werden konnten. Statt Antazida können H2-Antihistaminika wie Ranitidin (Zantic® u.a.) oder der Protonenpumpenblocker Omeprazol (Antramups® u.a.) in Betracht gezogen werden. Auch die weiteren Protonenpumpenblocker scheinen ungefährlich zu sein, Omeprazol ist die am besten untersuchte Substanz.(8)

Obstipation

Die Verlangsamung der Darmtätigkeit ist hormonal bedingt und führt bei etwa einem Viertel der Schwangeren zu Verstopfung. Damit kann auch die Entwicklung von Hämorrhoiden begünstigt werden. Als primäre Therapie wird eine ballaststoffreiche Diät (Früchte, Gemüse, Weizenkleie), viel Flüssigkeit und Bewegung (z.B. Schwangerschaftsgymnastik) empfohlen.(9)

Als Arzneimittel gegen die Obstipation sind Flohsamenpräparate (Psyllium, z.B. Metamucil® mite) oder Sterculia-Gummi (z.B. Colosan® mite) Mittel der Wahl, auch Lactulose (Duphalac ® u.a.) oder Lactitol (Importal®) sind zu empfehlen. Dabei ist auf eine reichliche Trinkmenge zu achten. Problemlos sind wahrscheinlich auch Macrogol (z.B. Transipeg®) und Magnesiumsalze (z.B. Magnesiocard®), obwohl diese Medikamente in Bezug auf ihre abführende Wirkung in der Schwangerschaft kaum dokumentiert sind.

Hämorrhoiden

Es handelt sich dabei um juckende und stechend schmerzende Krampfadern in der Aftergegend, die manchmal stark hervortreten oder bluten. Weil sich die Symptome bei hartnäckiger Verstopfung verschlimmern, sollte eine Obstipation vermieden werden. Schwangere Frauen sollten vermeiden, den Druck im Beckenbodenbereich durch schweres Heben oder Pressen zu verstärken. Als nicht-medikamentöse Massnahmen werden Sitzbäder mit lauwarmem Kamillentee oder Lavendelöl empfohlen. Die Datenlage zur medikamentösen Behandlung ist knapp. Orales Oxerutin (Hydroxyethylrutosid, z.B. Venoruton®) scheint die Symptome wirksam zu lindern. Dies gilt wahrscheinlich auch für Diosmin (Daflon®), ein anderes Flavonoid. Obwohl Rutoside zur Therapie von Hämorrhoiden ab dem 4. Schwangerschaftsmonat zugelassen sind, empfehlen die Autoren der entsprechenden Cochrane-Review, weitere Studien zur Verträglichkeit abzuwarten.(10)

Auch zu den üblichen lokalen Hämorrhoidenmittel konnten keine guten Studien gefunden werden. Da diese Arzneimittel kaum systemisch resorbiert und seit Jahrzehnten in der Schwangerschaft eingesetzt werden, stuft man sie heute als unbedenklich ein (z.B. Sulgan®, Procto-Glyvenol®). Auf Phenolderivate (z.B. Policresulen, in Factu®) sollte während der ganzen Schwangerschaft besser verzichtet werden. In besonders hartnäckigen Fällen kann vom zweiten Trimenon an eine kurzfristige lokale Applikation eines Kortikosteroidhaltigen Präparates in Betracht gezogen werden.(11)

Varizen

Weil sich die Venen durch die Hormonumstellung erweitern und die Gebärmutter auf die Beckenvenen drückt, ist die venöse Blutzirkulation beeinträchtigt. Bei Frauen mit Bindegewebsschwäche und/oder erblicher Vorbelastung können sich Krampfadern ausbilden, die ein Risiko für Thrombosen oder Phlebitiden darstellen. Kompressionsstrümpfe vermögen zwar die Ausbildung von Varizen nicht zu verhindern, reduzieren aber die Beinschmerzen und verbessern den venösen Rückfluss.(12) Als medikamentöse Lokaltherapie werden manchmal Heparin-, Heparinoid- oder Rutosidhaltige Präparate verwendet; eine adäquate Dokumentation dieser Mittel in der Schwangerschaft fehlt jedoch. Mindestens im ersten Trimenon ist von der Verabreichung systemisch wirkender Medikamente (z.B. Rutoside) abzuraten.

Schlafstörungen

Schlafstörungen treten vor allem mit fortgeschrittener Schwangerschaft relativ häufig auf. Der Babybauch lässt im Bett nur noch Seitenlage zu. Der Schlaf ist aber auch durch die Notwendigkeit nächtlicher Miktionen gestört; oft kommen Lumbalgien oder Wadenkrämpfe hinzu. Das Schwergewicht der Behandlung liegt im nicht-medikamentösen Bereich. Gute Schlafhygiene und Entspannungstechniken, allenfalls auch eine begleitende Aromatherapie mit ätherischen Ölen sollten gepflegt werden.

Schlafmittel sollten nach Möglichkeit vermieden werden. Zu Phytotherapeutika wie Hopfen, Orangenblüten, Melisse oder Baldrian liegen keine systematischen Untersuchungen zur Anwendung in der Schwangerschaft vor. Anhaltspunkte, dass sie in der Schwangerschaft Probleme verursachen würden, sind aber nicht vorhanden. Andere Schlafmittel sind im ersten Schwangerschafts-Trimenon kontraindiziert.

Obwohl Benzodiazepine seit über 40 Jahren auf dem Markt sind, bleiben die Informationen bezüglich Anwendung in der Schwangerschaft widersprüchlich. Gemäss einer Metaanalyse ist auf Grund von Fall-Kontrollstudien anzunehmen, bei Einsatz von Benzodiazepinen im ersten Trimenon bestehe ein signifikant höheres Risiko von kongenitalen Fehlbildungen wie z.B. Lippen-Kiefer-Gaumenspalten, Herzfehler oder Funktionsstörungen des Zentralnervensystems.(13) Die gepoolten Daten von Kohortenstudien lassen jedoch keinen Zusammenhang zwischen einer Benzodiazepineinnahme und einem erhöhten Risiko von bedeutsamen Fehlbildungen erkennen.(13) Das Risiko einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte wird bei der Durchschnittsbevölkerung auf 1/1000 geschätzt, unter Benzodiazepinen soll die Inzidenz doppelt so hoch sein.(14) Zusammenfassend lässt sich sagen, dass zu wenig Evidenz vorhanden ist, um Benzodiazepine als eindeutige Teratogene zu bezeichnen. Auf Grund der aktuellen Datenlage sollten Benzodiazepine jedoch – wie bereits erwähnt – in der Frühschwangerschaft wenn immer möglich vermieden werden.

In der späteren Schwangerschaft kann allenfalls einmal das H1- Antihistaminikum Doxylamin – das allerdings nur als alkoholische Lösung (Sanalepsi®) verfügbar ist – eingesetzt werden. Benzodiazepine sollten auch später nur mit grosser Zurückhaltung, in der kleinstmöglichen Dosis und für eine möglichst kurze Zeit, verschrieben werden. Die Verabreichung von Benzodiazepinen im dritten Schwangerschaftsdrittel kann zum «Floppy Infant Syndrome» und Entzugserscheinungen beim Neugeborenen führen. Eine entsprechende Vororientierung des betreuenden kinderärztlichen Teams ist angezeigt. Atemstörungen, Sedation, Muskelrelaxation, Hypotonie, Trinkschwäche oder Temperaturregulationsstörungen sind mögliche Symptome, die selbstlimitierend sind.

Schmerzen

Viele Schwangere klagen über Rückenschmerzen. Einerseits sind Bänder und Gelenke durch die hormonellen Veränderungen gelockert, wodurch der Körper den Belastungen nicht gut entgegenwirken kann. Andererseits führt der wachsende Bauch zu Haltungsveränderungen. Die Dokumentation nicht-medikamentöser Massnahmen ist relativ bescheiden. Wirksam sind Übungen zur Muskelkräftigung, Beckenkippung im Sitzen, Wassergymnastik und Schwangerschaftskissen (zur Stützung des Bauches beim Schlafen).(15)

Paracetamol (z.B. Dafalgan®) kann als Mittel der ersten Wahl zur Behandlung (auch anderer) Schmerzen in der Schwangerschaft gelten. Als Mittel der zweiten Wahl kommt für einen kurzzeitigen Einsatz bis zum Ende des 2. Trimenons ein nichtsteroidales Antirheumatikum wie z.B. Ibuprofen (z.B. Brufen®) in Frage. Grundsätzlich sind nicht-steroidale Antirheumatika und Acetylsalicylsäure gegen Ende der Schwangerschaft zu vermeiden, weil unerwünschte Probleme wie z.B. Plättchenhemmung, Geburtsverzögerung, vorzeitiger Verschluss des Ductus arteriosus möglich sind.(16)

Juckreiz

Als Ursachen eines (gutartigen) Schwangerschafts-Juckreizes kommen die hormonellen Veränderungen und die Überdehnung der Haut in Frage. In diesen Fällen sollte mit lokalen Mitteln behandelt werden. Geeignet sind fettende Pflegemittel wie z.B. Excipial®U Lipolotio oder Cremol-Ritter® Lotion. Antihistaminhaltige Dermatologika wie z.B. Fenistil® Gel sollten nur kurzfristig auf kleinen Hautbezirken angewandt werden. Ebenfalls nur vorübergehend können Antihistaminika auch systemisch verabreicht werden.

Generalisierter Juckreiz im letzten Drittel der Schwangerschaft kann mit einer intrahepatischen Cholestase in Zusammenhang stehen. Die Erkrankung wird mit einer vererbten Überempfindlichkeit auf Östrogene erklärt. Die Schwangerschafts-Cholestase ist mit vorzeitigen Wehen, Gerinnungsstörungen, dem Risiko des intrauterinen Fruchttodes sowie mit starken Blutungen unter der Geburt und erhöhter kindlicher Mortalität assoziiert und erfordert eine engmaschige SchwangerschaftsÜberwachung. Ursodeoxycholsäure (De-Ursil®) gilt heute als Mittel der Wahl für die Behandlung der Schwangerschafts- Cholestase.(17)

Urogenitale Probleme

Harnwegsinfekte und Veränderungen des vaginalen Sekretes sind in der Schwangerschaft häufig. Die folgenden Hinweise beschränken sich auf Probleme, die nicht auf einer sexuell übertragenen Infektion wie z.B. Trichomonaden, Chlamydien, Gonorrhoe beruhen. Diese letzteren sollen in einem künftigen Text separat besprochen werden. Vaginale Symptome erfordern jedoch immer eine genaue Diagnostik (Nativpräparat, KOH-Präparat, Kolposkopie), damit die verschiedenen Probleme gezielt angegangen werden können. Evidenz-basierte Grundlagen zur Diagnostik und Behandlung in der hausärztlichen Praxis finden sich im Internet.(18)

Harnwegsinfektionen

Harnwegsinfektionen sind die häufigsten bakteriellen Infektionen bei schwangeren Frauen. Weil diese für Mutter und Kind eine Gefahr darstellen (z.B. Schwangerschafts-Pyelonephritis, erhöhtes Abortrisiko, vorzeitige Wehen, perinatale Todesfälle), sollte aktiv nach Keimen im Urin gesucht werden. Empfohlen 28 pharma-kritik, Jahrgang 31, Nr.7/2009 wird, den Urin regelmässig mit Teststreifen zu untersuchen. In einzelnen Leitlinien wird ausserdem geraten, mindestens einmal eine Urinkultur (zwischen der 12. und der 16. Schwangerschaftswoche) anzulegen.(19) Eine asymptomatische Bakteriurie sollte ab einer Keimzahl von 105/ml (Mittelstrahl-Urin) behandelt werden.

Das Antibiotikum wird am besten auf Grund einer Urinkultur und einer Resistenzprüfung gewählt. Betalaktame wie Amoxicillin (Clamoxyl® u.a.) oder Cefuroxim (Zinat® u.a.) gelten als ungefährlich. Diese müssen mindestens 5 bis 7 Tage verabreicht werden. Nitrofurantoin (Furadantin® u.a.) ist eine gut verträgliche Alternative. Es ist aber zu bedenken, dass Nitrofurantoin bei Personen mit einem Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenasemangel zu einem hämolytischen Ikterus führen kann. Nicht ganz unproblematisch ist auch Cotrimoxazol (Bactrim® u.a., vom zweiten Trimenon an). Mit Rücksicht auf den fötalen Folsäuremetabolismus sollten Schwangere bei einer Cotrimoxazol- Behandlung täglich 5 mg Folsäure erhalten. Wegen der Verdrängung von Bilirubin aus der Plasmaeiweissbindung sollte ferner das Sulfonamid-haltige Mittel in den letzten Tagen vor der Geburt nicht eingesetzt werden, um einen verstärkten Neugeborenenikterus zu vermeiden. Chinolone und Tetrazykline sind in der Schwangerschaft kontraindiziert.

Vulvovaginaler Soor

Vulvovaginale Candida-Infekte können zu Juckreiz und Brennen führen. Es gibt jedoch keine Anhaltspunkte, dass sie sich nachteilig auf das Kind auswirken würden. Empfohlen wird eine lokale Therapie mit einem Imidazol- Antimykotikum (z.B. Clotrimazol, Gyno-Canesten®-Vaginaltabletten u.a.).(20) Vom zweiten Trimenon an wird auch eine orale Fluconazol-Einmaldosis (150 mg, Diflucan® u.a.) als problemlos angesehen.

Bakterielle Vaginose

Die bakterielle Vaginose ist gekennzeichnet durch die Überwucherung der normalen vaginalen Flora durch Gardnerella vaginalis und Anaerobier. Dieser Zustand stellt einen Risikofaktor für verschiedene geburtshilfliche Probleme (vorzeitige Wehen, vorzeitiger Blasensprung, Infekte) dar. Symptomatische Schwangere, bei denen kein erhöhtes geburtshilfliches Risiko besteht, können vaginal mit Clindamycin (Dalacin® V 2%, etwa 5 g Salbe an drei aufeinanderfolgenden Tagen) behandelt werden. Bei asymptomatischen Frauen, die aber ein erhöhtes Risiko einer Frühgeburt aufweisen, wird der Nutzen eines Screenings und einer Behandlung kontrovers beurteilt. Entscheidet man sich für eine Therapie, so soll diese oral erfolgen. Dafür eignet sich Metronidazol (Flagyl®, z.B. zweimal 2 g im Abstand von 48 Stunden). Obwohl eine teratogene Wirkung nicht klar nachgewiesen ist, soll jedoch Metronidazol im ersten Trimenon nicht zur Anwendung gelangen.(21)

Beratung

Da viele Schwangerschaften ungeplant entstehen, sollte bei Frauen im reproduktionsfähigen Alter immer an die Möglichkeit einer Schwangerschaft gedacht und Medikamente entsprechend vorsichtig verschrieben werden. Bei Dauertherapien (z.B. wegen einer Epilepsie) sollte das Thema Schwangerschaft mit der Patientin besprochen und die Pharmakotherapie allenfalls optimiert werden. Alle jungen Frauen sollten sich nicht nur der medikamentösen Risiken, sondern auch anderer vermeidbarer Faktoren, die das Ungeborene gefährden könnten, bewusst sein. Eine Rötelninfektion oder Alkoholmissbrauch während der Schwangerschaft und eine ungenügende Folsäurezufuhr präkonzeptionell sind Beispiele von potentiell teratogenen Einwirkungen.

Standpunkte und Meinungen

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Therapie häufiger Probleme in der Schwangerschaft (2. Dezember 2009)
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pharma-kritik, 31/No. 7
PK691
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