Buprenorphin-Hautpflaster kritisch beurteilt

Der amerikanische «Medical Letter» berichtet im April 2011 über ein Buprenorphin-Hautpflaster, das neu in den USA zugelassen worden ist.(1) Im Gegensatz zu den in Europa erhältlichen Pflastern (Transtec®), die für eine Applikationsdauer von vier Tagen konzipiert sind, werden in den USA Pflaster (Butrans®) angeboten, die während sieben Tagen auf der Haut belassen werden. Von Butrans® sind drei Dosisstärken erhältlich, die 5, 10 bzw. 20 mcg Buprenorphin pro Stunde freisetzen; das Präparat ist dazu bestimmt, mittelschwere bis schwere Schmerzen während längerer Zeit zu behandeln. Die mit diesen Präparaten erreichten Plasmaspiegel sollen zwischen 176 und 471 pg/ml betragen.(2) (Transtec® weist dagegen eine wesentlich höhere Dosierung auf – 35 oder 52,5 oder 70 mcg/h – und erreicht schon mit der niedrigsten Dosierung maximale Plasmaspiegel von 320 pg/ml.)

Die Zulassung des Hautpflasters in den USA beruht auf vier bisher nicht publizierten Studien, von denen aber zwei keine Wirksamkeit des Pflasters nachweisen konnten. Die beiden anderen Studien wurden bei Personen mit chronischen Rückenschmerzen durchgeführt: In der einen Studie wurden 1024 Personen zunächst offen mit dem Buprenorphin-Pflaster behandelt, die Dosis bis zu einem Maximum von 20 mcg/h austitriert und diejenigen mit einer befriedigenden Analgesie (n=539) nach spätestens 4 Wochen in einen Doppelblindvergleich zwischen der individuell wirksamen Buprenorphin-Dosis und Placebo aufgenommen. Am Studienende (nach weiteren 12 Wochen) ergab sich eine überlegene schmerzlindernde Wirkung von Butrans® gegenüber Placebo. In der anderen, ähnlich grossen Studie konnte eine bessere Wirkung des Pflasters mit 20 mcg/h gegenüber dem Pflaster mit 5 mcg/h gezeigt werden. Einige andere, allerdings wesentlich kleinere Studien bei Personen mit Rückenschmerzen oder Arthrose ergaben ebenfalls eine Wirksamkeit des neuen Pflasters.

In der Butrans®-Packungsbeilage wird ausdrücklich davon abgeraten, eine Dosis über 20 mcg/h zu verwenden, da höhere Dosen (gemäss einer Studie bei Gesunden) mit dem Risiko einer QT-Verlängerung verbunden sind.2 Im «Medical Letter» wird zudem hervorgehoben, dass das Präparat eine ungenügende Dosierungsflexibilität und schlechte Verträglichkeit aufweise. Dass es schwierig sein kann, bei einer Überdosis die atemdepressorische Wirkung zu antagonisieren, gilt als weiterer Nachteil.(1)

Kommentar

Die erstaunlichen Unterschiede in der Beurteilung des «alten», höher dosierten Hautpflasters (in Europa) und des «neuen», relativ niedrig dosierten Pflasters (in den USA) lassen mich perplex. Wenn z.B. tatsächlich unter höheren Dosen ein relevantes Risiko von kardialen Arrhythmien existiert, so müsste doch besonders beim höher dosierten Pflaster (in Europa)  auf dieses Problem hingewiesen werden (was nicht der Fall ist). Überraschend fand ich auch die Tatsache, dass das neue Pflaster in den beiden grösseren Studien nur bei rund der Hälfte der Behandelten wirksam und verträglich war.(2) Ein Blick auf die neuere Literatur belehrt mich, dass verschiedene Autorinnen und Autoren zum Schluss gekommen sind, der Stellenwert von Buprenorphin-Hautpflastern als Schmerzmittel sei noch ungenügend dokumentiert.(3,4) So ist es wohl gerechtfertigt, mit dem «Medical Letter» übereinstimmend festzuhalten, dass es bessere Schmerzmittel als Buprenorphin-Hautpflaster gibt.

Standpunkte und Meinungen

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Buprenorphin-Hautpflaster kritisch beurteilt (18. April 2011)
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pharma-kritik, 32/No. 14
PK812
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