COX-2-Hemmer: die besseren Antirheumatika?

ceterum censeo

In den wenigen Jahren, seit Celecoxib (Celebrex®) und Rofecoxib (Vioxx®) erhältlich sind, haben sich diese zwei Entzündungshemmer ausserordentlich gut durchgesetzt. Im Jahr 2003 gehörte Vioxx® in der Schweiz sogar zu den 10 Präparaten mit dem höchsten Umsatz. Die Frage, ob die selektiven COX-2-Hemmer tatsächlich so viel besser sind als ältere, nicht-selektive Prostaglandinsynthesehemmer, muss deshalb nochmals neu aufgeworfen werden.

Wenn man diese Frage beantworten will, sieht man sich zuerst danach um, ob seit den grossen Studien («CLASS» mit Celecoxib und «VIGOR» mit Rofecoxib) wichtige neue Erkenntnisse hinzu gekommen sind. Wir haben im Sommer 2002 über diese beiden Studien berichtet und kamen damals zum Schluss, wirklich überzeugende Argumente zu Gunsten der neuen Entzündungshemmer seien nicht vorhanden.(1)

Um es vorwegzunehmen: ähnlich wichtige Studien wie «CLASS» und «VIGOR» sind seither nicht publiziert worden. (Diese beiden Studien zeichneten sich einerseits durch die grosse Zahl der Teinehmenden, anderseits durch die lange Dauer von 6 bis 12 Monaten aus.) Es liegen jedoch Resultatevon weiteren Studien vor, in denen verschiedene praktisch relevante Fragen untersucht wurden.

Zur Frage, ob Celecoxib oder Rofecoxib wirksamer sei, sind nach wie vor relativ wenige (und meistens kleine) Studien vorhanden.(2-4) Eine klare Antwort kann auch heute noch nicht gegeben werden.

Etwas deutlicher lassen sich die Auswirkungen der beiden COX-2-Hemmer auf Blutdruck und Ödeme differenzieren: In einer Doppelblindstudie erhielten knapp 1100 ältere Patientinnen und Patienten, die mit Antihypertensiva behandelt wurden, entweder Celecoxib (200 mg/Tag) oder Rofecoxib (25 mg/Tag). Innerhalb von 6 Wochen kam es unter Rofecoxib bei signifikant mehr Behandelten zu einem deutlichen Blutdruckanstieg und zu Ödemen. Der Blutdruckanstieg wurde insbesondere bei Personen beobachtet, die mit ACE-Hemmern oder Betablockern behandelt waren.(5)

Dass Rofecoxib anderseits weniger Magen-Darm-Probleme verursacht als Naproxen, konnte nochmals in der ADVANTAGE- Studie, die rund 5500 Personen mit Arthrose umfasste, gezeigt werden. Im Zeitraum von 3 Monaten musste Rofecoxib bei 6%, Naproxen aber bei 8% der Behandelten wegen gastrointestinalen Beschwerden abgesetzt werden. Die «Number Needed to Treat», um zu verhindern, dass bei einer Person das Antirheumatikum abgesetzt werden musste, beträgt 46.(6)

Wie riskant ist Celecoxib im Vergleich mit Diclofenac (Voltaren® u.a.) plus Omeprazol (Antramups® u.a.)? Mit dieser Frage befasste man sich in einer randomisierten Studie bei Helicobacter-negativen Personen, die unter einem nicht-steroidalen Entzündungshemmer eine Ulkusblutung gehabt hatten. Nachdem das Ulkus abgeheilt war, erhielten sie während 6 Monaten nach dem Zufall eine der beiden therapeutischen Optionen. In beiden Behandlungsgruppen kam es ähnlich häufig zu einer erneuten Ulkusblutung – bei 7 von 144 mit Celecoxib und bei 9 mit Diclofenac und Omeprazol Behandelten ereigneten sich Rezidivblutungen. Das zeigt, dass die beiden Behandlungsformen bei Personen mit einer Ulkusanamnese ungefähr gleichwertig, jedoch keineswegs harmlos sind. (Die Kombination mit dem Protonenpumpenhemmer ist allerdings selbst bei Verwendung von Generika deutlich teurer.) In der gleichen Studie fand sich aber noch ein anderes wichtiges Resultat: in der Celecoxib- Gruppe hatten 24%, in der Diclofenac/Omeprazol- Gruppe gar 31% bedeutsame renale Nebenwirkungen (Blutdruckanstieg, Ödeme, Niereninsuffizienz). Risikokranke sind also sowohl unter konventionellen Antirheumatika als auch unter COX-2-Hemmern erheblichen Gefahren ausgesetzt. (7)

Celecoxib ist gemäss einer Metaanalyse, die 15'187 Behandelte mit Arthritis oder Arthrose umfasst, ähnlich wirksam wie die älteren Entzündungshemmer, mit denen es verglichen wurde (Diclofenac, Ibuprofen [Brufen® u.a.], Naproxen [Proxen® u.a.]). Celecoxib führt jedoch zu weniger gastrointestinalen Nebenwirkungen. Die «Number Needed to Treat» ist allerdings sehr gross: Um bei einer Person eine gefährliche Magen-Darm-Komplikation (Ulkus, Perforation, Blutung, Obstruktion) zu verhindern, müssen 208 Personen statt mit einem konventionellen Antirheumatikum mit Celecoxib behandelt werden.(8)

Wie steht es mit den Interaktionen? Während Rofecoxib die Zytochrom-Isoenzyme nicht beeinflusst, hemmt Celecoxib CYP2D6. Daraus können sich klinisch bedeutsame Interaktionen ergeben, z.B. mit dem Betablocker Metoprolol (Beloc® u.a.).(9) Die orale Antikoagulation wird jedoch sowohl von Celecoxib als auch von Rofecoxib beeinflusst: die INRWerte steigen um 5 bis 10%, vereinzelt noch mehr, an.(10)

Nun ist mit Valdecoxib (Bextra®) noch ein dritter COX-2- Hemmer hinzugekommen. Es ist anzunehmen, dass sich dieser in Bezug auf Magen-Darm, Niere und Herz/Kreislauf ähnlich verhält wie Celecoxib und Rofecoxib. Das neue Mittel birgt aber eine zusätzliche Gefahr, nämlich allergische Hautreaktionen, die lebensbedrohlich sein können. Obwohl es sich um ein ausgesprochen seltenes Problem handelt, startet Valdecoxib deshalb mit einem schweren Handicap.

So wissen wir heute nicht entscheidend viel mehr als vor anderthalb Jahren. Noch ist nicht überzeugend dargelegt, dass die Gesamtbilanz für die selektiven COX-2-Hemmer positiv ausfällt. Sie sollten daher mit der grössten Zurückhaltung eingesetzt werden. Dies gilt nach wie vor auch besonders bei Kranken, die eine Ulkusanamnese aufweisen.

Etzel Gysling

Standpunkte und Meinungen

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COX-2-Hemmer: die besseren Antirheumatika? (18. Februar 2004)
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pharma-kritik, 26/No. 1
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