Therapietreue bleiben gesünder — auch unter Placebo
- Zusammenfassung: Marcel Zwahlen
- Kommentar: Peter Jüni
- infomed screen Jahrgang 10 (2006)
, Nummer 9
Publikationsdatum: 1. September 2006 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
Ziel der vorliegenden Studie war es, den Zusammenhang zwischen der Therapietreue bei einer medikamentösen Behandlung und der Sterblichkeit im Laufe der Behandlung zu untersuchen. Besonders interessierte, ob auch bei Placebobehandlungen ein solcher Zusammenhang zu finden sei.
Methoden
In der Meta-Analyse wurden Medikamenten-Studien berücksichtigt, in denen die Mortalität von Teilnehmenden mit guter bzw. schlechter Therapietreue verglichen wurde. Die Studienresultate mussten unter anderem Daten zur Mortalität und zur Therapietreue enthalten. Es musste auch beschrieben sein, mit welchen Methoden die Therapietreue erfasst worden war. In placebokontrollierten Studien wurde der Zusammenhang zwischen Therapietreue und Mortalität für aktive Therapie und Placebo getrennt ausgewertet.
Ergebnisse
21 Studien mit 46'847 Teilnehmenden konnten ausgewertet werden; in 8 randomisierten Studien erhielten insgesamt 19'633 Personen Placebo. Von 31'439 Personen mit guter Therapietreue starben 1'462 (4,7%), von 15'408 Personen mit schlechter Therapietreue deren 1'317 (8,5%). Verglichen mit schlechter Therapietreue wiesen Personen mit guter Therapietreue eine deutlich geringere Mortalität auf («Odds Ratio» 0,56, 95%-CI 0,50 – 0,63). Die Reduktion bei guter Therapietreue war sowohl unter Placebo-Behandlung (OR 0,56, 95%-CI 0,43 – 0,74) als auch bei Behandlung mit einem wirksamen Medikament festzustellen (OR 0,55, 95%-CI 0,49 – 0,62). Gute Therapietreue bei Behandlung mit einem schädlichen Medikament war hingegen mit einer erhöhten Mortalität assoziiert (OR 2,90, 95%-CI 1,04 – 8,11).
Schlussfolgerungen
Gute Therapietreue war insgesamt mit einer reduzierten Mortalität assoziiert. Insbesondere die besseren Resultate für therapietreue Personen unter Placebobehandlung weisen darauf hin, dass diese Personen unabhängig von der untersuchten Behandlung ein kleineres Sterberisiko aufweisen als weniger therapietreue. Therapietreue kann demnach auch als Marker für insgesamt gesündere Verhaltensweisen und den Gesamtgesundheitszustand verstanden werden.
Zusammengefasst von Marcel Zwahlen
«Stehen Sie einmal fünf Minuten neben den Eingang des Reformhauses hinten beim Loeb-Egge in Bern», bitte ich unsere Medizinstudierenden mindestens einmal im Jahr, bei der Diskussion systematischer Verzerrungen in klinischen Studien. «Die Leute, welche dort Vitaminpräparate und Trockenfrüchte kaufen, haben typischerweise einen Universitätsabschluss und ein hohes Einkommen. Sie rauchen nicht, trinken Alkohol nur in moderaten Mengen und nehmen die ärztlich verschriebenen Medikamente mit hoher Therapietreue ein.» Die vorliegende Meta-Analyse gibt meinem zugegebenermassen polemisch gefärbten Bild recht. Gute Therapietreue scheint – im Rahmen eines hohen sozioökonomischen Status und einer guten Ausbildung – assoziiert zu sein mit einer gesünderen Verhaltensweise und einer insgesamt verbesserten Prognose. Klinische Studien, welche nicht dem «intention-to-treat»- Prinzip folgen und Personen mit schlechter Therapietreue von der Analyse ausschliessen, sind deswegen häufig systematisch verzerrt und nicht interpretierbar.
Peter Jüni
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