Schlafmittel bei älteren Leuten
- Zusammenfassung:
- Kommentar: Albert Wettstein
- infomed screen Jahrgang 10 (2006)
, Nummer 3
Publikationsdatum: 1. März 2006 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
Schlafstörungen mindern bei älteren Leuten häufig die Lebensqualität. In den USA und in Grossbritannien erhalten zwischen 5% und 33% der älteren Leute Schlafmittel. Bekannte Nebenwirkungen sind u.a. Stürze, Ataxie und Amnesien. Trotz des häufigen Einsatzes dieser Medikamente ist das Nutzen/Risiko-Profil von Schlafmitteln wenig beschrieben.
Methoden
Für die systematische Übersicht wurden mehrere Datenbanken nach randomisierten Studien zum Gebrauch von Schlafmitteln bei Personen über 60 Jahren durchsucht. Die Studien enthielten keine Personen, die wegen psychiatrischen oder somatischen Erkrankungen an einer Schlafstörung litten.
Ergebnisse
24 Studien mit 2'417 Untersuchten lieferten verwertbare Daten zur Wirksamkeit und/oder zu unerwünschten Wirkungen von Schlafmitten. In den meisten Studien wurden Benzodiazepine untersucht, daneben in mehreren Studien die neueren Benzodiazepin-Rezeptoragonisten Zolpidem (Stilnox® u.a.), Zaleplon (Sonata®) und Zopliclon (Imovane®). In 8 placebokontrollierten Studien zeigte sich zusammengefasst eine statistisch signifikante Verbesserung der subjektiven Schlafqualität. Die errechnete Effektgrösse von 0,14 entsprach einem minimen Unterschied von 0,1 Punkten auf einer Skala von 1 bis 7. Für 7 Studien mit Benzodiazepinen war der Effekt ebenfalls statistisch signifikant. In drei Studien fand sich kein signifikanter Unterschied zwischen Benzodiazepinen und Benzodiazepin-Rezeptoragonisten. Gegenüber Placebo war die Schlafdauer um 25 Minuten (alle Schlafmittel) respektive 34 Minuten (nur Benzodiazepine) länger. Nebenwirkungen waren deutlich häufiger als unter Placebo (1 zusätzliches Ereignis auf 6 Behandlungen). Kognitive und psychomotorische Beeinträchtigungen waren signifikant häufiger, ein Unterschied zwischen den verschiedenen Schlafmitteln konnte nicht dokumentiert werden. Insgesamt 7 schwere psychomotorische Ereignisse wurden in den Studien registriert: 6 Stürze, welche zu 3 Frakturen führten, und ein Autounfall.
Schlussfolgerungen
Die Gabe von Schlafmitteln verbesserte die subjektive Schlafqualität, die Schlafdauer und den Durchschlaf signifikant. Es handelte sich aber um eine geringfügige, kaum bedeutsame Wirkung. Das Verhältnis von Nutzen und Risiken ist bei älteren Leuten ungünstig, insbesondere wenn zusätzliche Risikofaktoren für kognitive oder psychomotorische Probleme vorliegen.
Zusammengefasst von Franz Marty
Die Studie bestätigt, was kluge Ärztinnen und Ärzte schon lange wissen: Schlafstörungen bei sonst gesunden Betagten sind eine Indikation für Verhaltenstherapie resp. Schlafhygieneempfehlungen, aber nicht für das Verordnen von Schlafmitteln. Denn deren Wirkung ist gering (13 bis 38 Min. längerer Schlaf, nur 0,6mal weniger Aufwachen in der Nacht), die Nebenwirkungen aber häufig («number needed to harm» = 6). Wichtig ist auch, dass die viel gelobten neuen Benzodiazepin- Rezeptoragonisten nicht besser sind als Benzodiazepine und auch nicht weniger Nebenwirkungen verursachen. D.h. eine gute Ärztin/ein guter Arzt verordnet keine Sedativa-Schlafmittel, schon gar nicht bei älteren Menschen. Diese sind ja leider mehr Suchtmittel als Heilmittel und höchstens mit «harm»-Reduktion zu begründen (wie Methadon!).
Albert Wettstein
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