Frühe antiretrovirale Therapie verhindert HIV-Übertragung

  • k -- Cohen MS, Chen YQ, McCauley M et al. Prevention of HIV-1 infection with early antiretroviral therapy. N Engl J Med 2011 (11. August); 365: 493-505 [Link]
  • Zusammenfassung: Adrian Rohrbasser
  • Kommentar: Markus Flepp
  • infomed screen Jahrgang 15 (2011) , Nummer 6
    Publikationsdatum: 1. Dezember 2011
  • PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)

Studienziele

Die antiretrovirale Therapie verbessert die Überlebensrate von HIV-Infizierten und vermindert die Konzentration von HIV im Blut und im Urogenitaltrakt, welche für die sexuelle Übertragung der Erkrankung ausschlaggebend ist. Anhand dieser Studie sollte geprüft werden, ob eine frühe Behandlung der HIV-Infizierten die Ansteckungsrate in von Partnerschaften vermindert.

Methoden

In verschiedenen Ländern auf drei Kontinenten wurden 1'763 Paare rekrutiert, von denen jeweils eine Person HIV-negativ und die andere infiziert und unbehandelt am Anfang ihrer HIV-Erkrankung stand (CD4-Zellzahl von 350 bis 550). Die Paare wurden nach dem Zufall einer von zwei Gruppen zugeteilt: Die HIV-infizierte Person wurde entweder von Anfang an oder erst im Verlauf, beim Erreichen einer CD4-Zellzahl von unter 250, mit antiretroviralen Medikamenten behandelt. Der primäre Endpunkt war das Auftreten von HIV-Neuinfektionen bei den anfangs gesunden Partnerinnen und Partnern während einer Beobachtungszeit von durchschnittlich 1,7 Jahren. In der Gruppe mit frühem Therapiebeginn konnten 1'585, in derjenigen mit verzögertem Therapiebeginn 1'567 Personenjahre ausgewertet werden. Die meisten Paare waren heterosexuell, die Eigenschaften der beiden Gruppen unterschieden sich insgesamt kaum. Alle Teilnehmenden wurden beraten, wie mit Hilfe von Kondomen das Risiko einer Ansteckung reduziert und sexuell übertragbare Erkrankungen verhütet werden können.

Ergebnisse

In der Gruppe mit frühem Therapiebeginn erkrankten vier und in derjenigen mit spätem 35 der ursprünglich gesunden Partnerinnen oder Partner. Beim grössten Teil der Neuerkrankungen konnte eine genetische Verbindung zwischen den Viren der bereits kranken und der neu infizierten Person nachgewiesen werden. In der Gruppe mit frühem Therapiebeginn trat die einzige Neuerkrankung mit nachgewiesener genetischer Verbindung während der ersten drei Monate auf, bei einer gesamten Rate von 0,3 Neuinfektionen pro 100 Personenjahre (95% CI 0,1-0,6). In der Gruppe mit verzögertem Therapiebeginn war die HIV-Ansteckungsrate innerhalb der Paare in der Zeit bis zu drei Jahren konstant mit 2,2 pro 100 Personenjahre (95% CI 1,6 - 3,1). Alle Fälle mit genetisch nachgewiesener Verbindung traten in dieser Gruppe vor der retroviralen Behandlung des infizierten Partners bzw. der infizierten Partnerin auf.

Schlussfolgerungen

Ein früher Beginn der antiretroviralen Therapie bei HIV-Infizierten vermindert die Ansteckungsrate innerhalb von Paaren.

Zusammengefasst von Adrian Rohrbasser

Im Januar 2008 publizierten Schweizer HIV-Experten, basierend auf pathogenetischen Überlegungen und Beobachtungsstudien, dass Menschen mit einer HIV-Infektion das Virus beim Sex nicht übertragen, sofern sie die antiretrovirale Therapie zuverlässig einnähmen, die Viruskonzentration im Blut für mindestens sechs Monate unterhalb der Nachweisgrenze liege und keine anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen vorlägen.
Die Ergebnisse der prospektiv randomisierten Studie von Cohen et al. bestätigen das umstrittene «Swiss Statement»1. Die Resultate zeigen eine 96%-ige Reduktion des HIV-Übertragungsrisikos auf den HIV-negativen Partner/die HIV-negative Partnerin durch die antiretrovirale Therapie. Die einzige HIV-Übertragung in der Behandlungsgruppe wurde drei Monate nach Behand­lungsbeginn dokumentiert. Dies bedeutet, dass die Übertragung entweder kurz vor oder nach dem Beginn der Behandlung geschah – jedenfalls bevor die Viruskonzentration in den Genitalsekreten wesentlich abgesunken wäre.

Der Übertragungsschutz der antiretroviralen Therapie ist jedoch – per se – keine Behandlungsindikation. Die Indikationen basieren nach wie vor auf Kriterien, bei deren Vorliegen das Individuum (und nicht nur der Partner/die Partnerin) von einer Behandlung profitiert.

Markus Flepp

1    Vernazza P, Hirschel B, Bernasconi E et al. HIV-infizierte Menschen ohne andere STD sind unter wirksamer antiretroviraler Therapie sexuell nicht infektiös. Schweizerische Ärztezeitung 2008 (Januar); 89: 165-9

Standpunkte und Meinungen
  • Es gibt zu diesem Artikel keine Leserkommentare.
infomed-screen 15 -- No. 6
Copyright © 2024 Infomed-Verlags-AG
Frühe antiretrovirale Therapie verhindert HIV-Übertragung ( 2011)