Nierennervenablation bei therapie­restistenter Hypertonie

  • r -- Bhatt DL, Kandzari DE, O’Neill WW et al. A controlled trial of renal denervation for resistant hypertension - «SIMPLICITY HTN-3 STUDY». N Engl J Med 2014 (10. April); 370: 1393-401 [Link]
  • Zusammenfassung:
  • Kommentar: Paul Erne
  • infomed screen Jahrgang 18 (2014) , Nummer 4
    Publikationsdatum: 12. August 2014
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Studienziele

Rund 10 % der Personen mit einer arteriellen Hypertonie leiden an einer sogenannten therapieresistenten Hypertonie. Diese ist als systolischer Blutdruck über 140 mm Hg trotz optimaler medikamentöser Therapie mit mindestens drei antihypertensiven Medikamenten verschiedener Klassen – darunter ein Diuretikum – definiert. In nicht-randomisierten und randomisierten, aber nicht verblindeten Studien konnte gezeigt werden, dass eine katheterbasierte Nierennervenablation (das bedeutet eine Radiofrequenzablation der sympathischen Fasern der Nierenarterien) zu einer deutlichen Blutdrucksenkung führen kann. Mit der vorliegenden Studie sollte untersucht werden, ob eine Nierennervenablation im Vergleich mit einem Scheineingriff («sham procedure») trotz optimaler medikamentöser Therapie den Blutdruck zusätzlich signifikant zu senken vermag.

Methoden

In diese einfach-verblindete Studie wurden 535 Personen aufgenommen, die einen systolischen «Sprechstundenblutdruck» von mindestens 160 mm Hg trotz einer Behandlung mit mindestens drei Antihypertensiva (inklusive Diuretikum) hatten. Im Verhältnis von 2:1 wurden sie in eine Gruppe mit einer Nierennervenablation und eine Kontrollgruppe mit einem Scheineingriff (Nierenangiographie ohne Denervation) randomisiert. Primärer Endpunkt bezüglich Wirksamkeit war der systolische Blutdruck sechs Monate nach dem Eingriff, der in der Gruppe mit Denervation mindestens 5 mm Hg niedriger als in der Placebogruppe sein sollte. Primärer Endpunkt in Bezug auf die Risiken des Verfahrens («safety end point») war eine Kombination von Gesamtmortalität, terminalem Nierenversagen, embolischen Ereignissen mit Zerstörung eines Endorgans, renovaskulären Komplikationen, hypertensiver Krise nach einem Monat oder neu aufgetretener Nierenarterienstenose mit einem Stenosegrad von mehr als 70 % nach sechs Monaten.

Ergebnisse

Nach sechs Monaten war der systolische Blutdruck bei allen Behandelten tiefer. In der Interventionsgruppe konnte er um durchschnittlich 14,1 mm Hg und in der Kontrollgruppe um 11,7 mm Hg gesenkt werden. Die Differenz zwischen den Gruppen von 2,4 mm Hg (95% CI 6,9 –  2,1) war dagegen nicht statistisch signifikant. Auch hinsichtlich des primären «safety end point» unterschieden sich die beiden Gruppen nicht.

Schlussfolgerungen

Bei therapieresistenter Hypertonie trotz optimaler medikamentöser Therapie konnten mit einer zusätzlichen Denerva­tionstherapie der Nierenarterien keine niedrigere systolischen Blutdruckwerte erreicht werden.

Zusammengefasst von Thomas Koch

Die vorliegende Studie (Simplicity 3) konnte den Sicherheitsnachweis, aber nicht den Wirksamkeitsnachweis erbringen. Dies bedeutet, dass man jetzt wieder am Anfang steht und exakt wissen muss, bei wem die Therapie möglicherweise viel und bei wem wenig bringt. Das Konzept ist an sich alt und wurde bald zugunsten der attraktiveren Pharmakotherapie verlassen, da die chirurgischen Nebenwirkungen erheblich waren. In den Vorstudien Simplicity 1 und 2 fokussierte man auf die Behandlung der therapieresistenten Hypertonie mit Erfolg, was eben bei Simplicity 3 nicht der Fall war.

Zu viele Fragen blieben bis anhin offen: Die Definition der Therapieresistenz kann variieren, und komplex ist die Erfassung der Compliance. Dies erklärt auch, weshalb die Placebogruppe in Simplicity 3 eine Drucksenkung im Verlauf zeigte, welche die Wirksamkeit der renalen Denerva­tion in Frage stellte. Zudem wurde bemängelt, dass die medikamentöse Therapie zu früh abgebrochen wurde, bevor Stabilität nachgewiesen war, und dass sich die medikamentösen Therapien unterschieden. Ferner wissen wir nicht, ob die Ablation des Sympathikus wirklich afferent wie efferent genügend war. Insofern lässt die Studie mehr Fragen offen, als dass beantwortet werden können.

1. Wurde die Katecholaminfreisetzung durch eine Ablation genügend reduziert und wie soll dies gemessen werden?  
2. Sind alle Systeme vergleichbar, die zur Anwendung kommen?
3. Welche zusätzlichen Effekte hat die Ablation und welche Folgen müssen wir im Langzeitverlauf erwarten?
4. Welche Gruppe profitiert viel, welche wenig, wie schnell tritt eine Drucksenkung ein. Müssen wir uns auf Nebenwirkungen einstellen?
5. Erlaubt die Methode eine Reduktion der Antihypertensiva? Wird die Prognose durch die Drucksenkung günstig beeinflusst. 
6. Welchen Stellenwert hat diese Methode im Verbund mit dem Ausbau der medikamentösen Therapie oder der Stimulation des Parasympathikus?
Zu schnell machte man den Sprung von der gut kontrollierten Durchführung in Rahmen von Studien, welche dazu dient diese Fragen zu beantworten, zur breiteren Anwendung im klinischen Alltag. Viele Fragen bleiben auch danach offen:
1. Wann kommt diese Methode auch zum Einsatz der Behandlung der Hypertonie und nicht nur der Therapieresistenz?
2. Wie müssen die so behandelten Patienten vorbereitet und nachkontrolliert werden?
3. Erlaubt die Methode einen Ersatz oder Reduktion der pharmakologischen Therapie? 
4. Kann das Dogma aufrechterhalten werden, dass eine Drucksenkung auch einer prognostischen Verbesserung folgt? Wann dürfen wir auf harte Endpunktstudien hoffen?
5. Können Langzeitfolgen ausgeschlossen werden?
6. Kann man die Behandlungsmethode wiederholen, wann und wie kann diese ergänzt werden?

Paul Erne

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Nierennervenablation bei therapie­restistenter Hypertonie ( 2014)