Serotonin-Wiederaufnahmehemmer in der Schwangerschaft

  • k -- Malm H, Sourander A, Gissler M et al. Pregnancy complications following prenatal exposure to SSRIs or maternal psychiatric disorders: results from population-based national register data. Am J Psychiatry 2015 (Epub ahead of print: 4. August) [Link]
  • Zusammenfassung: Markus Gnädinger
  • Kommentar: Barbara Bass
  • infomed screen Jahrgang 19 (2015) , Nummer 6
    Publikationsdatum: 17. Dezember 2015
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Studienziele

Bis zu 10% aller schwangeren Frauen leiden an einer Depression. Depressive Frauen haben mehr Schwangerschaftskomplikationen als gesunde. Zudem nehmen 4% bis 10% aller Schwangeren in Finnland und in den USA einen Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) als Antidepressivum ein. Mit dieser prospektiven finnischen Studie sollte daher untersucht werden, inwiefern Schwangerschaftskomplikationen mit SSRI oder der zugrunde liegenden Psychopathologie assoziiert sind.

Methoden

Ausgehend von allen 845'345 Einlingsgeburten Finnlands der Jahre 1996 bis 2010 wurden drei Gruppen von Schwangeren ausgewählt: (1) Frauen, die bis 30 Tage vor oder während der Schwangerschaft SSRI eingenommen hatten (n=15'729); (2) Frauen, die eine psychiatrische Diagnose hatten, aber keine SSRI eingenommen hatten (n=9'652); (3) Frauen, die weder SSRI eingenommen hatten noch an einer psychiatrischen Diagnose litten als Kontrollgruppe (n=31'394). Primäre Endpunkte waren mütterlicherseits Schwangerschafts­hypertonie, Kaiserschnitte und peripartale Blutungen, seitens des Kindes Frühgeburtlichkeit, intrauterine Wachstumsretardierung und neonatale Komplikationen.

Ergebnisse

Unter SSRI war das Risiko für Frühgeburten (insbesondere diejenigen vor der 32. Schwangerschaftswoche), Kaiserschnitte und peripartale Blutungen im Vergleich zu Frauen mit psychiatrischer Diagnose ohne SSRI-Einnahme vermindert. Dafür war unter Behandlung mit SSRI das Risiko des Neugeborenen für einen 5-Minuten-APGAR unter 7, Atemprobleme oder einen Aufenthalt in der Neonatologie, und dasjenige der Mutter für eine Schwangerschaftshypertonie erhöht. Sowohl Frauen unter SSRI als auch solche ohne SSRI, aber einer psychiatrischen Diagnose schnitten gegenüber Frauen ohne SSRI und ohne psychiatrische Erkrankung bezüglich fast aller untersuchten kindlichen und mütterlichen Parameter schlechter ab.

Schlussfolgerungen

Aufgrund dieser Studie ist bei mit SSRI behandelten Schwangeren im Vergleich zu Schwangeren mit psychiatrischer Erkrankung, aber ohne SSRI-Einnahme das Risiko für eine Frühgeburt oder einen Kaiserschnitt reduziert, dasjenige für neonatale Komplikationen jedoch erhöht.

Zusammengefasst von Markus Gnädinger

Zunehmend mehr Frauen, welche aufgrund von Depressionen medikamentös behandelt werden, werden schwanger. Behandelnde – von Seiten Gynäkologie, Psychiatrie und Grundversorgung – sind demzufolge mit der Frage konfrontiert, ob diese Medikation auch in der Schwangerschaft weitergeführt werden kann. 

Das Risiko für Fehlbildungen kann ausser bei Paroxetin und Fluoxetin vernachlässigt werden. Es wäre daher sinnvoll, Frauen, die mit einem dieser beiden SSRI behandelt werden und schwanger werden möchten, bereits vor einer Schwangerschaft auf ein anderes Präparat umzustellen. Eine enge Zusammenarbeit der verschiedenen Fachrichtungen wäre hier wünschenswert.

Eine ungenügend behandelte Depression ist ein Risikofaktor für vermindertes Geburtsgewicht, Frühgeburtlichkeit und Plazentainsuffizienz, welche häufiger zu einem Kaiserschnitt führt. Das erhöhte Risiko für eine passagere Anpassungsstörung beim Neugeborenen nach SSRI-Behandlung in der Schwangerschaft sollte mit der Schwangeren besprochen werden. Sie sollte dahin beraten werden, in einer Klinik mit einer Abteilung für Neonatologie zu gebären, damit das Kind adäquat versorgt werden kann. Die frühere Empfehlung, Psychopharmaka einige Wochen vor der Geburt auszuschleichen, um diese Anpassungsstörung zu umgehen, kann nicht mehr unterstützt werden. Eine Schwangere mit bereits bestehender Depression hat ein erhöhtes Risiko für eine postpartale Depression und damit einhergehend ein Risiko für eine beeinträchtigte Mutter-Kind-Interaktion. Gerade in dieser vulnerablen Phase sollten stabilisierende Medikamente nicht abgesetzt werden.

Barbara Bass

Standpunkte und Meinungen
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Serotonin-Wiederaufnahmehemmer in der Schwangerschaft ( 2015)