Testosteron beim alternden Mann: eine durchzogene Bilanz

  • a -- Diem SJ, Greer NL, MacDonald R et al. Efficacy and safety of testosterone treatment in men: an evidence report for a clinical practice guideline by the American College of Physicians. Ann Intern Med. 2020 Jan 21;172:105-118. [Link]
  • Zusammenfassung: Felix Schürch
  • infomed screen Jahrgang 24 (2020)
    Publikationsdatum: 27. Mai 2020
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Die vorliegende Übersichtsarbeit versucht die Vor- und Nachteile einer Gabe von Testosteron zu beleuchten. Sie fokussiert dabei auf die häufige Situation, bei der das Hormon verabreicht wird, um bei älteren Männern ohne einen organisch bedingten Hypogonadismus verschiedene Funktionen im Sexualleben und im Allgemeinbefinden zu verbessern. Die Studienverantwortlichen fanden bei ihrer Recherche 38 randomisierte und kontrollierte Studien, die ihren Einschlusskriterien entsprachen: Vergleich mit einer Kontrollgruppe und eine Verlaufsbeobachtung während mindestens einem halben Jahr. Dazu kamen 20 Beobachtungsstudien, um die gesundheitsschädlichen Folgen der Hormongabe zu erfassen. Berücksichtigt wurden bei dieser Fragestellung die Studien mit einer Anzahl von 500 oder mehr Teilnehmenden und einer Beobachtungszeit von mindestens einem Jahr. Die Analyse der Daten von über 1000 Personen aus den 38 einbezogenen Studien zeigte eine leichte Verbesserung bezüglich Sexualleben und Lebensqualität. Keine oder nur minime Effekte waren bei der körperlichen Leistungsfähigkeit, bei der Stimmungslage, der Vitalität und den kognitiven Fähigkeiten nachweisbar. Unter Einbezug der Beobachtungsstudien erhielt man Berichte über kardiovaskuläre Ereignisse, das Auftreten von Prostatakrebs, Thromboembolien und Todesfälle. Die Aussagekraft und Evidenz in diesen Untersuchungen zu den negativen Folgen von Testosteron ist jedoch in den Augen der Studienverantwortlichen beschränkt und lässt keine Rückschlüsse auf eindeutige Risiken zu.

Bei vielen Fragestellungen mussten die Antworten, die aus den heterogenen Studien herausgeschält werden konnten, als «wenig beweiskräftig» taxiert werden. Die positiven Effekte – beispielsweise bei den sexuellen Funktionen – waren unter dem Strich bescheiden. Eindeutig erhöhte Risiken wie Krebs und Herzinfarkt konnten nicht ermittelt werden. Als Hausarzt lerne ich daraus: Testosteron ist kein Wundermittel – aber auch kein Teufelszeug. Unter der Berücksichtigung der Bedürfnisse des Patienten und bei einer sorgfältigen Auslegeordnung (inkl. Laboruntersuchungen) kann das Gel oder die Spritze mit dem Hormon in Einzelfällen durchaus ein sinnvolles Angebot sein. Die Kosten für die Präparate werden nach meiner Erfahrung von den Krankenkassen nicht übernommen.

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infomed-screen 24 -- No. 5
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Testosteron beim alternden Mann: eine durchzogene Bilanz ( 2020)