Mortalität bei psychogenen nicht-epileptischen Anfällen
- k -- Nightscales R, Mc’Cartney L, Auvrez C et al. Mortality in patients with psychogenic nonepileptic seizures. Neurology 2020; 95: e1-e10. [Link]
- Zusammenfassung: Markus Gnädinger
- infomed screen Jahrgang 24 (2020)
Publikationsdatum: 25. September 2020 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Nachdem in zwei früheren Studien eine erhöhte Mortalitätsrate bei Personen mit psychogenen nicht-epileptischen Anfällen (PNEA) gefunden worden war, wurden in drei tertiären Kliniken in Melbourne, Australien, retrospektiv die Daten aller Personen aufgearbeitet, die zwischen 1995 und 2015 mit Video-EEG-Monitoring untersucht worden waren. Von 5508 Untersuchungen wurden 3913 (71%) eingeschlossen, in denen die folgenden Diagnosen gestellt worden waren: PNEA 674 (17%), Epilepsie 3064 (78%) und beides kombiniert (PNEA+ Epilepsie) 175 (4%). Die Betroffenen wurden während etwa 10 Jahren beobachtet. Im Verlauf der Beobachtungszeit verstarben 302 Personen (8%). Im Vergleich zur standardisierten Mortalitätsrate (1,0) betrug die Sterblichkeit in der Kohorte (Mittelwert, 95%-Konfidenz): PNEA 2,5 (2,0-3,3), Epilepsie 3,3 (3,0-3,7) und PNEA+Epilepsie 3,7 (2,2-6,3), unabhängig vom Geschlecht. Es fand sich in allen drei Gruppen eine ca. 10-fache Übersterblichkeit bei jüngeren Personen, bei älteren Personen pendelte sich der Wert zwischen 1,5 und 2,0 ein; zwischen den Gruppen gab es keine signifikanten Unterschiede. Obwohl bei der PNEA-Gruppe in der Videoanalyse ja keine Epilepsie beobachtet worden war, war die Epilepsie mit 24% die führende Todesursache. Die nächsthäufigen Todesursachen waren mit 16% Suizide und Vergiftungen. In der PNEA-Gruppe fanden sich in 66% psychiatrische Komorbiditäten: Depression 57%, Angststörung 16%, Psychose 8%, Persönlichkeitsstörung 10%, Substanzmissbrauch 15%, andere 18% (Daten für PNEA+ Epilepsie nicht verschieden, für Epilepsie nicht genannt). Ein Substanzmissbrauch ging einher mit einer erhöhten Mortalitätsrate von 2,5 (1,0-5,9), andere psychiatrische Komorbiditäten erhöhten die Mortalität nicht. Die Autoren schliessen, dass die Übersterblichkeit von 2,5 in der PNEA-Gruppe vergleichbar ist mit derjenigen bei einer Medikamenten-resistenten Epilepsie.
Offenbar reicht es aus, zur Video-EEG-Untersuchung zugewiesen zu werden, um unabhängig vom Resultat der Untersuchung eine deutlich erhöhte Mortalitätsrate aufzuweisen. Bei der Personengruppe mit psychogenen Anfällen im Video fällt auf, dass die Epilepsie trotzdem die führende Todesursache bleibt, gefolgt von den Vergiftungen und Suiziden. Somit schliessen psychogene Anfälle das Vorliegen einer Epilepsie keineswegs aus, wie ja auch die Personengruppe zeigt, bei der beide Arten von Anfällen beobachtet worden sind. Es gilt, bei diesen meist nicht sehr gesund lebenden und häufig sozial benachteiligten Personen die gestellte Diagnose stets kritisch zu hinterfragen, Risikoverhalten engmaschig zu verfolgen und wo möglich zu korrigieren.
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