Drei Interleukin-23-Antagonisten

In der Schweiz stehen jetzt drei selektive Interleukin-23-Antagonisten (IL-23-Blocker) zur Verfügung, die alle zur Behandlung einer Plaque-Psoriasis dienen können, die nicht adäquat mit anderen systemischen Therapien oder einer Psoralen-Ultraviolett-A-Therapie (PUVA) behandelbar ist.

Interleukine (IL) sind Zytokine mit verschiedenartigen Funktionen, wobei einige davon eine bedeutsame Rolle bei der Psoriasis spielen. Bisher wurden in erster Linie IL-12, IL-17A und IL-23 untersucht. Zwei Untereinheiten von IL-23 (p19 und p40) sind in psoriatischen Läsionen überexprimiert. Antikörper, die sich an diese Untereinheiten binden, hemmen die Freisetzung von Zytokinen, die zu entzündlichen Veränderungen führen. Daraus resultiert dann eine Abnahme der Epidermis-Dicke und der Infiltration mit Entzündungszellen. IL-23-Blocker gelten als besonders wirksam als Psoriasis-Therapeutika.

Gemeinsame Eigenschaften der IL-23-Antagonisten

Guselkumab (Tremfya®), Risankizumab (Skyrizi®) und Tildrakizumab (Ilumetri®) sind humanisierte monoklonale IgG1-Antikörper, die sich an die Untereinheit p19 von IL-23 binden. Sie sind alle zur Behandlung einer mittelschweren bis schweren Plaque-Psoriasis zugelassen, sofern diese ungenügend auf andere systemische Therapien oder eine PUVA-Therapie angesprochen hat bzw. diese Therapien kontraindiziert oder nicht verträglich sind.


Guselkumab

Pharmakokinetik

Guselkumab wird subkutan injiziert und erreicht so nach etwa 5 Tagen maximale Plasmaspiegel. Es wird zu etwa 50% bioverfügbar. Wie andere Proteine wird es zu kleineren Peptiden und Aminosäuren abgebaut. Seine Halbwertszeit beträgt 15 bis 18 Tage.(1)

Klinische Studien

Guselkumab wurde in den Studien meistens zuerst zweimal im Abstand von 4 Wochen und anschliessend alle 8 Wochen in einer Dosis von 100 mg verabreicht; generell wurden Erwachsene behandelt, die eine Psoriasis mittlerer bis starker Ausprägung hatten. Es handelte sich jedoch nicht um Personen, bei denen sich eine andere systemische Behandlung oder eine PUVA-Therapie als unwirksam erwiesen hatte. Die Wirksamkeit von Guselkumab ist in vier grossen Phase-III-Studien dokumentiert worden.

In der doppelblinden VOYAGE-1-Studie wurde für 16 Wochen bei 837 Personen ein Vergleich mit Placebo und für 48 Wochen mit Adalimumab (Humira® u.a.), einem Tumor-Nekrose-Faktor-alpha-Hemmer (TNF-alpha-Hemmer), durchgeführt. Eine Abnahme des PASI-Wertes um ≥90% («PASI 90») und der IGA war nach 16 Wochen unter Guselkumab signifikant häufiger als unter Placebo (Abkürzungen: siehe Tabelle 1). Auch im Vergleich mit Adalimumab wurden mit Guselkumab nach 16, 24 und 48 Wochen weit bessere PASI- und IGA-Werte erreicht.(2)

Auch in der VOYAGE-2-Studie wurde Guselkumab mit Adalimumab (und Placebo) verglichen: insgesamt 992 Personen wurden gemäss einem dreiphasigen Schema (16 Wochen Placebo-Vergleich der beiden Medikamente – 12 Wochen Placebo-Crossover-Phase – 20 Wochen Entzug/erneute Verabreichung) behandelt. Dabei konnte gezeigt werden, dass Guselkumab mit Vorteil kontinuierlich gegeben wird und auch bei Personen wirkt, die nicht auf Adalimumab angesprochen haben.(3)

871 Personen wurden in der NAVIGATE-Studie doppelblind mit Guselkumab oder mit dem IL-12/23-Antagonisten Ustekinumab (Stelara®) behandelt. Diejenigen, die nach 16 Wochen ungenügend auf Ustekinumab angesprochen hatten, wurden für eine 24-wöchige Fortführung oder für den Wechsel auf Guselkumab randomisiert. In den folgenden Wochen wurde mit Guselkumab bei signifikant mehr Personen ein weitgehendes Verschwinden der Psoriasisläsionen erreicht als mit Ustekinumab. «PASI 90» fand sich 52 Wochen nach dem Studienbeginn bei 51% der mit Guselkumab, aber nur bei 24% der mit Ustekinumab Behandelten.(4)

In der ECLIPSE-Studie wurde Guselkumab bei 1048 Erwachsenen mit dem IL-17A-Antagonisten Secukinumab (Cosentyx®) verglichen. Der primäre Endpunkt (PASI 90 nach 48 Wochen) wurde von Guselkumab signifikant häufiger (bei 84%) erreicht als mit Secukinumab (bei 70%). Hinsichtlich sekundärer Endpunkte (PASI 75 nach 12 und 48 Wochen) ergab sich jedoch keine signifikante Überlegenheit von Guselkumab.(5)

In präliminären Studien hat Guselkumab auch eine Wirksamkeit bei Psoriasis-Arthritis gezeigt.

Unerwünschte Wirkungen

Im Vergleich mit Placebo sind Infekte (besonders der oberen Luftwege und Mykosen) und lokale Reaktionen an der Injektionsstelle unter Guselkumab häufiger. Andere beobachtete Symptome sind Kopfschmerzen, Durchfall, Hautreaktionen und Arthralgien. Selten kommen – wie unter anderen Biologika – auch gefährliche Infekte, maligne Tumoren und kardiovaskuläre Ereignisse vor.

Interaktionen: Unter einer Guselkumab-Behandlung verabreichte Lebendimpfstoffe könnten zu infektiösen Komplikationen führen und sollten deshalb vermieden werden. Andere klinisch bedeutsame Interaktionen sind bisher nicht bekannt.

Risankizumab

Pharmakokinetik

Risankizumab wird subkutan injiziert; nach der Injektion werden in ungefähr 3 bis 14 Tagen maximale Plasmaspiegel erreicht. Die Bioverfügbarkeit wird auf knapp 90% geschätzt. Wie andere Proteine wird es zu kleineren Peptiden und Aminosäuren abgebaut. Die Halbwertszeit soll zwischen 18 und 34 Tagen liegen.(6)

Klinische Studien

Risankizumab wurde in den Studien initial zweimal im Abstand von 4 Wochen und anschliessend alle 12 Wochen in einer Dosis von 150 mg (jeweils zwei Injektionen zu 75 mg) verabreicht. Für eine systemische Therapie geeignete Erwachsene mit einer Psoriasis mittlerer bis starker Ausprägung wurden behandelt; diese waren nicht notwendigerweise vorgängig mit einer anderen systemischen Therapie oder mit PUVA behandelt worden. Die Wirksamkeit von Risankizumab ist in vier grossen Phase-III-Studien dokumentiert worden.

In der doppelblinden IMMHANCE-Studie erhielten 407 Personen Risankizumab und 100 Placebo. In der Risankizumab-Gruppe wurde der primäre Studienendpunkt von PASI 90 und von fast oder ganz läsionsfreier Haut («sPGA 0 oder 1») nach 16 Wochen signifikant häufiger (bei 73% bzw. 84%) erreicht als in der Placebogruppe (2% bzw. 7%). Nach 28 Wochen Behandlung wurde Risankizumab bei Personen, die gut angesprochen hatten, randomisiert entweder fortgesetzt oder abgesetzt.  87% der Personen, die das Medikament weiter erhielten, hatten nach 52 Wochen kaum psoriatische Läsionen (sPGA 0 oder 1), während dies nur bei 61% der Fall war, wenn Risankizumab abgesetzt worden war.(7) 

In zwei Doppelblindstudien mit identischem Design (UltIMMa-1 und -2) erhielten insgesamt 997 Personen für 16 Wochen Risankizumab oder den IL-12/23-Antagonisten Ustekinumab oder Placebo. In diesen Studien wurden nach 16 Wochen PASI 90 und sPGA 0/1 von signifikant mehr Leuten in der Risankizumab-Gruppe als in den beiden Vergleichsgruppen erreicht. Anschliessend wurde die Studie weitergeführt, wobei aber auch die Teilnehmenden der Placebogruppe Risankizumab erhielten. Ein PASI 90 fand sich nach 52 Wochen unter Risankizumab bei gut 80%, unter Ustekinumab nur bei etwa 48%.(8)

Risankizumab wurde auch mit dem TNF-alpha-Hemmer Adalimumab verglichen: In der IMMVent-Studie erhielten 605 Personen das eine oder das andere Biologikum. Auch in dieser Studie war Risankizumab nach 16 Wochen bezüglich PASI 90 und sPGA 0/1 signifikant überlegen. In Abhängigkeit vom Erfolg der Adalimumab-Therapie wurde diese anschliessend weitergeführt, auf Risankizumab gewechselt oder – bei mittelmässigem Erfolg –  nochmals auf eines der beiden Medikamente randomisiert. Nach 44 Wochen war das Resultat unter Risankizumab wiederum besser.(9)

Ausserdem liegen vorläufige Daten zu einer Wirksamkeit von Risankizumab bei Psoriasis-Arthritis und bei Morbus Crohn vor.

Unerwünschte Wirkungen

Respiratorische Infekte, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Hautmykosen und Lokalreaktionen an der Injektionsstelle waren unter Risekizumab wesentlich häufiger (bei 22% in den ersten 16 Wochen) als unter Placebo (bei 15%). Im Vergleich mit den anderen Biologika waren die unerwünschten Wirkungen ähnlich häufig oder etwas seltener. Einzelne Behandelte entwickeln Antikörper gegen Risankizumab, was zu einer Abnahme der Wirksamkeit führt.

Interaktionen: Unter einer Risankizumab-Behandlung verabreichte Lebendimpfstoffe könnten zu infektiösen Komplikationen führen und sollten deshalb vermieden werden. Andere klinisch bedeutsame Interaktionen sind bisher nicht bekannt.

Tildrakizumab

Pharmakokinetik

Tildrakizumab wird subkutan injiziert und erreicht so nach etwa 6 Tagen maximale Plasmaspiegel. Es wird zu 70 bis 80% bioverfügbar. Wie andere Proteine wird es zu kleineren Peptiden und Aminosäuren abgebaut. Seine Halbwertszeit beträgt etwa 25 Tage.(10)

Klinische Studien

Die Wirksamkeit von Tildrakizumab ist in zwei grossen Doppelblindstudien dokumentiert worden. In diesen wurde das Medikament initial zweimal im Abstand von 4 Wochen und anschliessend alle 12 Wochen verabreicht; die einzelne Dosis betrug 100 oder 200 mg. Erwachsene mit einer Psoriasis mittlerer bis starker Ausprägung wurden behandelt (allerdings nicht spezifisch solche, die vorgängig ungenügend auf eine systemische Therapie angesprochen hatten).

Die beiden Studien (reSURFACE 1 und reSURFACE 2) hatten ein ähnliches Protokoll. In reSURFACE 1 mit 772 Teilnehmenden wurde Tildrakizumab (100 oder 200 mg/Dosis) für 12 Wochen mit Placebo verglichen; anschliessend erhielten auch die Teilnehmenden der Placebogruppe Tildrakizumab (randomisiert 100 oder 200 mg/Dosis). In reSURFACE 2 mit 1090 Teilnehmenden gab es zusätzlich eine Gruppe, die Etanercept (50 mg/Dosis, Enbrel® u.a.) erhielt. In beiden Studien wurde der primäre Endpunkt (PASI 75 + PGA von 0 oder 1) nach 12 Wochen von rund 60% der mit der einen oder anderen Tildrakizumab-Dosis Behandelten, hochsignifikant häufiger als in den Placebogruppen erreicht (in den letzteren änderten sich die Hautläsionen kaum). Im Vergleich mit Etanercept fand sich eine signifikante Überlegenheit nur für die mit 200-mg-Dosen von Tildrakizumab behandelten Individuen.(11) Tildrakizumab wurde anschliessend weiter verabreicht. Die Wirksamkeit des Medikaments blieb gemäss dem Abstract eines Kongressberichts bei der überwiegenden Zahl der Behandelten während zwei Jahren erhalten.

Auch zu Tildrakizumab liegen vorläufige Daten zu einer Wirksamkeit bei Psoriasis-Arthritis vor.

Unerwünschte Wirkungen

Die häufigsten unerwünschten Wirkungen sind Infektionen der Atemwege, lokale Reaktionen an der Injektionsstelle und Durchfall. Einige der langfristig mit Tildrakizumab behandelten Personen entwickeln neutralisierende Antikörper gegen Tildrakizumab; es ist nicht klar, in welchem Ausmass die Wirksamkeit dadurch beeinflusst wird.

Interaktionen: Unter einer Tildrakizumab-Behandlung verabreichte Lebendimpfstoffe könnten zu infektiösen Komplikationen führen und sollten deshalb vermieden werden. Andere klinisch bedeutsame Interaktionen sind bisher nicht bekannt.

Hinweise zur Verabreichung der IL-23-Blocker

Guselkumab (Tremfya®), Risankizumab (Skyrizi®) und Tildrakizumab (Ilumetri®) werden subkutan injiziert. Die Präparate sollen im Kühlschrank aufbewahrt werden; vor der Injektion sollen die Lösungen aber Zimmertemperatur erreicht haben.

Personen mit relevanten Infektionskrankheiten sollten nicht mit IL-23-Antagonisten behandelt werden; insbesondere soll vor Behandlungsbeginn eine Tuberkulose ausgeschlossen werden.

IL-23-Antagonisten sind bisher bei Kindern und Jugendlichen sowie bei schwangeren und stillenden Frauen ungenügend dokumentiert und sollen deshalb diesen Personen nicht verabreicht werden.

Kosten

Die Kosten einer Behandlung mit IL-23-Antagonisten im ersten Behandlungsjahr betragen: für Guselkumab CHF 23'852, für Risankizumab CHF 25'936 und für Tildrakizumab (100-mg-Dosis) CHF 24'108. (Die 200-mg-Dosis von Tildrakizumab kostet das Doppelte.) Mit anderen Worten: diese drei neuen Interleukin-Antagonisten sind mehr oder weniger gleich teuer wie die bisher verfügbaren. Der TNF-alpha-Hemmer Adalimumab ist günstiger, obwohl selbst bei Verwendung eines Adalimumab-Biosimilars immerhin mit 13'000 Franken jährlich zu rechnen ist. Mehrere andere systemische Psoriasistherapien kosten weniger; insbesondere eine Methotrexat-Therapie ist sehr viel billiger (Jahreskosten bei oraler Gabe um 200 Franken, bei parenteraler Gabe um 2000 Franken).

Kommentar

Für die Behandlung einer Plaque-Psoriasis steht heute eine aussergewöhnlich grosse Vielfalt von Medikamenten zur Verfügung. Gleichzeitig ist es auch sehr schwierig geworden, Vor- und Nachteile der verschiedenen Optionen für jeden Einzelfall adäquat einzuschätzen. Die vorliegenden Daten lassen primär annehmen, dass es sich bei den Interleukin-23-Antagonisten um sehr wirksame und wahrscheinlich gut verträgliche Medikamente handelt. Es ist aber nicht so, dass das Nutzen/Risiko-Verhältnis der älteren, billigeren Behandlungen immer so ungünstig wäre. Deshalb wäre es unerlässlich, die neueren Therapien auch direkt mit den älteren zu vergleichen. Dies ist aber nicht geschehen. In den aktuell verfügbaren Studien hatte es gewiss auch Individuen, die bereits mit anderen systemischen Medikamenten behandelt worden waren. Die neuen IL-23-Antagonisten wurden zudem mit anderen Interleukin-Antagonisten oder mit einem TNF-alpha-Hemmer verglichen. Aber keine einzige Studie war so angelegt, dass man wirklich auf eine Überlegenheit gegenüber älteren, «konventionellen» Therapien schliessen könnte. Man kann sich deshalb schlecht des Eindrucks erwehren, es gehe in erster Linie darum, die Qualitäten der neuen, teuren Therapien ins beste Licht zu rücken. Entsprechend ist grösste Zurückhaltung bei der Verschreibung von IL-23-Antagonisten sicher angezeigt. Auch darf nicht vergessen werden, dass Behandlungen, die innerhalb der ersten vier bis sechs Monate keine klinisch überzeugende Wirkung zeigen, in der Regel wieder abgebrochen werden sollten.

Standpunkte und Meinungen

  • Es gibt zu diesem Artikel keine Leserkommentare.
Drei Interleukin-23-Antagonisten (18. Februar 2020)
Copyright © 2024 Infomed-Verlags-AG
pharma-kritik, 41/No. 7
PK1079
Untertitel
Verwandte Artikel
Login

Gratisbuch bei einem Neuabo!

Abonnieren Sie jetzt die pharma-kritik und erhalten Sie das Buch «100 wichtige Medikamente» gratis. Im ersten Jahr kostet das Abo nur CHF 70.-.

pharma-kritik abonnieren
Aktueller pharma-kritik-Jahrgang

Kennen Sie "100 wichtige Medikamente" schon?

Schauen Sie ein Probekapitel unseres Medikamentenführers an. Die Medikamente in unserem Führer wurden sorgfältig ausgesucht und konzentrieren sich auf die geläufigsten Probleme in der Allgemeinmedizin. Die Beschränkung auf 100 Medikamente beruht auf der Überzeugung, dass sich rund 90% aller allgemeinmedizinischen Probleme mit 100 Medikamenten behandeln lassen.

Die Liste der 100 Medikamente sehen Sie auf der Startseite von 100 Medikamente.
Passwort beantragen infomed mailings

Drei Interleukin-23-Antagonisten