Endokarditis-Prophylaxe

Update

Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass medizinische Eingriffe an Schleimhäuten zu kurzdauernden Bakteriämien und unter bestimmten Umständen zu bakteriellen Endokarditiden führen können. In vielen Ländern existieren daher Richtlinien, in denen festgelegt ist, wann - d.h. bei welchen Eingriffen und bei welchen Herzklappenerkrankungen - eine Antibiotikaprophylaxe zur Verhinderung der Endokarditis durchgeführt werden soll. Da keine kontrollierten prospektiven Studien existieren, basieren diese Richtlinien auf einem Konsens von Fachleuten. Diese stützen sich für ihre Beurteilung auf Fall-Kontroll-Studien, Fallbeispiele, Studien in vitro und Tierversuche. Die vorhandene Literatur über die Antibiotika-Prophylaxe bei Zahneingriffen ist kontrovers. Zahlreiche Fallbeispiele beschreiben einen Zusammenhang zwischen Zahneingriffen und bakterieller Endokarditis, Fall-Kontroll-Studien hingegen zeigen keine signifikante direkte Verbindung zwischen Endokarditis und Zahneingriff, obwohl in jeder Studie Personen mit Herzklappenerkrankungen ein erhöhtes Risiko haben.(1-3) Man weiss auch, dass nicht nur bei Eingriffen an Schleimhäuten, sondern sogar beim Kauen und Zähneputzen Bakteriämien entstehen, die eine Endokarditis auslösen können. Eine Placebo-kontrollierte randomisierte Studie könnte zwar das Risiko-/Nutzenverhältnis einer Antibiotikaprophylaxe aufzeigen, doch wird eine solche Studie wohl nie durchgeführt werden, da die Anzahl der nötigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu hoch wäre und weil ethische Überlegungen dagegensprechen.

Gemäss allgemeiner Übereinkunft ist jedoch wegen der relativ hohen Morbidität und Mortalität der bakteriellen Endokarditis eine Antibiotikaprophylaxe in gewissen Situationen trotz der schlechten Faktenlage gerechtfertigt. Die Mortalität einer von Streptococcus viridans verursachten Endokarditis beträgt nämlich etwa 13%, diejenige einer Staphylococcus-aureus-Endokarditis liegt bei 20-25%. Auch die Morbidität ist beträchtlich: In den Jahren 2006/7 wurden am Universitätsspital Basel die Daten von 45 Kranken mit einer gesicherten bakteriellen Endokarditis prospektiv erhoben. Bei 30% der Kranken kam es zu systemischen Embolien und bei 27% zu einer Herzinsuffizienz. Bei der Suche der Infektionsquelle wurde in einem Drittel der Fälle die Mundschleimhaut und bei 9% der übrige Gastrointestinaltrakt als Ursache vermutet. Interessanterweise waren bei 32% Infektionen der Haut oder Weichteile die Quelle. Für die Zunahme der Staphylococcus-aureus-Endokarditis sind zunehmend auch intravasale Fremdkörper, d.h. liegende Venenkatheter oder Port-à-Caths als Eintrittspforte verantwortlich.

Wie diese Antibiotikaprophylaxe aussehen soll, wird in verschiedenen Richtlinien beschrieben. Kürzlich wurden die britischen, französischen und schliesslich auch die amerikanischen Richtlinien überarbeitet und neu publiziert.(4-7) Die schweizerischen Richtlinien, welche letztmals im Jahre 2000 publiziert wurden,(8) sollen noch im Jahr 2008 den amerikanischen angeglichen werden.(9)

Eine Standortbestimmung ist deshalb angezeigt. Es sollen hier einige Punkte der geltenden alten Empfehlungen mit den wahrscheinlichen neuen schweizerischen Empfehlungen zur Endokarditis-Prophylaxe bei Erwachsenen besprochen und den amerikanischen Empfehlungen gegenübergestellt werden, da diese recht kontrovers kommentiert wurden.

Tiermodell als Grundlage der Prophylaxe der bakteriellen Endokarditis

Während beim Menschen die Indikation und das Kosten-Nutzen-Risiko einer Endokarditis-Prophylaxe unterschiedlich beurteilt werden, sind aufgrund eines adäquaten Tiermodelles die experimentellen Grundlagen einer Prophylaxe und die Pathogenese der Endokarditis klar. 1970 wurde ein Endokarditismodell beim Kaninchen beschrieben, das später auf die Ratte übertragen wurde.(10) Viele Arbeiten über die Pathogenese der bakteriellen Endokarditis entstanden in den 80-er und 90-er Jahren.(11) Beim Rattenmodell wird ein kleiner Katheter durch die Karotis bis in den linken Ventrikel geschoben. Durch die Reibung des Katheters an der Aortenklappe entstehen sterile Vegetationen. Nach 1-2 Tagen werden Bakterien in einer definierten Menge durch die Schwanzvene injiziert, die sich dann an den sterilen Vegetationen anheften und so zur Endokarditis führen. Mit diesem Modell wurde untersucht, wann Antibiotika gegeben werden müssen, welche Blutspiegel der Antibiotika notwendig sind, um eine Endokarditis zu verhindern und welche Antibiotika für eine Prophylaxe geeignet sind. Folgende wichtige Erkenntnisse entstammen diesen Modellversuchen:

1. Die antibiotische Prophylaxe war nur wirksam bis zu einer bestimmten Höhe der Keimdichte. Wurden zu viele Bakterien injiziert, konnten vorher verabreichte Antibiotika das Entstehen einer Endokarditis nicht mehr verhindern. Wurde das Inokulum so gewählt, dass 9 von 10 Ratten der Kontrollgruppe infiziert wurden, waren sowohl bakterizide Antibiotika (Penicilline) wie auch bakteriostatische (Clindamycin [Dalacin® u.a.]) wirksam. Daraus folgert man, dass auch beim Menschen die Antibiotikaprophylaxe nur dann erfolgreich sein kann, wenn die Bakteriendichte im Blut nicht zu hoch ist.

2. Wurden die Bakterien und die Antibiotika gleichzeitig injiziert, konnte man beobachten, dass die Antibiotika die Bakterien in der Blutbahn nicht abtöten konnten. Mit oder ohne Antibiotika verschwanden sie aus der Blutbahn nach etwa 15 Minuten, d.h. die Bakterien, die kurzzeitig im Blut zirkulierten, konnten während dieser Phase durch die Antibiotika nicht beeinflusst werden. Falls die Bakterien während der Zirkulation in der Blutbahn an den Herzklappen haften konnten, entstand eine bakterielle Endokarditis. Aus diesen Experimenten hat man gelernt, dass die Konzentration der Antibiotika im Blut für ein paar Stunden genügend hoch sein sollte, um die Bakterien an der Adhäsion und Proliferation an der Herzklappe zu hindern. Mit anderen Worten: eine Endokarditis-Prophylaxe sollte nicht zu früh vor dem Eingriff stattfinden, und eher etwas länger dauern. Im beschriebenen Tiermodell konnte schlüssig gezeigt werden, dass bis 6 Stunden nach Eingriff ein wirksamer Antibiotikaspiegel vorhanden sein muss, um das Wachstum der Bakterien auf den Herzklappen zu verhindern.

3. Wurden zuerst die Bakterien und danach das Antibiotikum injiziert, konnte beobachtet werden, dass noch bis zwei Stunden nach Inokulation eine Endokarditis verhindert werden konnte. Falls also die Prophylaxe vor dem Eingriff vergessen geht, kann diese nur kurz nach dem Eingriff nachgeholt werden. Es ist aber nicht sinnvoll, eine vergessene antibiotische Prophylaxe mehrere Stunden nach dem Eingriff zu verabreichen.

Kardiale Risikosituationen

In den 2000 publizierten schweizerischen Richtlinien wird unterschieden zwischen Personen mit einem hohen Risiko («roter Endokarditispass») und Personen mit einem mässigen Risiko («grüner Endokarditispass»). Ziel dieser früheren schweizerischen und auch der alten amerikanischen Richtlinien war es, bei allen Personen mit einem möglicherweise erhöhten Risiko die Entstehung einer infektiösen Endokarditis im Zusammenhang mit medizinischen Eingriffen zu verhindern. Die neuen amerikanischen Richtlinien basieren aber nun auf der Ansicht, dass sich Empfehlungen zur Endokarditis-Prophylaxe an der Frage orientieren sollten, welche Individuen mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer medikamentösen Prophylaxe profitieren können. Die Tabellen 1 und 2 zeigen, dass vor allem Personen mit einer künstlichen Herzklappe und solche nach einer bakteriellen Endokarditis ein sehr hohes Risiko haben, an einer bakteriellen Endokarditis zu erkranken, insbesondere auch nach Zahneingriffen.

Der Kreis der Personen, bei denen eine Prophylaxe unbedingt durchgeführt werden sollte, wird in den neuen Richtlinien eingeengt, ist jedoch auf Grund von Einwänden der pädiatrischen Kardiologen verglichen mit den amerikanischen etwas breiter. Bei folgenden Herzleiden wird ist eine Prophylaxe empfohlen:

1. Personen mit Klappenersatz (mechanische und biologische Prothesen)
2. Personen mit Endokarditis-Anamnese
3. Personen mit angeborenen Vitien
a. unkorrigierte zyanotische Vitien, sowie palliativer aortopulmonaler Shunt oder Conduit
b. vollständig korrigierte Vitien mit implantiertem Fremdmaterial während den ersten 6 Monaten nach chirurgischer oder perkutaner Implantation
c. korrigierte Vitien mit Residualdefekten an oder nahe bei prothetischen Patches oder Prothesen (Verhinderung der Endothelialisierung)
d. unkorrigierte nicht zyanotische Vitien mit turbulentem Fluss (ausser Vorhofseptumdefekt vom Sekundumtyp)
4. Personen nach Herztransplantation mit einer neu aufgetretenen Valvulopathie

Damit fällt bei diesen Richtlinien eine Endokarditis-Prophylaxe u.a. bei Mitralklappenprolaps mit Insuffizienz, bei erworbenem Herzfehlern (z.B. Aortenstenose) und bei der bikuspiden Aortenklappe weg.

Eingriffe, die eine Prophylaxe benötigen

Nachdem entschieden wurde, dass jemand aufgrund eines Herzleidens eine Endokarditis-Prophylaxe benötigt, muss eine Beurteilung des geplanten Eingriffs vorgenommen werden. Die bakterielle Endokarditis ist in über 90% durch Streptokokken, durch Staphylococcus aureus und durch Enterokokken verursacht. Somit muss eine Endokarditis-Prophylaxe dann durchgeführt werden, wenn am Eingriffsort diese Bakterien entweder die Schleimhaut oder die Haut kolonisieren und der Eingriff die Haut oder Schleimhaut verletzt. Dann nämlich können die Bakterien ins Blut gelangen.

Eingriffe im Mund- und Halsbereich

Eine gute Mundhygiene scheint der wichtigste Faktor für die Verhinderung einer Endokarditis zu sein. Deshalb sollte auch in allen Fällen vor dem Einsetzen einer künstlichen Herzklappe eine sorgfältige zahnärztliche Abklärung erfolgen. Man postuliert, dass mindestens zwei Wochen vor Herzklappenersatz alle zahnärztlichen Eingriffe abgeschlossen sein sollen, damit eine Heilung der Schleimhaut sichergestellt ist.

Während bei den bisherigen schweizerischen Richtlinien eine Liste von Eingriffen existiert, wurde bei den neuen amerikanischen Richtlinien die Zahneingriffe, die eine Endokarditis-Prophylaxe benötigen, auf Eingriffe reduziert, die mit Manipulationen an der Gingiva, der periapikalen Zahnregion oder mit einer Perforation der oralen Mukosa einhergehen. Bei anderen Eingriffen wie Biopsien, Entfernung von Nahtmaterial oder bei der Platzierung kieferorthopädischer Bänder kann eine Prophylaxe durchgeführt werden, muss aber nicht, da deren Nutzen unklar ist. Keine Prophylaxe soll durchgeführt werden bei lokaler Anästhesieinjektion im gesunden Gewebe, bei Röntgenaufnahmen, bei der Platzierung oder Anpassung prothetischer oder kieferorthopädischer Verankerungselementen und bei der Platzierung kieferorthopädischer Klammern.

Eingriffe am Respirationstrakt können zu transitorische Bakteriämien führen. Eine Verbindung zwischen Eingriff und einer infektiösen Endokarditis konnte jedoch nie erbracht werden.
Während gemäss den neuen amerikanischen Richtlinien eine Prophylaxe bei Personen mit hohem Risiko bei Tonsillektomien, Adenektomien, Inzision der Mukosa und Biopiseentnahme eine Prophylaxe lediglich erwogen werden kann, wird eine solche in den schweizerischen Richtlinien empfohlen.

Erreger und Antibiotikawahl

Orale Viridans-Streptokokken sind die häufigsten Erreger nach Eingriffen im Nasen-/Mundbereich und oberen Gastrointestinaltrakt. Entsprechend sind Penicilline, bzw. Amoxicillin (Clamoxyl® u.a.) die Antibiotika der ersten Wahl. Amoxicillin wird besser resorbiert und erreicht bessere Serumspiegel als orales Phenoxymethylpenicillin (z.B. Ospen®). Zum Zeitpunkt des Eingriffs sollte der Antibiotikaspiegel hoch sein und während rund 6 Stunden nach dem Eingriff über der minimalen Hemmkonzentration liegen. Da Amoxicillin früher in der Schweiz nur als Tabletten zu 750 mg erhältlich war, wurde in den schweizerischen Richtlinien eine Dosis von 2,25 g vor und nochmals eine Dosis zu 750 mg 6 Std. nach dem Eingriff vorgeschlagen. In den neuen Richtlinien werden analog zu den amerikanischen nur noch 2 g Amoxicillin vor dem Eingriff empfohlen. Diese Einmaldosierung wurde der Einfachheit halber übernommen.

Bei einer Penicillinallergie vom Spättyp (Exanthem)kann das Cephalosporin Cefuroxim (Zinat® u.a.) 1 g per os eine Stunde vor der Intervention gegeben werden, bei Penicillinallergie vom Soforttyp (Urtikaria, Angioödem, Bronchospasmus, Anaphylaxie) sind Clindamycin (Dalacin® C) 600 mg per os oder Makrolide (Clarithromycin [Klacid® u.a.] oder Azithromycin [Zithromax® u.a.]) 500 mg per os mögliche Medikamente. Ob die Makrolide, die in den amerikanischen Richtlinien noch angeführt werden, auch in den neuen schweizerischen Empfehlungen aufgelistet sein werden, ist ein Diskussionspunkt, da durch den ausgedehnten Gebrauch recht viele Streptokokkenstämme zunehmend Resistenzen aufweisen.

Wichtig ist, dass die Antibiotika einmalig gegeben werden. Bereits am Tage vorher zu beginnen oder die antibiotische Prophylaxe länger als 6-8 Std. nach dem Eingriff auszudehnen, ist jedoch falsch.

Eingriffe im Magendarm- und Urogenitaltrak

Ein grosser Unterschied der neuen amerikanischen Richtlinien zu den früheren schweizerischen Richtlinien liegt bei den Empfehlungen für eine Endokarditis-Prophylaxe bei Eingriffen am Gastrointestinal- und Urogenitaltrakt. Da eine Assoziation zwischen Eingriffen am Gastrointestinal- oder Urogenitaltrakt und einer infektiösen Endokarditis bisher nie untersucht worden ist, die positiven Daten aus Fallbeschreibungen bestehen und es keine Studie gibt, die zeigen würde, dass eine Prophylaxe nützt, wurde in den neuen amerikanischen Richtlinien die Prophylaxe-Empfehlung für diese Eingriffe gestrichen. Falls eine Infektion im Bereich des Eingriffes vorliegt oder falls Antibiotika zur Vermeidung von Wundinfekten oder Sepsis eingesetzt werden, sollte mit einem Antibiotikum behandelt werden, dessen Wirkspektrum auch die Enterokokken einschliesst, z.B. Amoxicillin, Piperacillin/Tazobactam (Tazobac® u.a.), oder bei Unverträglichkeit gegenüber Betalaktam-Antibiotika Vancomycin (Vancocin® u.a.). Je nach Infektion müssten bei Amoxicillin und Vancomycin zusätzlich die Gramnegativen und Anaerobier mitbehandelt werden (z.B. Amoxicillin/Clavulansäure [Augmentin® u.a.] oder bei Vancomycin entweder ein Aminoglykosid oder Ciprofloxacin [Ciproxin® u.a.], jeweils mit Metronidazol [Flagyl® u.a.]).

Es wird auch betont, dass bei Personen mit einem hohen Risiko vor einer elektiven Zystoskopie oder Manipulation des Urogenitaltraktes eine Urinkultur durchgeführt werden soll. Bei einem Harnwegsinfekt mit nachgewiesenem Keim oder Kolonisation des Urins mit Enterokokken müssen diese Keime vor dem Eingriff korrekt und resistenzgerecht behandelt werden.

Im Gegensatz zu den früheren Richtlinien wird also in den neuen Richtlinien die Kombination mit Gentamicin (Garamycin®) nicht mehr empfohlen. Penicillin oder Amoxicillin wirken jedoch nur bakteriostatisch auf die Enterokokken. Um eine bakterizide Wirkung zu erreichen, muss Gentamicin dazugegeben werden. Ein Problem bei Infektionen mit Enterokokken ist die zunehmende «high-level»-Resistenz auf Gentamicin und auch das Auftreten von Vancomycin-resistenten Enterokokken (VRE). Deshalb wird in den USA empfohlen, die Wahl des Antibiotikums mit infektiologisch spezialisierten Fachleuten abzusprechen. In der Schweiz spielen VRE keine grosse Rolle, jedoch nehmen «high-level»-Resistenzen auf Gentamicin zu. Bei der Verabreichung von Vancomycin (1 g i.v.) muss beachtet werden, dass es langsam, über 1-2 Stunden infundiert werden muss, da sonst die Gefahr des sogenannten «Red Man»-Syndroms (Mastzelldegranulation bei zu schneller intravenöser Gabe) besteht.

Gynäkologische Eingriffe

Bei den gynäkologischen Eingriffen sind die Empfehlungen der verschiedenen Gesellschaften recht unterschiedlich. Gemäss den früheren schweizerischen Richtlinien sollte eine Prophylaxe nur bei einer vaginalen Geburt oder bei einer vaginalen Hysterektomie bei Frauen mit einem hohen Risiko durchgeführt werden. In den neuen britischen Richtlinien wird eine Prophylaxe nur bei einem Kaiserschnitt und der vaginalen Hysterektomie empfohlen. Gemäss den neuen amerikanischen Richtlinien benötigen gynäkologische Eingriffe keine Prophylaxe. Falls der behandelnde Arzt eine Prophylaxe geben möchte, müsste ein Antibiotikum mit Wirkung gegen Enterokokken gewählt werden (siehe oben: Eingriffe im Magendarm- und Urogenitaltrakt).

Eingriffe an der Haut

Infektionen der Haut und Hautanhangsgebilde sind häufig polymikrobiell; da aber Staphylokokken und Streptokokken am gefährlichsten sind, sollte ein Anti-Staphylokokken-Penicillin verwendet werden. Die Prophylaxe sei «vernünftig» bei der höchsten Risikoklasse (siehe oben), da zum Beispiel nach einer Inzision von Furunkeln bei Personen mit einer künstlichen Herzklappe die Gefahr einer Endokarditis bestehe.

Amoxicillin/Clavulansäure (2 g per os 1 Stunde oder 2,2 g i.v. 30 Minuten vor dem Eingriff) ist gegen Methicillin-empfindliche Staphylokokken und Streptokokken wirksam. Bei Penicillinallergie vom Spättyp (Exanthem) kann Cefuroxim (2 g per os) oder Clindamycin (600 mg per os), bei einer Penicillinallergie vom Soforttyp (Urtikaria, Angioödem, Bronchospasmus, Anaphylaxie) Clindamycin (600 mg per os) oder Vancomycin (1 g i.v.) gegeben werden. Die weitere Behandlung ergibt sich aus dem Befund nach der Intervention.

Häufige Fehler

Die Endokarditis-Prophylaxe ist aufgrund der klinischen Datenlage nach wie vor umstritten. Deshalb ist es umso wichtiger, die Prophylaxe auf empfohlene Eingriffe mit korrekter Antibiotikadosis und Dauer zu beschränken. Bei einer Person mit einer künstlichen Herzklappe ist bei einer Hüftprothesen-Operation keine Endokarditis-Prophylaxe indiziert, sondern die «normale» Prophylaxe mit einer Einmaldosis von Cefuroxim (Zinacef® u.a.) oder Cefazolin (Kefzol® u.a.), je nach hausinternen Richtlinien. In diesem Fall erfolgt die Inzision ja nicht durch infiziertes Gewebe, sondern durch korrekt desinfizierte intakte Haut.

Spezielle Situationen liegen bei hospitalisierten Kranken vor. Hier können liegende Venenkatheter, insbesondere Zentralvenenkatheter, eine Ursache für Bakteriämien mit Staphylokokken sein. Deshalb sollen zentrale Venenkatheter bei Personen mit künstlichen Herzklappen oder einer Endokarditis-Anamnese nur bei sehr guter Indikation gelegt werden und so schnell wie möglich entfernt werden.

Schlussfolgerungen

Eine bakterielle Endokarditis lässt sich nur in wenigen Fällen verhindern. Sie ist nach wie vor mit einer erheblichen Mortalität und Morbidität verbunden. Für eine antibiotische Prophylaxe muss die richtige Indikation gestellt und die Antibiotika müssen in der korrekten Dosierung und Dauer appliziert werden.

Die neuen amerikanischen Richtlinien sind nachvollziehbar, aber restriktiv. Eine antibiotische Endokarditisprophylaxe ist nur noch empfohlen bei Personen mit einem hohen Risiko. Aufgrund der neuen Richtlinien werden weniger Personen bei zahnärztlichen Eingriffen eine Antibiotika-Prophylaxe erhalten. Da die Endokarditis nach Zahneingriffen ein seltenes Ereignis darstellt, wird es ohne Studien sehr lange dauern, bis festgestellt werden kann, ob so nicht mehr Endokarditiden auftreten.

Standpunkte und Meinungen

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Endokarditis-Prophylaxe (23. April 2008)
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pharma-kritik, 29/No. 18
PK38
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