Schützt Alkohol das Herz wirklich?
- Zusammenfassung: Anne Witschi
- Kommentar: Matthias Egger
- infomed screen Jahrgang 10 (2006)
, Nummer 2
Publikationsdatum: 1. Februar 2006 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
Verschiedene Bevölkerungsstudien haben gezeigt, dass Personen mit mässigem Alkoholkonsum ein geringeres kardiovaskuläres Risiko haben als Abstinente. Allerdings wurden in diesen Studien nie alle möglichen Störfaktoren berücksichtigt. Ziel dieser Studie war es, Beziehungen zwischen Risikofaktoren und Alkoholkonsum zu eruieren, die bei der Auswertung der betreffenden Studien einen Vorteil von mässigem Alkoholkonsum hätten vortäuschen können.
Methoden
Ausgewertet wurden die Daten einer telefonischen Gesundheitsbefragung von 250'496 über 18-Jährigen in den USA. Als abstinent gewertet wurde eine Person, wenn sie während der letzten 30 Tage keinen Alkohol zu sich genommen hatte, als mässig trinkend, wenn sie je nach Geschlecht täglich durchschnittlich einen oder zwei Drinks einnahm. Schwer kranke Personen und solche, die bereits ein kardiovaskuläres Ereignis durchgemacht hatten, wurden von der Analyse ausgeschlossen, weil ihre Krankheit Grund für die Alkoholabstinenz sein könnte.
Ergebnisse
Die meisten Faktoren, die mit einem erhöhten Krankheitsrisiko einhergehen, wurden nach Korrektur mit Alter und Geschlecht bei Abstinenten häufiger angetroffen als bei Personen mit mässigem Alkoholkonsum. Dazu gehören beispielsweise eine schlechtere Bildung, ein geringeres Einkommen, weniger Bewegung, weniger Gemüse in der Ernährung, aber auch Diabetes, Hypertonie, Adipositas, ein erhöhtes Cholesterin und ein schlechter allgemeiner Gesundheitszustand. Abstinente waren auch übervertreten in den Gruppen mit dem höchsten Gewicht, der geringsten körperlichen Aktivität und dem schlechtesten allgemeinen Gesundheitszustand. Eine Ausnahme bildete das Rauchen, das von Abstinenten seltener angegeben wurde.
Schlussfolgerungen
Die Studie zeigt, dass verschiedene gesundheitsrelevante Faktoren, insbesondere ein höherer Sozialstatus und eine gesündere Lebensweise, mit einem mässigen Alkoholkonsum assoziiert sind. Weil die meisten dieser Faktoren bei der Auswertung von früheren Studien nicht berücksichtigt wurden, schliessen die Studienverantwortlichen, dass die beobachtete Schutzwirkung eines mässigen Alkoholkonsums teilweise oder vollständig durch andere Faktoren vorgetäuscht sein könnte.
Zusammengefasst von Anne Witschi
In epidemiologischen Studien wird immer wieder gezeigt, dass mässiger Alkoholkonsum mit einer Reduktion der kardiovaskulären Sterblichkeit einhergeht – Resultate, die in der Folge von den Medien begeistert und unkritisch kolportiert werden. Diese Analyse einer U.S.-Gesundheitsbefragung dokumentiert eindrücklich, dass sich Leute mit verschiedenen Lebensstilen bezüglich einer ganzen Palette von Risikofaktoren unterscheiden, und dass diese Faktoren (und nicht das Trinken von Alkohol) die niedrigere Sterblichkeit erklären könnten. Sich dies immer wieder in Erinnerung zu rufen ist nicht zuletzt im Zusammenhang mit dem Debakel rund um die Hormonersatztherapie aktuell. Allerdings vergessen die Studienverantwortlichen, dass in Asien das Trinken (oder Vermeiden) von Alkohol stark genetisch determiniert ist, und der Zusammenhang auch dort besteht: das kardiale Risiko ist bei Männern in Japan, die aufgrund ihres ALDH2-Genotyps Alkohol meiden, erhöht.1 Mässiger Alkoholkonsum sollte auf keinen Fall als präventive Massnahme propagiert werden. Trotzdem: ein Glas oder zwei, mit Genuss in guter Gesellschaft getrunken, erhöht garantiert die Lebensqualität.
Matthias Egger
1 Takagi S, Iwai N, Yamauchi R et al. Aldehyde dehydrogenase 2 gene is a risk factor for myocardial infarction in Japanese men. Hypertens Res 2002 (September); 25: 677-81
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