HbA1c-Reduktion mit psychologischer Unterstützung?
- Zusammenfassung: Stefan Jenni
- Kommentar: Peter Diem
- infomed screen Jahrgang 10 (2006)
, Nummer 9
Publikationsdatum: 1. September 2006 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
Der Einfluss psychologischer Interventionen auf die Blutzuckereinstellung bei Typ-1-Diabetes ist ungenügend dokumentiert. In dieser systematischen Übersicht wurden Studien zusammengefasst, in denen untersucht wurde, wie sich eine psychologische Unterstützung auf die Blutzuckereinstellung auswirkt.
Methoden
In die Meta-Analyse wurden randomisierte Studien eingeschlossen, in denen die Wirkung einer psychologischen Intervention auf die Blutzuckerkontrolle bei Kindern oder Jugendlichen bzw. Erwachsenen mit Typ-1-Diabetes untersucht wurde. Endpunkte waren HbA1c-Werte und psychisches Befinden.
Ergebnisse
Sechzehn Studien bei Kindern und Jugendlichen sowie 13 Studien bei Erwachsenen wurden identifiziert. Die durchschnittliche Diabetesdauer betrug bei den Kindern und Jugendlichen 5,6 Jahre, bei den Erwachsenen 14 Jahre. Am häufigsten wurden kognitive Verhaltenstherapien, gefolgt von einfachen psychologischen Beratungen und systemischen Familientherapien untersucht. Zehn Studien bei Kindern und Adoleszenten sowie 11 Studien bei Erwachsenen wurden in der Meta-Analyse zur Blutzuckereinstellung berücksichtigt: für Kinder und Jugendliche (n=543) resultierte eine Senkung des HbA1c um 0,48% (95%-CI 0,05% - 0,91%) unter einer psychologischen Intervention. Bei den Erwachsenen (n=516) war dieser Effekt mit 0,22% (95%-CI -0,13% bis +0,56%) geringer und nicht signifikant. 10 Studien steuerten Resultate bezüglich Wohlergehen bei: Insgesamt wurde der psychische Stress unter psychologischer Behandlung reduziert; der Unterschied war bei Kindern und Jugendlichen deutlicher als bei den Erwachsenen.
Schlussfolgerungen
Bei Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes scheinen psychologische Behandlungen zu einer leichten Verbesserung der Blutzuckereinstellung zu führen, nicht jedoch bei Erwachsenen. Die Bedeutung dieser Resultate wird jedoch durch die mittelmässige methodologische Qualität der einzelnen Studien und die unterschiedlichen psychologischen Ansätze relativiert.
Zusammengefasst von Stefan Jenni
Aufgrund dieser Arbeit se–nken psychologische Interventionen bei Kindern und Adoleszenten das HbA1c um etwa 0,5%. Die entsprechende HbA1c-Senkung war bei Erwachsenen geringer und statistisch nicht signifikant. Überzeugende Erklärungen für diesen Unterschied werden nicht angeführt. Aus klinischer Sicht ist das Resultat dieser Meta-Analyse irritierend: es entspricht nicht meiner bisherigen Erfahrung. Gerade Adoleszente schienen mir bisher stets sehr «resistent» gegenüber den verschiedensten therapeutischen Bemühungen. Gleichzeitig hat die Arbeit methodologische Mängel: a) die Studienverantwortlichen selbst bezeichnen die Qualität der eingeschlossenen Studien als mässig; b) in den Studien wurden sehr unterschiedliche psychologische Interventionen geprüft (ob z.B. «three sessions of counselling and computer feedback of well-being, by diabetes nurses trained by psychologists» wirklich als «psychologische Intervention» bezeichnet werden dürfen, scheint fraglich); c) neben der «klinischen» Heterogenität der untersuchten Interventionen waren die erhobenen Daten auch statistisch heterogen. Dies gilt sowohl für Kinder/ Adoleszente als auch für Erwachsene. Fazit: Ich bin (noch) nicht überzeugt!
Peter Diem
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