Folgen einer Grippe-Pandemie heute
- a -- Murray CJ, Lopez AD, Chin B et al. Estimation of potential global pandemic influenza mortality on the basis of vital registry data from the 1918–20 pandemic: a quantitative analysis. Lancet 2006 (23. Dezember); 368: 2211-8 [Link]
- Zusammenfassung: Sven Trelle
- Kommentar: Daniel Koch
- infomed screen Jahrgang 11 (2007)
, Nummer 2
Publikationsdatum: 1. März 2007 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
In der vorliegenden Untersuchung wurde das Ausmass einer erneuten Grippe-Pandemie geschätzt, basierend auf Mortalitätsdaten der Grippe-Pandemie der Jahre 1918 bis 1920 (Spanische Grippe) .
Methoden
In nationalen Sterberegistern wurden Mortalitätsdaten für die Jahre 1915 bis 1923 identifiziert. Die Mortalität der Jahre 1918 bis 1920 wurde mit der Mortalität in den Jahren 1915 bis 1917 und 1921 bis 1923 verglichen, um die zusätzliche Sterblichkeit aufgrund der Spanischen Grippe zu berechnen. Der Einfluss des Pro-Kopf-Einkommens und der geographischen Lage auf die Mortalität wurde untersucht und die Mortalität einer vergleichbaren Grippe-Pandemie in der heutigen Zeit geschätzt.
Ergebnisse
Berücksichtigt wurden Mortalitätsdaten aus 27 Ländern auf verschiedenen Kontinenten. Die geschätzte durchschnittliche Rate durch die Spanische Grippe zusätzlich bedingter Todesfälle betrug 1,1 pro 100 Personen mit einer Spannweite von 0,2 in Dänemark bis 4,4 pro 100 Personen in Indien. Zusätzliche Todesfälle traten insbesondere in der Altersgruppe der 15- bis 44- Jährigen auf, wobei starke Schwankungen zwischen den Ländern vorhanden waren. Ein höheres Pro-Kopf-Einkommen war mit einer geringeren zusätzlichen Mortalität assoziiert; zwischen geographischer Breite und Mortalität fand sich kein Zusammenhang. Auf die heutige Zeit übertragen ergäbe sich eine geschätzte Zahl von 62 Millionen Toten weltweit. Bezogen auf ein Jahr würde dies einer Steigerung der Mortalität um 114% entsprechen. Etwa ein Drittel dieser Todesfälle würde bei Personen zwischen 15 und 29 Jahren, jeweils ein Viertel bei Personen zwischen 0 und 14 Jahren bzw. 30 und 44 Jahren auftreten. 96% der Todesfälle würden in Entwicklungsländern auftreten.
Schlussfolgerungen
Die vorliegende «worst-case»-Analyse schätzt das weltweite Ausmass einer schweren Grippe-Pandemie. Sie zeigt insbesondere, dass vor allem in Entwicklungsländern und in der Altersgruppe der unter 45-Jährigen mit einer erhöhten Mortalität gerechnet werden müsste.
Zusammengefasst von Sven Trelle
Murrays Schätzung der potentiellen Sterblichkeit basiert primär auf zwei historischen Registern. Er übernimmt diese Daten direkt, um die weltweit zu erwartenden Sterbefälle während einer Pandemie zu schätzen. Aber wissen wir, wie vor fast hundert Jahren Geburten gezählt und Geburtsregister geführt wurden? Die direkte Übertragung der Daten von 1915 bis 1923 auf die heutige Situation ist rein hypothetisch. Wir wissen nicht genau, wie sich eine Pandemie heute weltweit ausbreiten würde. Der Einfluss von medikamentösen und gemeindebasierten Massnahmen auf den Verlauf einer Pandemie ist ebenso unsicher wie derjenige der heute im Vergleich zu 1918 besseren hygienischen Verhältnisse, Arbeitsbedingungen und medizinischen Möglichkeiten. Die geschätzten 62 Millionen Todesfälle müssen deshalb mit Vorsicht interpretiert werden. Auch wenn der Verlauf einer zukünftigen Grippe- Pandemie heute nicht genau vorhergesagt werden kann, muss von einer starken Belastung des Gesundheitswesens ausgegangen werden. Deshalb ist die Pandemievorbereitung wichtig.
Daniel Koch
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