EPO-Therapie bei renaler Anämie: «less is more»

  • m -- Phrommintikul A, Haas SJ, Elsik M et al. Mortality and target haemoglobin concentrations in anaemic patients with chronic kidney disease treated with erythropoietin: a meta-analysis. Lancet 2007 (3. Februar); 369: 381-8
  • Zusammenfassung:
  • Kommentar: Hans Jakob Gloor
  • infomed screen Jahrgang 11 (2007) , Nummer 3
    Publikationsdatum: 1. Mai 2007
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Studienziele
Mittels einer Meta-Analyse gingen die Studienverantwortlichen der Frage nach, inwiefern Gesamtmortalität, kardiovaskuläre Ereignisse und Shunt-Thrombosen bei Personen mit renaler Anämie vom Zielwert der Hämoglobinkonzentration während der Behandlung mit rekombinantem humanem Erythropoietin (EPO z.B. als Epoetin alfa = Eprex® oder Epoetin beta = Recormon®) abhängen.

Methoden
In die Meta-Analyse eingeschlossen wurden englischsprachige randomisierte Studien mit mindestens 100 Untersuchten mit renaler Anämie, in denen die Auswirkungen einer EPOTherapie mit hohen Hämoglobinzielwerten (12 bis 16 g/dl) mit denjenigen einer EPO-Therapie mit niedrigeren Zielwerten (9 bis 11 g/dl) verglichen wurden und welche eine Verlaufsbeobachtung von mindestens 12 Wochen aufwiesen.

Ergebnisse
9 Studien mit insgesamt 5‘134 Kranken zeigten zusammengenommen in den Gruppen mit den höheren Hämoglobinzielwerten eine signifikant höhere Gesamtmortalität (Relatives Risiko 1,17), ein höheres Risiko für Thrombosen eines arteriovenösen Zugangs (RR 1,34) und für eine schlecht kontrollierbare Hypertonie (RR 1,27). In Bezug auf Myokardinfarkte war kein Unterschied zu beobachten. Die verwendeten Kriterien für die Beurteilung der Lebensqualität waren zu unterschiedlich, als dass eine gepoolte Auswertung sinnvoll gewesen wäre.

Schlussfolgerungen
Höhere Hämoglobinzielwerte bei einer EPO-Therapie von Personen mit einer renaler Anämie haben ein höheres Sterberisiko zur Folge. Über die Mechanismuen, die dazu führen, kann nur spekuliert werden (Blutviskosität, erhöhte Entzündungs- und antifibrinolytische Aktivität, Dysregulation von vasoaktiven Faktoren, Höhe der EPO-Dosis). Aktuelle Guidelines empfehlen einen Hämoglobinzielwert von 11 g/ dl, basierend auf Untersuchungen der Lebensqualität. Eine obere Grenze fehlt bisher und sollte zukünftig in Guidelines bedacht werden.

Zusammengefasst von Thomas Rumetsch

Die Analyse von 9 randomisierten Studien mit über 5‘000 Personen ergab bei den Gruppen mit hohem Hämoglobinzielwert folgende Resultate: die Sterblichkeit bei Berücksichtigung aller Todesursachen ist um 17%, das Risiko eines unkontrolliert erhöhten Blutdrucks ist um 27% und auch das Risiko für Thrombosierung des arteriovenösen Gefässzugangs um 34% höher. Die neue Evidenz ist demzufolge klar. Erstaunlich ist lediglich das Nicht-wahr-Haben-Wollen dieser Fakten. Nun müssten weitere noch laufende Studien mit hohen Hämoglobinzielwerten aus ethischen Gründen gestoppt werden, wie ein Cochrane-Kommentar zur vorliegenden Metaanalyse vermerkt.1 Für die praktizierenden Nephrologen hätte fortan zu gelten, dass ein Hb-Wert von 12,5 g/dl bei Personen mit chronischer Niereninsuffizienz im Stadium IV und V (glomeruläre Filtrationsrate unter 30 ml/min) nicht überschritten werden sollte. Das Prinzip «less is more» hat sich am Beispiel der EPO-Substitution nach vielen Jahren der Unsicherheit bestätigt. Über die Ursachen des «schädlichen normalen Hb-Spiegels» bei Niereninsuffizienz ist vorläufig nichts Gesichertes bekannt.

Hans Jakob Gloor


1. Strippoli GF, Tognoni G, Navaneethan SD et al. Haemoglobin targets: we were wrong, time to move on. Lancet 2007 (3. Februar);369:346-50


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EPO-Therapie bei renaler Anämie: «less is more» ( 2007)