Akute Knieverletzung: wann röntgen?
- a -- Stiell IG, Wells GA, Hoag RH et al. Implementation of the Ottawa Knee Rule for the use of radiography in acute knee injuries. JAMA 1997 (17. Dezember); 278: 2075- [Link]
- Kommentar: Markus Lehner
- infomed screen Jahrgang 2 (1998)
, Nummer 2
Publikationsdatum: 1. Februar 1998 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
Mehr als 1 Mio. Personen werden jährlich wegen akuten Knieverletzungen auf Notfallstationen in den USA und in Kanada untersucht. Dabei fallen 92% der durchgeführten Röntgenaufnahmen bezüglich Frakturabklärung negativ aus. Die vorliegende Studie testete die «Ottawa Knee Rule», eine Entscheidungshilfe zur Verbesserung klinischer und radiologischer Abklärungen beim frischverletzten Knie. Gemäss dieser Regel ist eine radiologische Abklärung nur indiziert, wenn eines der fünf folgenden Kriterien erfüllt ist: Verunfallte über 55 Jahre, isolierte Druckdolenz der Patella, Druckdolenz des Fibulaköpfchens, Knieflexion bis 90° unmöglich, Beinbelastung direkt nach Trauma bzw. in der Notfallstation unmöglich.
Methoden
Je ein Kommunal- und ein Lehrspital bildeten Kontroll- bzw. Interventionsgruppe. Während zwei 12monatigen Perioden wurden insgesamt 3907 Erwachsene untersucht. Alle waren älter als 18 Jahre und hatten frische Knieverletzungen, die nicht länger als 1 Woche zurückliegen durften. Die medizinischen Teams, die die Kontrollgruppen betreuten, arbeiteten ohne die «Ottawa Knee Rule». Die Intervention bestand in der Einführung der «Ottawa Knee Rule» in zwei Spitälern zu Beginn der zweiten 12monatigen Periode. Ausschlusskriterien betrafen Personen mit zusätzlicher Hautverletzung, Schwangere, Paraplegiker und Polytraumatisierte.
Ergebnisse
In der Interventionsgruppe nahm die Zahl radiologischer Abklärungen innerhalb eines Jahres von 78% auf 57% (p<0,001) ab. Bei der Kontrollgruppe änderte sich die Zahl verordneter Röntgenbilder nicht (76%). Beim Interventionskollektiv (n=1063) verbrachten Verunfallte ohne radiologische Abklärung weniger Zeit auf der Notfallstation als solche mit Abklärung (86 bzw. 119 Minuten), blieben weniger lang der Arbeit fern (3,0 bzw. 5,8 Tage) und beanspruchten weniger oft Folgekonsultationen (38% bzw. 52%) – wurden jedoch nach Entlassung häufiger radiologisch weiter abgeklärt (7% bzw. 1,7%). Bei keinem der ohne Röntgenbild Entlassenen wurde eine Fraktur übersehen. Unterschiede in der Patientenzufriedenheit wurden nicht beobachtet. Die Gesamtkosten für Notfall- und Nachkonsultationen betrugen 80 $ ohne Röntgen- bzw. 183 $ mit Röntgen-Aufnahmen.
Schlussfolgerungen
Diese Studie zeigt, dass die «Ottawa Knee Rule» die Häufigkeit radiologischer Abklärungen am frischverletzten Knie signifikant reduziert und einfach anzuwenden ist. In der vorliegenden Untersuchung wurden dennoch sämtliche 58 klinisch bedeutsamen Frakturen identifiziert.
Soll jedes frisch traumatisierte Kniegelenk routinemässig radiologisch abgeklärt werden? «Nein», meinen die Autoren und Initianten der «Ottawa Knee Rule». In einer fast 4000 Verunfallte umfassenden Studie zeigen sie auf, dass aufgrund von 5 einfachen Kriterien, welche jeder Allgemeinpraktiker und Assistenzarzt beurteilen kann, auf ein Drittel der Röntgenaufnahmen verzichtet werden kann, ohne eine einzige Fraktur zu verpassen. Diese Mitteilung scheint mir wertvoll, gerade im Hinblick auf die allseits geforderte Senkung der Kosten im Gesundheitswesen.
Markus Lehner
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