Hilft Morphin gegen Atemnot bei COPD?
- r -- Verberkt CA, van den Beuken-van Everdingen MH, Schols JM et al. Effect of sustained-release for refractory breathlessness in chronic obstructive pulmonary disease on health status: a randomized clinical trial. JAMA Intern Med 2020 (1. Oktober); 180: 1306-14 [Link]
- Zusammenfassung: Alexandra Röllin
- infomed screen Jahrgang 24 (2020)
Publikationsdatum: 11. Dezember 2020 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Schon seit längerem werden Personen mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung («chronic obstructive pulmonary disease»; COPD) symptomatisch mit niedrig dosiertem Morphin behandelt, wenn sie trotz ausgeschöpfter, krankheitsspezifischer Therapie weiterhin subjektiv belastende Atemnot empfinden. Der Nutzen dieses Vorgehens kann allerdings kaum durch Studiendaten belegt werden, und immer wieder werden auch Stimmen laut, die vermehrte pulmonale Komplikationen aufgrund des verminderten Atemantriebes unter Opiaten befürchten. Im Rahmen der vorliegenden holländischen Studie wurden 124 COPD-Kranke, die trotz optimaler Inhalationstherapie weiterhin über Atemnot klagten, nach dem Zufall über 4 Wochen entweder mit 2-3mal tgl. 10 mg oralem Morphin in retardierter Form oder mit Placebo behandelt. Im «COPD Assessment Test» (CAT), der die krankheitsbezogene Leistungsfähigkeit beurteilt, erreichten die mit Morphin behandelten Personen im Schnitt 2,18 Punkte weniger (geringere Punktzahl = bessere krankheitsbezogene Leistungsfähigkeit). Hinsichtlich verschiedener Atmungsparameter (insbesondere hinsichtlich Sauerstoffpartialdruck im Blut, der neben CAT als primärer Endpunkt galt) unterschieden sich die beiden Gruppen jedoch nicht. Lediglich die Atemfrequenz war unter Morphin geringer. Die mit Morphin behandelten Personen litten häufiger unter Obstipation, ansonsten konnte auch bezüglich weiteren unerwünschten Wirkungen kein Unterschied zwischen den Gruppen festgestellt werden.
Die vorliegenden Daten sind insofern beruhigend, als dass wir den behandelten Personen wohl kaum schaden, wenn wir bei schwerer COPD zur Symptomlinderung zusätzlich orales Morphin in geringer Dosierung verordnen. Wie weit anhand der vorliegenden Daten allerdings wirklich ein relevanter Nutzen belegt werden kann, bleibt unklar. Die Rekrutierung der Studienteilnehmenden verlief offenbar ausgesprochen harzig, so dass schliesslich die Kriterien für die Studienteilnahme aufgeweicht werden mussten (es mussten auch Personen mit mittelstarker Atemnot einbezogen werden – und nicht nur solche mit starker wie ursprünglich vorgesehen) und trotzdem die berechnete Stichprobengrösse nicht erreicht wurde. Auch die vorgeschlagene «Minimal Clinically Important Difference» (MCID) von 3,8 beim CAT wurde nicht erreicht. Ebenso konnte bei keinem der als sekundäre Endpunkte untersuchten weiteren Leistungs- und Lebensqualitätsparameter ein relevantes Ergebnis zugunsten der Morphin-Behandlung gezeigt werden. Ein nicht sehr überzeugendes Resultat also. Um zu belegen, dass die vorgeschlagene Behandlung wirklich mehr als ein nur ein «unechtes Placebo» darstellt, müssten wohl weitere und grössere Studien mit dieser Fragestellung durchgeführt werden.
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